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Integration in die Weltwirtschaft

Bei ihrer Gründung am 16. April 1948 sollte die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) die milliardenschweren Geldtransfers für den Wiederaufbau des Nachkriegseuropas verwalten. Dann entwickelte sie sich zu einer wichtigen Organisation für den liberalen Welthandel. Inzwischen sorgt sie unter dem Namen OECD vor allem mit wissenschaftlichen Prognosen für Aufsehen.

Von Klaus Peter Weinert | 16.04.2008
    Nachdem im Dezember 1947 die Außenministerkonferenz in London gescheitert war, zeichnete sich die Konfrontation zwischen der Sowjetunion und den USA schon deutlich ab. Für die USA bestand daher kein Zweifel daran, dass Deutschland in das europäische Wiederaufbauprogramm, den sogenannten Marshall-Plan, integriert werden musste. Denn ein schwaches Westdeutschland würde nur der Sowjetunion nützen, nicht aber dem Westen.

    Die Vorbehalte der Franzosen, die ein Wiedererstarken Deutschlands zunächst befürchteten, wurden in den nächsten Monaten ausgeräumt: Der Gründung der OEEC, der "Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit" stand nichts mehr im Weg. Sie war als Organisation notwendig, um über die Verwendung des milliardenschweren Wiederaufbauprogramms in Europa zu entscheiden und die Geldtransfers zu verteilen.

    Auf der feierlichen Gründungsversammlung am 16. April 1948 in Paris durften deutsche Vertreter allerdings nicht teilnehmen. Erst ein Jahr später, als die Bundesrepublik als Staat anerkannt war, reiste Franz Blücher, damaliger Vizekanzler, zu einer Sitzung nach Paris:
    "Es war ein großer Eindruck, der bestimmt wurde durch das Gefühl, dass einem sehr viel aufrechte und aufrichtige Freundschaft begegnete und dass aus den meisten Äußerungen doch das Bewusstsein klang, dass nur eine echte europäische Gemeinschaftsarbeit uns über die großen Schwierigkeiten des Augenblickes wird hinweghelfen können."
    Die Teilnahme von Franz Blücher ermöglichte Deutschland ein Mitbestimmungsrecht an den Verhandlungen über die Höhe und die Verwendung der Geldtransfers. Denn bis 1949 hatten die Militärgouverneure die Weisungsbefugnis über die Mittel des Wiederaufbauprogramms in Westdeutschland.
    Die anderen europäischen Länder wie Frankreich, England oder auch die Niederlande nahmen von Anbeginn selbst an den Verhandlungen teil. Die Europäer orientierten sich damals am New-Deal-Programm des verstorbenen Präsidenten Franklin Roosevelt, der nach der großen Wirtschaftkrise von 1929 mit Hilfe staatlicher Investitionen die Konjunktur ankurbelte.

    So floss auch in Europa das Geld in Modernisierungen, den Ausbau der Infrastruktur oder in Maßnahmen zur Produktionssteigerung. Manager und Ingenieure konnten in die USA reisen, um die dortige Arbeitswelt und die Vorteile eines liberalen Handels kennenzulernen.
    Für die Integration der europäischen, und insbesondere der deutschen Wirtschaft in die Weltwirtschaft und den Abbau von Handelsschranken spielte die OEEC eine wichtige Rolle, wie Franz Blücher erklärte:
    "Ich glaube, dass die bösen Lehren der letzten Jahre uns diesem Ziele, das schon früher so oft unvollkommen angestrebt worden ist, ein ganzes Stück näher bringen werden. Es ist heute so, dass der Gedanke einer allgemeinen Einwechslungsfähigkeit der Währungen in unserem großen europäischen Raume Allgemeingut ist. Es ist weiter so, dass man den höchst fragwürdigen Wert von Handelsbeschränkungen aller Art erkennt. Man geht auch beherzt dem System der Zölle zu Leibe."
    Im Laufe der 50er Jahre veränderten sich die Anforderungen an die OEEC, die Marshall- Plan-Hilfe lief aus. 1961 wurde sie in die OECD, die "Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung", überführt und mit anderen Aufgaben betraut. Generalsekretär Thorkill Kristensen:
    "Die Bedeutung der OEEC bezüglich der Liberalisierung des europäischen Handels ist wohlbekannt. Das ist aber heute nicht genug. Kanada und die Vereinigten Staaten werden Vollmitglieder der neuen Organisation sein. Es ist deshalb keine nur europäische Organisation, sondern vielmehr eine atlantische, oder allgemein gesprochen eine westliche Organisation der Industrieländer."
    Von den ehemals 16 Mitgliedern der OEEC ist die OECD heute auf 30 angewachsen. Sie ist zu einem wichtigen wissenschaftlichen Institut geworden, das Prognosen erstellt und sich mit der Stabilitäts- und Wachstumspolitik der Industrieländer beschäftigt. In Deutschland hat die Organisation in den vergangenen Jahren vor allem durch ihre kritischen Stellungnahmen zur deutschen Bildungspolitik Aufsehen erregt.