Freitag, 29. März 2024

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Hochzeit von Christian Lindner und Franca Lehfeldt
Interessenkonflikte im Journalismus

Bundesfinanzminister Christian Lindner und die Politik-Chefreporterin des Senders "Welt" Franca Lehfeldt heiraten. Die Partnerschaft zwischen der Journalistin und dem Politiker sei ein deutlicher Interessenkonflikt, findet Daniel Depper von Netzwerk Recherche. "Welt" kann dagegen keinen erkennen.

Text: Pia Behme | Daniel Drepper im Gespräch mit Stefan Fries | 07.07.2022
Christian LINDNER und die Journalistin Franca Lehfeldt bei der Eroeffnung der Bayreuther Richard Wagner Festspiele 2018. Sie laufen Hand in Hand.
Eine Hochzeit, die Schlagzeilen macht: "Mit welchen Gästen Christian Lindner und Franca Lehfeldt feiern wollen", "Lindner-Hochzeit auf Sylt: Das Lokal, die Kirche, die Gäste" und "Franca Lehfeldt: Diese Reporterin ist Christian Lindners Braut". Es geht vor allem darum, wie prunkvoll die Hochzeitsfeier des bekannten Paares wird. Die Frage, ob sich hier ein journalistischer Interessenkonflikt verfestigt, taucht in der aktuellen Berichterstattung dagegen kaum auf.
Franca Lehfeldt ist seit Mai Chefreporterin Politik bei dem Nachrichtensender "Welt", der zum Medienkonzern Axel Springer gehört. Davor arbeitete sie in ähnlicher Position für RTL und n-tv. Damit ist Lehfeldt seit Jahren mitten in dem Berichtsgebiet unterwegs, in dem ihr Partner Christian Lindner - inzwischen Bundesfinanzminister - Einfluss hat.

Drepper: "Deutlicher Interessenkonflikt"

"Ich kann mir wenig deutlichere Interessenkonflikte vorstellen als diesen", sagt Daniel Drepper, Vizechef der Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung und Vorsitzender der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche. "Christian Lindner ist nicht irgendein FDP-Politiker, sondern der wichtigste FDP-Politiker Deutschlands." Jegliche Politikberichterstattung, die sich mindestens auf Bundesebene beziehe, sei nach Dreppers Ansicht unmöglich, weil natürlich eine extreme Beeinflussung vorliege.
"Es ist überhaupt nicht klar, wenn Franca Lehfeldt mit anderen Politikern spricht - spricht sie als Ehefrau von Christian Lindner oder spricht sie als Reporterin? Welche Informationen gelangen später zu Christian Lindner, die vielleicht eigentlich nur zu Lehfeldt als Reporterin gelangen sollten?", so Drepper. "Es gibt so viele mannigfaltige Interessenkonflikte, dass ich es schon ziemlich extrem finde, dass das bisher nicht gelöst wurde von der 'Welt'."

Welt: "Können keinen Interessenkonflikt erkennen"

Der Sender erkennt dagegen keinen Interessenkonflikt und schreibt in einem Statement an den Deutschlandfunk:

Franca Lehfeldt ist insbesondere für die Union zuständig. Sie berichtet in aller Regel nicht über die FDP oder die Finanzpolitik. Auch wenn sich gelegentlich Überschneidungen nicht vermeiden lassen, können wir hier keinen Interessenkonflikt erkennen. An ihrer Tätigkeit wird sich durch die Hochzeit nichts verändern.

Frau Lehfeldts Beziehung zu Herrn Lindner sei lange vor ihrem Beginn bei WELT bekannt gewesen und sie habe daraus nie ein Geheimnis gemacht, heißt es weiter. Ganz generell entscheide man bei Axel Springer über journalistische Einsätze auf Grundlage der Leitlinien zur journalistischen Unabhängigkeit.

Die Journalisten bei Axel Springer berichten grundsätzlich nicht über nahestehende Personen, insbesondere Familienangehörige, es sei denn, es liegt ein mit dem jeweiligen Vorgesetzten abgestimmter sachlicher Grund vor.

Aus der Leitlinie zur journalistischen Unabhängigkeit bei Axel Springer
Auch RTL konnte keinen Interessenkonflikt erkennen, als Lehfeldt dort noch Chefreporterin Politik Magazine war.
Anders geht aktuell die Bild-Zeitung mit dem Fall einer Reporterin um: Nachdem bekannt wurde, dass Bayern-Trainer Julian Nagelsmann und Bild-Journalistin Lena Wurzenberger liiert sind, entband die Zeitung sie von der Berichterstattung über den FC Bayern.

Bild hat seit heute Kenntnis von der neuen Beziehung und hat Lena Wurzenberger mit sofortiger Wirkung von der Berichterstattung über den FC Bayern entbunden.

"Ich finde grundsätzlich gibt es relativ wenig Diskussion über solche Art von Interessenkonflikten im deutschen Journalismus", sagt Daniel Drepper. "In den USA gibt es zum Beispiel viel mehr Diskussion darüber. Teilweise strengere Regeln, klarere Vorgaben über das, was möglich ist und was nicht möglich ist. Die Diskussion darüber ist in Deutschland extrem unterentwickelt."