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Intensivstation auf Rädern

Bekommt ein Mensch einen Herzinfarkt, ist sofortiges Handeln nötig - zum Beispiel in Form einer Herzdruckmassage. Die Schwierigkeit ist, diese bis zum Transport ins Krankenhaus nicht zu unterbrechen. Auf einer Tagung in Berlin wurden nun transportable Herz-Lungen-Maschinen vorgestellt. Eine ist bereits für den Einsatz im Notarztwagen zugelassen.

Von Wolfgang Noelke | 04.12.2012
    "Jährlich sterben in Deutschland 40.000 bis 64.000 Patienten am plötzlichen Herztod. Die Patienten, die wiederbelebt werden und in eine Klinik kommen, verlassen diese Klinik nur zu zehn Prozent lebend. Das heißt, innerhalb der Klinik sterben 90 Prozent nach der Wiederbelebung",

    zeigt einer der beiden Tagungspräsidenten, Dr. Dirk Buchwald, Leiter der Kardiotechnik am Universitätsklinikum Bochum an einer bundesweit erhobenen Statistik. Häufigste Ursachen der geringen Überlebensrate sei, wenn die Herzdruckmassage kurz unterbrochen werden muss, um zum Beispiel Patienten auf die Trage des Notarztwagens zu heben. Bringen Retter aber eine transportable Herz- Lungenmaschine direkt zum Patienten, erhöhe sich die Überlebenschance eklatant:

    "Es geht hier um die Dauer der Wiederbelebung. Wenn es gelingt, in weniger als 30 Minuten den Patienten wiederzubeleben, dann verlassen 20 Prozent der Patienten die Klinik. 80 Prozent versterben weiterhin. Wenn man diese Herz-Lungenmaschine einsetzt, konnte gezeigt werden, dass immerhin 41 Prozent der Patienten die Klinik lebend verlassen."

    Die transportable Herz-Lungenmaschine erfordere aber ein zweites, speziell geschultes Team, so Dirk Buchwald, denn

    "der Notarzt hat mit dieser Wiederbelebung ja schon sehr viel zu tun. Der ist damit ja schon sehr ausgelastet und kann sich nicht noch um die Kanülierung des Patienten kümmern."

    Durch die Kanülen zirkuliert das Blut des Patienten zur Herz-Lungenmaschine, die etwa so groß ist, wie ein Schminkkoffer, zeigt einer, der nur drei Hersteller transportabler Herz-Lungenmaschinen:

    "Es wiegt ungefähr 13 Kilogramm, alles in allem mit dem gefüllten System, das eigentliche Gerät wiegt zehn Kilogramm. Dann gibt es noch einen Ersatzantrieb. Wenn jetzt wider Erwarten ein System ausfallen würde, dann hat man hier ein Beiboot."

    Reporter: "Das ist so eine Handkurbel, wie eine Handsirene." –

    "Ja."

    Mit dem Kurbelgenerator können Helfer bei einem eventuellen Stromausfall die winzige Kreiselpumpe weiter antreiben, die das Blut des Patienten durch eine Filtermembran mit Sauerstoff leitet.

    "Dann kann man das Gerät über den Einschalter starten. Das Gerät fährt innerhalb von sieben Sekunden sein Programm hoch, macht einen integrierten Selbsttest."

    Geschulte Helfer brauchen etwa zehn Minuten, um Patienten anzuschließen, so Johannes Gehron, Leiter der Kardiotechnik des Uni-Klinikums Giessen-Marburg. Dann darf der Notarzt die Druckmassage an seinem Patienten beenden...

    "...weil wir ja nun diese Maschine anstellen und dafür sorgen, dass er nicht mehr per mechanischem Druck auf den Brustkorb wiederbelebt werden muss, sondern dann wird die Herz-Kreislaufarbeit komplett von dieser Maschine übernommen."

    Wegen des zusätzlich notwendigen Bedienungspersonals wird die transportable Herz-Lungen-Maschine erst von zwei Spezialkliniken direkt am Notfallort eingesetzt. Wann das Gerät einmal zur Notarztwagen-Grundausstattung gehöre, so der Ärztliche Direktor des Herzzentrums Berlin, Professor Roland Hetzer, sei noch nicht vorhersehbar:

    "Jetzt haben wir eine Reihe von Erkenntnissen, dass das gut funktioniert und ich denke, das ist eine Frage der Gesundheitspolitik, zu sagen, das wollen wir jetzt etablieren, so ähnlich wie das vielleicht bei Defibrillatoren war, vor 20 Jahren, dass man gesagt hat, am Flughafen muss alle 100 Meter ein Defibrillator hängen, damit es sinnvoll ist."