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"Interaktivität als aktive Teilnahme"

Pünktlich zum Kulturhauptstadtjahr in Linz kann auch das Medienkunstfestival Ars Electronica ein rundes Jubiläum feiern: Es fand erstmal im September 1979 statt. Rechtzeitig zum doppelten Jubeljahr wurde der Umbau des Ars Electronica Centers abgeschlossen, das nun mit imposanter Lichtfassade und viel Platz für Ausstellungen und Labore eine Brücken zwischen Kunst und Wissenschaft schlägt.

Gerfried Stocker im Gespräch mit Rainer B. Schossig |
    Rainer Bertold Schossig: Vor knapp zwei Jahren begannen dort die Um- und Neubauten zum neuen Ars Electronica Center, einem der ambitioniertesten Kulturbauvorhaben in Oberösterreich. Neben dem alten Haus steht nun ein zweites Gebäude, und dazwischen ein großer, gläserner Kubus mit LED-Fassade. Und das ist natürlich kein Zufall, sondern das hängt mit dem Auftakt des Linzer Kulturhauptstadt-Jahres zusammen. Der futuristische Neubau über der Donau ist vor wenigen Tagen eröffnet worden. Im Mittelpunkt des Ars Electronica Centers, heißt es im Internet, Zitat: "stehen neue Bilder vom Menschen in einer von Wissenschaft und Technologie dominierten Zeit, die unser Welt- und Menschenbild nachhaltig verändert." Frage an Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter des AEC in Linz: Das klingt ein bisschen reißerisch und ein bisschen ranschmeißerisch, und heuristisch sind Sie ja schon lange. Wie hat sich das AEC denn im Kontext der Ereignisse 2009 in der Kulturhauptstadt Linz aufgestellt?

    Gerfried Stocker: Wir haben mit dem großartigen neuen Gebäude mit der wunderbaren Lichtfassade zum einen wirklich ein architektonisches Highlight hier auch setzen dürfen, das ist natürlich auch ein wichtiger, sogar sehr visueller Faktor. Man kommt in die Stadt, im Zentrum dieser Stadt ist dieses neue Gebäude. Wir bieten allen Besuchern, die zu "Linz09" kommen, zur Kulturhauptstadt, ein reichhaltiges Programm, das voll integriert ist natürlich in das Kulturhauptstadt-Programm wie alle anderen Institutionen auch. Und ich glaube, dass sich daraus dann für den Besucher einfach ein sehr interessanter letztlich auch Dialog ergeben kann zwischen dem, sagen wir mal klassischen Kulturprogramm - Musik, Theater und all diese Dinge, die es gibt - und eben dieser Wissenschaftskultur, die wir in den Mittelpunkt stellen.

    Schossig: Sie haben vier sogenannte Labs eingerichtet, also Laboratorien für die Besucher in der Ausstellung, ein BrainLab, ein Bio-, ein Robo- und ein FabLab. Welche neuen ästhetischen Erfahrungen können die Besucher da machen?

    Stocker: Für uns ist es ja sehr stark darum gegangen, generell Ausstellungen auch ein Stück weiter zu treiben, diese ganze Idee, was heißt eigentlich Interaktivität, Partizipation. Das sind ja Begriffe und auch Praktiken oder Kulturtechniken, die in den letzten zehn Jahren sehr stark eben durch die digitalen Medien, durch die interaktiven Medien in unserem Alltag Platz gegriffen haben. Wir haben das auch in der Vergangenheit im Ars Electronica Center immer schon sehr stark berücksichtigt, aber wir wollten hier wirklich so weit gehen und nicht nur einfach das Hingreifen, und dann verändert man irgendwas, dann schaltet man irgendwas aus oder ein, sondern Interaktivität wirklich als aktive Teilnahme vielleicht sogar an die Spitze zu treiben, und deswegen auch die Ausstellungsbereiche gleich einmal als Labors definiert. Und da geht es dann wirklich darum zum Beispiel, dass man eben nicht nur über das Thema Klonen etwas erfährt, dass man sich nicht nur klonierte Pflanzen auch anschauen kann, sondern dass man als Besucher selbst auch in die Situation gebracht wird, auch mal eine eigene Pflanze klonen zu können.

    Schossig: Man hatte ja, Herr Stocker, immer bisher doch ein bisschen den Eindruck, als ob die Künstler sozusagen der Kindergarten wären in diesen Labors der Industrie. Hat sich da etwas verbessert für die Künstler, aus künstlerischer Sicht gesehen?

    Stocker: Ich glaube, das, was sich in letzter Zeit schon verbessert hat, ist ganz einfach, dass die Künstler auch wesentlich mehr Selbstvertrauen gewonnen haben. Es gibt sehr viele Beispiele, wo man immer wieder sieht, dass Künstlerinnen und Künstler Vorreiter, Vordenker sind, Dinge auch entwickeln können, ausformulieren können, die dann zwar in späterer Folge vielleicht auch für die Industrie von Interesse sind, die aber einen sehr hohen eigenständigen Wert haben. Und ich glaube, dass man dieses Gefühl, quasi dass man als Künstler irgendwie, Sie haben gesagt "Kindergarten", dass er nicht voll ernst genommen wird im Bereich der Technik und der Wissenschaft, das einfach abzuschütteln. Und ich hoffe, dass wir da auch mit unseren Ausstellungen einen wesentlichen Beitrag liefern können.

    Schossig: Kindergarten oder eben der berühmte ästhetische Schnörkel. Herr Stocker, die Stadt Linz ist eine Stadt der Technik, das Ars Electronica Center ist eine Art Orchideenpflanze in dieser Stadt. Die Methoden von Kunst und Wissenschaft und auch Technik sind ja sehr verschieden. Wie gehen Sie damit um auch im Rahmen der Kulturhauptstadt Europa Linz in diesem Jahr?

    Stocker: Ich denke, dass gerade eine Kulturhauptstadt sehr stark immer wieder auch vom Anspruch getragen ist, wirklich eine möglichst große Breite auch des kulturellen Arbeitens abzudecken, auch ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Und ich denke, dass wir einen bestimmten Bereich abdecken in diesem Gesamtprogramm. Das ist auf der einen Seite, jetzt würde ich mal sagen: der klassische Ars-Electronica-Bereich, also die Medienkunst, die ja dann auch mit verschiedensten Projekten im ganzen Jahr und insbesondere im September beim Festival präsent sein wird, aber eben auch diesen Wissenschafts- und Technologiebereich. Und die Auseinandersetzung mit der Wissenschaft ist Teil unserer Kultur geworden, und das muss auch in den Präsentationen, in den Themen einer Kulturhauptstadt sich entsprechend wiederfinden. Und das ist natürlich gerade für Linz eine ganz besondere Aufgabe.