Michael Köhler: Die Irrenhauskomödie des Dramatikers Rolf Hochhuth mit dem Titel "Heil Hitler" sollte als Uraufführung am Deutschen Nationaltheater Weimar herauskommen. Anfang Juni drohte der Verfasser aber ein Aufführungsverbot schon an, als er erfuhr, der Regisseur Michael Simon wolle die zwei einzigen Naziverbrecher im Stück von Frauen spielen lassen. Frage an den Intendanten Stephan Märki des Deutschen Nationaltheaters in Weimar: Warum setzen Sie das Stück ab?
Stephan Märki: Weil wir nach intensivsten Auseinandersetzungen mit Herrn Hochhuth - und der letzte Versuch war, ihn nach Weimar einzuladen, wo wir einen ganzen Tag uns mit ihm, dem Regisseur, der Dramaturgin, den Schauspielern unterhalten haben und ihm versucht haben, unsere Sicht auf dieses Stück nahe zu bringen - mussten wir einfach feststellen: Es gibt keinen gemeinsamen Weg. Es ist einfach keine Konstruktivität seitens Herrn Hochhuth dabei. Und dann haben wir gesagt: Bevor wir uns jetzt weiterhin die verbleibende Zeit vor allem damit beschäftigen, uns irgendwie über die Öffentlichkeit darüber zu streiten, wollen wir dieser Arbeit, die mit großer Intensität geführt wird, wollten wir eine Chance geben, da weiter zu machen.
Köhler: Sie haben eingewendet, es handele sich nicht um einen dramatischen Text, der es erlaube, die Hauptrollen anders zu besetzen, als es im Text vorgesehen ist. Regisseur Michael Simon wollte die zwei einzigen Naziverbrecher im Stück - das ist die Formulierung von Rolf Hochhuth - von Frauen spielen lassen und er hält das für Geschichtsfälschung. Ist es nicht im Moment umgekehrt so, dass der Dramatiker Ihnen untersagt, die Aufführung durchzuführen? Und es weniger Ihr Entschluss ist, sie abzusetzen?
Märki: Na ja, er stellt Bedingungen daran, für seine Einwilligung. Das ist nicht nur diese Rollenbesetzung. Es war aber klar, dass fünf Schauspieler alle acht Rollen spielen. Das heißt, die steigen immer wieder aus und immer wieder neu ein in die Rollen und in Situationen, um eine Distanz zu schaffen zu der Zeit, in der es spielt, zu heute. Aber Hochhuth stört sich ja nicht nur an dieser Rollenbesetzung. Sondern er möchte auch den Regisseur nicht. Er möchte das Bühnenbild nicht. Er möchte die ganze Arbeitsweise, so wie wir mit dem Text umgehen will, das will er alles nicht. Und da muss er wirklich selber Regie führen.
Köhler: Ich greife das auf, was Sie sagen, weil mich das zu einer wesentlichen Frage bringt, die wir in den letzten Jahren ja beobachten. Wir haben erlebt die Diskussion um "Die Weber"-Aufführung von Gerhard Hauptmann in Dresden, als es um unzulässige Veränderungen ging und plötzlich Arbeitslose auf der Bühne auftauchten, die Webers Text und Zeit nicht kennt, oder zuletzt auch Lutz Hübners Stück "Ehrensache". Erleben wir vermehrt gegenwärtig einen Konflikt zwischen Kunstfreiheit auf der einen Seite und Urheberschutz auf der anderen Seite?
Märki: Man muss jeden Fall einzeln sehen. Das ist eine sehr komplexe Frage, die Sie stellen. Aber die ästhetische Idee, sagt Kant, ist, was viel zu denken gibt. Und was gibt viel zu denken? Wenn ein Theaterabend besteht aus einem Spannungsfeld von Text, Regie, Schauspielern und Publikum. Und es genügt nicht, einseitige Erwartungshaltungen zu erfüllen. Ich habe Verständnis dafür, wenn ein Autor seinen Text am liebsten so wieder auf der Bühne sieht, wie er sich das vorstellt. Aber da gehören eben die anderen Mitspieler noch dazu. Und ich persönlich nehme Text immer erst mal sehr ernst. Aber auf der anderen Seite rate ich eben Autoren, eine gewisse Souveränität auch zu zeigen, dass ein Theaterabend einfach noch eine andere Aufgabe hat: eben etwas zur Diskussion zu stellen, auch diesen Text. Und es kommt ja nicht von ungefähr, dass Rolf Hochhuth so selten gespielt wird.
Köhler: Ich meine, diese ...
Märki: Und ich finde es schade, dass er jetzt, sagen wir mal, der Interpretation seines Stückes durch Regisseur und Schauspieler sich nicht aussetzen will.
Köhler: Ähnliches ist vor gut zehn Jahren ja schon mal passiert. Einar Schleef ist dieses Schicksal ereilt. Darum die abschließende Frage an Sie: Müssen Sie sich nicht am Ende doch so ein bisschen auch fragen oder mal an die Nase fassen - Sie haben sich ja vor Ihre Schauspieler, vor Ihren Regisseur gestellt, vor Ihr Haus gestellt -, ob Sie am Ende nicht doch eine Spur zu blauäugig waren, um dieses Engagement einzugehen?
Märki: Nein, wie gesagt, also wir wollten es ja zu einem guten Ziel führen. Es war ein Geburtstagsgeschenk, wo ganz viele Personen daran beteiligt waren, die er ja jetzt alle ausgeladen hat. Und wir sehen - wir glauben an dieses Konzept - und wir sehen nur innerhalb dieses Konzeptes eine sinnvolle Auseinandersetzung mit dem Text. Wenn man ihn so spielt, wie er da steht, glaube ich, hat er keine Chance.
