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Intelligenter Schlange stehen

Mittags um halb eins herrscht Chaos in der Bremer Mensa: Mehr als 8000 Gäste stehen jeden Tag an den Essenausgaben, um sich mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen. Oft gibt es dabei kein Durchkommen mehr - die langen Schlangen versperren den Weg zu Gerichten und Kassen. Angehende Wirtschaftsingenieure und Psychologen haben deswegen einen Masterplan entwickelt: Intelligent Queueing heißt das Konzept, mit dem sie die Wartesituation in der Mensa verbessern wollen.

Von Britta Mersch |
    " Wir haben eine vegetarische Ausgabe, jeden Tag ein anderes vegetarisches Menü. Wir haben Wok und Pfanne. Wir haben Aufläufe. Jeden Tag sechs, sieben verschiedene. Natürlich immer vegetarische dabei. Wir haben eine Suppenbar. Wir haben eine Pastabar. Wir haben Dessertschienen. Nicht umsonst sind wir im letzten Jahr gekürt worden von unseren Studierenden zu einer der besten Mensen in Deutschland. Und das heißt was."

    Mensachef Peter Riethmöller schwärmt vom Angebot der Bremer Mensa. Das Essen kommt auch bei den Besuchern gut an - in langen Warteschlangen stehen sie vor den Essensausgaben. Und genau hier liegt die Schwierigkeit. Die Schlangen werden so lang, dass sie andere Wege versperren, sagt Jörn Kahlweldt, der in Bremen Wirtschaftsingenieurwesen studiert:
    " Das Problem, das sich für die Mensa hauptsächlich gestaltet ist, dass durch die lange Schlange, dass einerseits die Zugänge quer zu den Kassen verbaut werden, andererseits auch der Getränkeautomat eingeschlossen wird. Das Grundproblem ist eigentlich, dass sich durch die eigenständige Schlangensituation viele Schlangen auch kreuzen."

    Die Besucher der Mensa ärgern sich regelmäßig über dieses Chaos. Zwölf Studenten wollen das jetzt ändern: Sie haben in einem Seminar ein Konzept entwickelt, das die Wartezeit in der Mensa verschönern soll: "Intelligent Queueing", heißt das Projekt; frei übersetzt bedeutet das: "Intelligenter Schlange stehen". Die Idee dazu kam von Studierenden, die selbst oft in der Mensa essen. Christoph Pille ist einer von ihnen:

    " Der Start war unsere persönliche Betroffenheit von unserer Mensa hier an der Universität Bremen. Da die Mensa damals konzipiert wurde für eine bestimmte Kapazität und diese Kapazität mittlerweile aus allen Ufern gelaufen ist und die Mensa nicht mehr in der Lage ist, diese Kapazität vernünftig abzudecken, sind wir darauf gekommen, mittels einer Projektarbeit dieses Thema anzugehen und zu beheben."
    Daraus entstanden ist ein Bericht, der die Warteschlangen in der Mensa analysiert und Lösungsansätze anbietet. Mit ihnen soll das Warten in der Mensa angenehmer werden - zeitlich, organisatorisch und emotional. Zu den Vorschlägen der Studierenden gehören etwa Farbpunkte zur Orientierung, Schaukästen mit Essensangeboten oder Absperrbänder, die die Warteschlangen klar definieren. Außerdem könnten Unterhaltungsangebote die Besucher ablenken, wie etwa Gewinnspiele, Leseinfos oder Schilder, die die verbleibende Wartezeit anzeigen.
    Christoph Pille:
    " Ein klassisches Beispiel kennt man auch aus dem Internet. Also zu warten, ohne zu wissen, wie lange die Wartezeit ist, ist sehr negativ. Und da kennt man aus dem Internet ja diesen Ladebalken, dass man genau weiß, okay, es dauert noch eine Sekunde oder es dauert noch zehn Minuten."

    Über 40 Vorschläge haben die Studierenden ausgearbeitet, um das Chaos der Bremer Mensa zu beheben. Den Plan haben sie auch dem Studentenwerk vorgelegt. Das hat einige der Ideen direkt umgesetzt - die Tablettwagen stehen jetzt zum Beispiel näher an den Essensausgaben. Für Heinz Ludwig Mohrmann, Leiter des Studentenwerks, ist aber bei vielen Punkten die Finanzierung ein Problem. Etwa dann, wenn es um die Installation von Bildschirmen geht:
    " Die Universität hat gesagt, ja, liebe Leute, da müssen wir die Decken aufmachen, dafür müssen wir die EDV-Kanäle legen, dafür müssen wir Strom legen. Wenn ihr das bezahlt, könnt ihr das alles haben. Wir waren nachher bei einer riesengroßen Summe, die von uns so nicht zu finanzieren war. Das heißt, der Ansatz war in Ordnung, aber so für uns in der wirtschaftlichen Umsetzung nicht darstellbar."
    Nach und nach sollen aber verschiedene Verbesserungen gemacht werden: Denkbar wären etwa so genannte Hot Buttons, die leuchten, wenn eine Kasse frei ist. Gute Vorschläge haben die Studierenden jedenfalls mehr als genug.
    " Der Ideenkatalog ist ja überwältigend. Beim ersten Lesen war ich also von der Vielfalt überrascht, ich hätte gar nicht gedacht, dass man so viele Ideen entwickeln kann und ich habe dann in der Vorstellungsrunde auch gesagt, dass wir uns bemühen, davon so schnell wie möglich vieles umzusetzen."
    Doch auch wenn bislang nur wenig verändert wurde, das Projekt ist für die Studierenden ein voller Erfolg. Schließlich haben sie alle Glanznoten bekommen - und zwar eine glatte Eins. Auf ihr Essen müssen sie allerdings noch fast genauso lange warten wie vorher.