von Maximilian Schönherr
Der Sicherheitsfokus blieb bis heute auf die Insassen des Fahrzeugs gerichtet. Um ihre kinetische Energie aufzufangen, hat man die Karosserien weich gemacht; um ihren freien Flug beim Aufprall zu verhindern, kam der Sicherheitsgurt dazu, dann der Airbag. Die meisten auf der IAA vorgestellten Fahrzeuge sind serienmäßig mit mindestens sechs Airbags ausgestattet, die die Insassen bei einem Unfall von allen Seiten regelrecht einpacken, insbesondere auch den Kopf. Noch kein Standard, aber in Frankfurt bei vielen neuen Modellen zu sehen: vorbereitende Maßnahmen wie das Senkrechtstellen der Rückenlehne und Straffen des Gurts vor dem Crash.
Die neueste Generation von PKW, die hohen Sports Utility Vehicles (SUV) mit ihren großen Reifen reizen all diese Möglichkeiten aus. Sie gleichen Burgen, deren Bewohner, nach allen Regeln der Sicherheitstechnik geschützt, ohne Kontakt nach außen durch den Dschungel der Großstädte und durch Wüstenstürme navigieren. Martialische Maschinen mit extremer Sensibilität für den Boden. Ich fragte den Hersteller, wie sensibel ein so sensibles Fahrzeug denn mit der Verletzbarkeit von Fußgängern umginge? Er schluckte und antwortete dann, ganz aus der Perspektive seines Panzers mit dem superkurzen Bremsweg des SUV. Der Fußgänger kommt in seinem Denken nicht vor.
Das wird sich bis zum Jahr 2006 ändern; denn die japanischen und europäischen Autohersteller haben sich darauf geeinigt, den Fokus auf die Fußgänger zu richten, für die der noch so kurze Bremsweg doch zu lang ist. Während Zusammenstöße mit Fußgängern in den relativ dünn besiedelten USA kaum eine Rolle spielen, sind sie in Europa und Japan signifikante Größen in den Unfallstatistiken.
Das typische Szenario sieht so aus: Der Wagen erfasst den Fußgänger etwa in Kniehöhe mit seiner Stoßstange und schiebt ihn in Fahrtrichtung weiter. Es sieht in der Zeitlupe aus, als stelle die Schnauze des Fahrzeugs dem Fußgänger ein Bein. Wegen der Massenträgheit des Kopfs beginnt sich der Körper zu drehen, und während der Wagen weiterfährt, passiert dann das oft Tödliche: Der Kopf prallt auf die Motorhaube. Tödlich deshalb, weil die Motorhaube zwar relativ weich ist; aber …
Der Abstand Motorhaube und Motorblock ist heute gering, oft nur 2 bis 3 Zentimeter. Hier gilt es, diesen Abstand auf ca. 10 Zentimeter zu vergrößern.
… sagt Peter Bauer, Ingenieur für Sicherheitselektronik bei einer großen Münchner Firma. Das Problem ist also der stahlharte Motorblock direkt unter der relativ weichen Motorhaube. Das auf der IAA vorgestellte System richtet beim Aufprall eines Fußgängers die Motorhaube auf, sodass dessen Kopf den Motorblock nicht zu spüren bekommt. Das geschieht über Federn oder pyrotechnische Systeme, wie sie vom Airbag her bekannt sind. In den meisten Fällen genügt es, die Motorhaube hinten, also in der Nähe der Rückspiegel hochzustellen. Den Befehl für das Hochstellen erteilt ein Sensor in der Stoßstange:
Der Sensor wird unsichtbar über die ganze Stoßstange verteilt sein, abgedeckt im Schaumstoff der Stoßstange.
Der Sensor besteht aus einem Licht leitenden Streifen, mit der Lichtquelle am einen und einer Diode am anderen Ende der Stoßstange. Kommt die Stoßstange mit dem Bein eines Fußgängers in Berührung, wird der Streifen an der Stelle verformt, Licht tritt aus, und die Diode am Ende merkt das. Peter Bauer:
Es wird Eindringgeschwindigkeit, -ort, -fläche erkannt und die Masse daraus berechnet. Alles im Millisekundenbereich. Das ist heute ausreichend für Sensorik und Aktuatorik.
Nach 100 Millisekunden ist alles längst vorbei. Tests mit Dummys zufolge funktioniert das System nicht nur für Erwachsene, sondern insbesondere auch für Kinder.
Schon in drei Jahren werden wir diese oder ähnliche Techniken zum Schutz von Fußgängern in allen Neuwägen vorfinden. Bis zum Jahr 2010 werden dann Außenairbags dazukommen, die die Fußgänger beim Aufprall auf die Windschutzscheibe abpolstern.
An einer Hand abzählbar sind die auf der IAA vorgestellten Modelle, die schon jetzt – wenn auch nur passiv – auf das Problem eingehen. Vorbildlich ein schwedischer Autohersteller, der die ganze Front auf möglichen Fußgängerkontakt abgestimmt hat: Die Haube ist extrem flach, die Kanten abgerundet, die Spitze des Fahrzeugs ist besonders weich, und der Zylinderkopf versteckt sich großzügige 7 Zentimeter unter dem Blech.