Köhler: Stephan Märki, Intendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar zur abgesetzten Uraufführung eines Rolf-Hochhuth-Sückes.
Stephan Märki: Weil wir nach intensivsten Auseinandersetzungen mit Herrn Hochhuth - und der letzte Versuch war, ihn nach Weimar einzuladen, wo wir einen ganzen Tag uns mit ihm, dem Regisseur, der Dramaturgin, den Schauspielern unterhalten haben und ihm versucht haben, unsere Sicht auf dieses Stück nahe zu bringen - mussten wir einfach feststellen: Es gibt keinen gemeinsamen Weg. Es ist einfach keine Konstruktivität seitens Herrn Hochhuth dabei. Und dann haben wir gesagt: Bevor wir uns jetzt weiterhin die verbleibende Zeit vor allem damit beschäftigen, uns irgendwie über die Öffentlichkeit darüber zu streiten, wollen wir dieser Arbeit, die mit großer Intensität geführt wird, wollten wir eine Chance geben, da weiter zu machen.
Köhler: Sie haben eingewendet, es handele sich nicht um einen dramatischen Text, der es erlaube, die Hauptrollen anders zu besetzen, als es im Text vorgesehen ist. Regisseur Michael Simon wollte die zwei einzigen Naziverbrecher im Stück - das ist die Formulierung von Rolf Hochhuth - von Frauen spielen lassen und er hält das für Geschichtsfälschung. Ist es nicht im Moment umgekehrt so, dass der Dramatiker Ihnen untersagt, die Aufführung durchzuführen? Und es weniger Ihr Entschluss ist, sie abzusetzen?
Märki: Na ja, er stellt Bedingungen daran, für seine Einwilligung. Das ist nicht nur diese Rollenbesetzung. Es war aber klar, dass fünf Schauspieler alle acht Rollen spielen. Das heißt, die steigen immer wieder aus und immer wieder neu ein in die Rollen und in Situationen, um eine Distanz zu schaffen zu der Zeit, in der es spielt, zu heute. Aber Hochhuth stört sich ja nicht nur an dieser Rollenbesetzung. Sondern er möchte auch den Regisseur nicht. Er möchte das Bühnenbild nicht. Er möchte die ganze Arbeitsweise, so wie wir mit dem Text umgehen will, das will er alles nicht. Und da muss er wirklich selber Regie führen.
Köhler: Ich greife das auf, was Sie sagen, weil mich das zu einer wesentlichen Frage bringt, die wir in den letzten Jahren ja beobachten. Wir haben erlebt die Diskussion um "Die Weber"-Aufführung von Gerhard Hauptmann in Dresden, als es um unzulässige Veränderungen ging und plötzlich Arbeitslose auf der Bühne auftauchten, die Webers Text und Zeit nicht kennt, oder zuletzt auch Lutz Hübners Stück "Ehrensache". Erleben wir vermehrt gegenwärtig einen Konflikt zwischen Kunstfreiheit auf der einen Seite und Urheberschutz auf der anderen Seite?
Märki: Man muss jeden Fall einzeln sehen. Das ist eine sehr komplexe Frage, die Sie stellen. Aber die ästhetische Idee, sagt Kant, ist, was viel zu denken gibt. Und was gibt viel zu denken? Wenn ein Theaterabend besteht aus einem Spannungsfeld von Text, Regie, Schauspielern und Publikum. Und es genügt nicht, einseitige Erwartungshaltungen zu erfüllen. Ich habe Verständnis dafür, wenn ein Autor seinen Text am liebsten so wieder auf der Bühne sieht, wie er sich das vorstellt. Aber da gehören eben die anderen Mitspieler noch dazu. Und ich persönlich nehme Text immer erst mal sehr ernst. Aber auf der anderen Seite rate ich eben Autoren, eine gewisse Souveränität auch zu zeigen, dass ein Theaterabend einfach noch eine andere Aufgabe hat: eben etwas zur Diskussion zu stellen, auch diesen Text. Und es kommt ja nicht von ungefähr, dass Rolf Hochhuth so selten gespielt wird.
Köhler: Ich meine, diese ...
Märki: Und ich finde es schade, dass er jetzt, sagen wir mal, der Interpretation seines Stückes durch Regisseur und Schauspieler sich nicht aussetzen will.
Köhler: Ähnliches ist vor gut zehn Jahren ja schon mal passiert. Einar Schleef ist dieses Schicksal ereilt. Darum die abschließende Frage an Sie: Müssen Sie sich nicht am Ende doch so ein bisschen auch fragen oder mal an die Nase fassen - Sie haben sich ja vor Ihre Schauspieler, vor Ihren Regisseur gestellt, vor Ihr Haus gestellt -, ob Sie am Ende nicht doch eine Spur zu blauäugig waren, um dieses Engagement einzugehen?
Märki: Nein, wie gesagt, also wir wollten es ja zu einem guten Ziel führen. Es war ein Geburtstagsgeschenk, wo ganz viele Personen daran beteiligt waren, die er ja jetzt alle ausgeladen hat. Und wir sehen - wir glauben an dieses Konzept - und wir sehen nur innerhalb dieses Konzeptes eine sinnvolle Auseinandersetzung mit dem Text. Wenn man ihn so spielt, wie er da steht, glaube ich, hat er keine Chance.
Köhler: Stephan Märki, Intendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar zur abgesetzten Uraufführung eines Rolf-Hochhuth-Sückes.