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Integration ist nicht nur Sprachunterricht

Mehr als 240.000 ausländische Studierende besuchen derzeit deutsche Universitäten. Beliebt sind technische Studienfächer wie die Ingenieurswissenschaften. Bevor die Ausländer ihr Studium in Deutschland beginnen dürfen, müssen sie erst noch einen Sprachtest bestehen. Angesichts von verschärften Studienbedingungen gibt es aber immer weniger Kontakte zwischen deutschen und ausländischen Studierenden und damit auch weniger Gelegenheit, die deutsche Sprache zu üben.

Von Lutz Heyser | 14.07.2006
    Raum 111, Gebäude B der Universität Trier. 18 junge Frauen und Männer sitzen in dem kargen Unterrichtsraum mit den gelben Wänden vor der Schultafel. Sie kommen aus China, Russland, Polen der Mongolei oder Südkorea. Heute steht das richtige Verfassen einer E-Mail auf dem Stundenplan. Die Unterrichtsatmosphäre ist heiter und gelöst.

    In der letzten Reihe, ganz links außen sitzt Roman Fuchs. Seit anderthalb Jahren lebt der 33jährige Deutsch-Russe hier in Trier. Gerne möchte er an der Universität Informatik studieren. Doch bevor er sich einschreiben darf, muss er erst den Sprachtest bestehen. Damit das gut klappt, will Roman möglichst viel Deutsch reden, am liebsten natürlich mit deutschen Freunden. Doch um mit jungen Deutschen in Kontakt zu kommen, ist Roman manchmal einfach noch zu schüchtern:

    "Für mich ist das ein bisschen schwer. Weil, ich denke, mein Deutsch ist noch nicht so gut und ich spreche mit Fehlern. Dann verstehe ich auch manche Fragen nicht. Das macht es schwierig und kompliziert."

    Dass die Deutschen ihm gegenüber ein bisschen freundlicher und offener auftreten, wünscht sich Roman. Das würde ihm das Leben in Deutschland erleichtern. Doch gerade Ausländern gegenüber seien die Menschen hier oft sehr reserviert. Das musste Roman auch feststellen, als er eine Wohnung gesucht hat:

    "Das war sehr schwer. Als die Vermieter gehört haben, dass ich Ausländer bin, haben viele nein gesagt."

    Auch Heh Jong Naan aus Südkorea hat Probleme, Deutsche in ihrem Alter kennen zu lernen. Dabei ist die 31-Jährige lebenslustig und - anders als Roman - alles andere als schüchtern oder kontaktscheu:

    "Mit alten Leuten klappt das eigentlich ganz gut. Die sind sehr nett zu mir. Mit jungen Leuten ist das anders, schwieriger. Das ist für mich oft unangenehm."

    Ausländische Studierende haben oft Anlaufschwierigkeiten und Probleme in Deutschland, weiß Johannes Glembeck. Er ist Vorsitzender des Bundesverbandes ausländischer Studierender:

    "Was wir oft hören, von ausländischen Studenten, an eigentlich negativen Äußerungen ist: Man lernt auch gerade in den Seminaren wenig Deutsche kennen. Die Deutschen wollen nicht so gerne in Arbeitsgruppen mit Ausländern zusammen."

    Gründe für die fehlende Kontaktbereitschaft der Deutschen sind Studienstress und immer weniger Zeit. Wegen der verschärften Studienbedingungen müssten die Deutschen selbst immer schneller studieren. Deshalb bliebe gerade Kontakte zu Ausländern immer mehr auf der Strecke, so Glembeck weiter. Eine weitere Hürde für die ausländischen Studierenden lauere im Studium selber.

    "Es gibt ausländische Studierende, die kennen beispielsweise die Referatskultur bei uns nicht. Die wissen nicht wie man bei uns wissenschaftlich korrekt zitiert. Und da ist man in der Wissenschaftsgesellschaft oft noch verloren. Denn die Univerwaltungen, die haben sich oft schon auf die Ausländer eingestellt. Aber an den Lehrstühlen, bei den Professoren, da gibt es noch sehr viel nachzuholen, was die Betreuung ausländischer Studierender angeht."

    Vorbei sind die Probleme für Ausländer in Deutschland aber auch nach einem erfolgreichen Studienabschluss noch nicht. Denn die Jobsuche hierzulande ist oft schwierig, so Johannes Glembeck:

    "Ich bekomme am Tag mindestens ein bis zwei Anrufe, wo es darum geht: Ich habe Probleme mit der Arbeitsaufnahme, ich habe Probleme damit mein Visum nach dem Studium zu verlängern. Und was ich da als Problem sehe, ist, dass die Ausländerbeauftragten auf Bundes- und Landesebene da wenig Interesse haben, was ausländische Studierende betrifft."

    Möglicherweise kann hier der heutige Integrationsgipfel in Berlin helfen, ausländischen Studierenden und Absolventen eine Lobby zu geben.