Links:
Fußgängererkennung per Stoßstange Der fußgängerfreundliche Volvo V40 Website der IAA
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Der Sicherheitsfokus blieb bis heute auf die Insassen des Fahrzeugs gerichtet. Um ihre kinetische Energie aufzufangen, hat man die Karosserien weich gemacht; um ihren freien Flug beim Aufprall zu verhindern, kam der Sicherheitsgurt dazu, dann der Airbag. Die meisten auf der IAA vorgestellten Fahrzeuge sind serienmäßig mit mindestens sechs Airbags ausgestattet, die die Insassen bei einem Unfall von allen Seiten regelrecht einpacken, insbesondere auch den Kopf. Noch kein Standard, aber in Frankfurt bei vielen neuen Modellen zu sehen: vorbereitende Maßnahmen wie das Senkrechtstellen der Rückenlehne und Straffen des Gurts vor dem Crash.
Die neueste Generation von PKW, die hohen Sports Utility Vehicles (SUV) mit ihren großen Reifen reizen all diese Möglichkeiten aus. Sie gleichen Burgen, deren Bewohner, nach allen Regeln der Sicherheitstechnik geschützt, ohne Kontakt nach außen durch den Dschungel der Großstädte und durch Wüstenstürme navigieren. Martialische Maschinen mit extremer Sensibilität für den Boden. Ich fragte den Hersteller, wie sensibel ein so sensibles Fahrzeug denn mit der Verletzbarkeit von Fußgängern umginge? Er schluckte und antwortete dann, ganz aus der Perspektive seines Panzers mit dem superkurzen Bremsweg des SUV. Der Fußgänger kommt in seinem Denken nicht vor.
Das wird sich bis zum Jahr 2006 ändern; denn die japanischen und europäischen Autohersteller haben sich darauf geeinigt, den Fokus auf die Fußgänger zu richten, für die der noch so kurze Bremsweg doch zu lang ist. Während Zusammenstöße mit Fußgängern in den relativ dünn besiedelten USA kaum eine Rolle spielen, sind sie in Europa und Japan signifikante Größen in den Unfallstatistiken.
Das typische Szenario sieht so aus: Der Wagen erfasst den Fußgänger etwa in Kniehöhe mit seiner Stoßstange und schiebt ihn in Fahrtrichtung weiter. Es sieht in der Zeitlupe aus, als stelle die Schnauze des Fahrzeugs dem Fußgänger ein Bein. Wegen der Massenträgheit des Kopfs beginnt sich der Körper zu drehen, und während der Wagen weiterfährt, passiert dann das oft Tödliche: Der Kopf prallt auf die Motorhaube. Tödlich deshalb, weil die Motorhaube zwar relativ weich ist; aber …
Der Abstand Motorhaube und Motorblock ist heute gering, oft nur 2 bis 3 Zentimeter. Hier gilt es, diesen Abstand auf ca. 10 Zentimeter zu vergrößern.
… sagt Peter Bauer, Ingenieur für Sicherheitselektronik bei einer großen Münchner Firma. Das Problem ist also der stahlharte Motorblock direkt unter der relativ weichen Motorhaube. Das auf der IAA vorgestellte System richtet beim Aufprall eines Fußgängers die Motorhaube auf, sodass dessen Kopf den Motorblock nicht zu spüren bekommt. Das geschieht über Federn oder pyrotechnische Systeme, wie sie vom Airbag her bekannt sind. In den meisten Fällen genügt es, die Motorhaube hinten, also in der Nähe der Rückspiegel hochzustellen. Den Befehl für das Hochstellen erteilt ein Sensor in der Stoßstange:
Der Sensor wird unsichtbar über die ganze Stoßstange verteilt sein, abgedeckt im Schaumstoff der Stoßstange.
Der Sensor besteht aus einem Licht leitenden Streifen, mit der Lichtquelle am einen und einer Diode am anderen Ende der Stoßstange. Kommt die Stoßstange mit dem Bein eines Fußgängers in Berührung, wird der Streifen an der Stelle verformt, Licht tritt aus, und die Diode am Ende merkt das. Peter Bauer:
Es wird Eindringgeschwindigkeit, -ort, -fläche erkannt und die Masse daraus berechnet. Alles im Millisekundenbereich. Das ist heute ausreichend für Sensorik und Aktuatorik.
Nach 100 Millisekunden ist alles längst vorbei. Tests mit Dummys zufolge funktioniert das System nicht nur für Erwachsene, sondern insbesondere auch für Kinder.
Schon in drei Jahren werden wir diese oder ähnliche Techniken zum Schutz von Fußgängern in allen Neuwägen vorfinden. Bis zum Jahr 2010 werden dann Außenairbags dazukommen, die die Fußgänger beim Aufprall auf die Windschutzscheibe abpolstern.
An einer Hand abzählbar sind die auf der IAA vorgestellten Modelle, die schon jetzt – wenn auch nur passiv – auf das Problem eingehen. Vorbildlich ein schwedischer Autohersteller, der die ganze Front auf möglichen Fußgängerkontakt abgestimmt hat: Die Haube ist extrem flach, die Kanten abgerundet, die Spitze des Fahrzeugs ist besonders weich, und der Zylinderkopf versteckt sich großzügige 7 Zentimeter unter dem Blech.
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Fußgängererkennung per Stoßstange Der fußgängerfreundliche Volvo V40 Website der IAA
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