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Intensivklassen in Hessen
Förderschulen dürfen Flüchtlinge gesondert unterrichten

Bei den hessischen Förderschulen sorgt ein Erlass des Kultusministeriums für Verwirrung: Dieser wurde so interpretiert, dass Förderschulen keine Intensivklassen für Flüchtlingskinder einrichten dürfen. Mehrere Frankfurter Schulleiter gingen an die Öffentlichkeit. Das Ministerium fühlt sich falsch verstanden.

Von Ludger Fittkau | 18.02.2016
    Kinder einer Willkommensklasse nehmen in Berlin in der Leo-Lionni Grundschule am Deutschunterricht teil.
    Flüchtlingskinder beim Deutschunterricht (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Das Gebäude der Charles-Hallgarten-Förderschule in Frankfurt am Main ist besonders schön. Lupenreiner Bauhaus-Stil, Ende der 20er Jahre gebaut. Fenster bis zum Boden, die den Blick auf parkartige Grünflächen freigeben. Eine tolle Lernatmosphäre sicher auch für Flüchtlingskinder, die in eigens eingerichteten Intensivklassen schnell Deutsch lernen sollen. Das dachte sich Christoph Kleemann, der Leiter der Schule:
    "Wir haben, dadurch das die Zahl der an Förderschulen zu beschulenden Schüler gesunken ist, wofür wir auch einiges tun mit unserem Beratungs-und Förderzentrum, das unterstützen wir aktiv, dadurch haben wir freie Räume. Und wir haben gedacht, wenn Schulplätze für Intensivklassen gesucht werden, dann könnten wir das hier auf unserem Schulgelände anbieten."
    Hessenweit gab es im Dezember 2015 bereits 12 Förderschulen, die Intensivklassen für Flüchtlingskinder eingerichtet haben. Doch nun sorgte ein Erlass des hessischen Kultusministeriums für Verwirrung. Von einigen Schulämtern wurde er wohl so interpretiert, dass Intensivklassen für Flüchtlingskinder generell nicht an Förderschulen eingerichtet werden sollen. Christoph Kleemann von der Charles –Hallgarten-Schule und einige Kollegen anderer Frankfurter Förderschulen, die bereits Klassen für Flüchtlingskinder eingerichtet haben, wandten sich deshalb an die Öffentlichkeit:
    "Es gibt noch zwei andere Schulen, die auch bereits Intensivklassen haben, die haben jetzt ein bisschen Angst davor, dass ihnen diese Intensivklassen wieder weggenommen werden, obwohl diese Klassen sehr gut laufen."
    Auf Nachfrage des Deutschlandfunks beteuert Stefan Löwer, der Sprecher des CDU-geführten hessischen Kultusministeriums, dass ein Schreiben aus seinem Hause an die staatlichen Schulämter wohl falsch interpretiert worden ist:
    "Es gibt seitens des Kultusministeriums keinen Erlass, der besagt, dass an irgendeiner Schulform, auch nicht an Förderschulen, keine Intensivklassen eingerichtet werden dürfen. Grundsätzlich ist das an allen Schulformen möglich, weil Kinder, die zunächst in einer Intensivmaßnahme sind, auch keiner Schulform direkt zugeordnet sind, sondern in dieser Intensivmaßnahme beschult werden. Welchem Bildungsgang das Kind am Ende der Intensivmaßnahme zugeordnet wird, entscheidet sich erst dann."
    Aus Sicht der schwarz-grünen Landesregierung in Wiesbaden sind aber für die Intensivklassen mit Flüchtlingskindern insbesondere Schulformen geeignet, die eine größtmögliche Bandbreite von Schulabschlüssen bieten- etwa Gesamtschulen. Die SPD-Opposition im hessischen Landtag will weitere Intensivklassen erst einmal an Gymnasien anbieten, weil die bisher zu wenig für die Integration der Flüchtlinge tun, findet Christoph Degen, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion:
    "Meine Kritik geht erst mal dahin, dass wir von fast vierhundert Schulen in der Sekundarstufe 1 sind 148 Klassen im Dezember an Haupt- und Realschulen gewesen, über 100 an integrierten Gesamtschulen, 100 an kooperativen Gesamtschulen. Aber nur 8 am Gymnasium. Und ich denke, dass man ja noch nicht sagen kann, in diesem Alter, wo der Weg nach der Intensivklasse hingeht, deswegen sollten eigentlich alle Schulformen der allgemeinen Schulen hier tätig sein bei der Intensivbeschulung."
    Flüchtlingskinder bekommen Chancen, die sie in der Regelschule nicht haben
    Barbara Cardenas, bildungspolitische Sprecherin der Linkspartei will hingegen das eine tun und das andere nicht lassen. Gymnasien sollen ebenso ran an die Flüchtlingsintegration wie Förderschulen:
    "Ich sehe keinen Grund, Förderschulen auszunehmen, weil gesagt worden ist, dass diese Einrichtung der Intensivklassen unabhängig von der Schulform gemacht werden soll und da sind natürlich Förderschulen und das auf der anderen Seite Gymnasien nur so wenig aufnehmen, ich kann mir nicht vorstellen, dass dies mit den Raummöglichkeiten zusammenhängt."
    Im Falle der Frankfurter Gymnasien gibt es allerdings tatsächlich aktuell große Raumnot. Bei den Förderschulen jedoch eben nicht. Christoph Kleemann, Leiter der Charles-Hallgarten-Förderschule glaubt auch, dass bestimmte Schüler aus Flüchtlingsfamilien an seiner Schule Chancen bekommen, die sie in der Regelschule womöglich nicht haben werden:
    Es ist so, dass auch Schüler hier her kommen, die doch einen sehr großen Bedarf an Alphabetisierung haben, die wenig Schulerfahrung haben und die sehr spät kommen. Wo fraglich ist, ob sie einen Schulabschluss in dieser kurzen Zeit erreichen können. Dafür brauchen sie viel individuelle Unterstützung.
    Diese Unterstützung könne die Förderschule bieten, solange es sie noch gebe, argumentiert Christoph Kleemann. Erst recht in dem wunderbaren Bauhaus-Gebäude im Grüngebiet im Osten von Frankfurt am Main.