Kolumne zum Konklave
Die Bildmacht des Vatikans

Spektakuläre Architektur, üppige Gewänder, uralte Rituale: Der Vatikan liefert stets mächtige Bilder und stärkt so den Mythos katholische Kirche. Die Beisetzung von Papst Franziskus hat es wieder gezeigt. Und das Konklave? Ein Dampfkessel.

Eine Kolumne von Peter Frey |
Viele Männer in roten Roben mit weißen hohen Kopfbedeckungen sitzen eng gedrängt in einem Raum: Kardinäle sind zum Konklave zusammengekommen.
Strengstens abgeschirmt bestimmen 133 Kardinäle den Nachfolger des verstorbenen Papstes Franziskus. (IMAGO / ZUMA Press Wire / IMAGO)
Der Klein-Staat Vatikan ist die bildmächtigste Institution dieser Welt. Da wird selbst Donald Trump weiß vor lauter Neid und stülpt sich die Soutane über. Während das Weiße Haus nur Bling-Bling zu bieten hat und der Bundestag bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags wie eine Sparkassenfiliale aussieht, beherrscht der Heilige Stuhl die Sprache der Bilder meisterhaft.
Das zahlt sich aus. Plötzlich scheint der Vatikan wie herausgerissen aus den Missbrauchsskandalen, aus den Debatten um den Kurs der Kirche. Die Beisetzung des toten Papstes zeigt den Kern seiner Botschaft: Barmherzigkeit, Engagement für die Armen. Die Welt schaut respektvoll zu und die Gläubigen beklatschen den Trauerredner, als er die Volksnähe des Verstorbenen hervorhebt.

Der Petersplatz als riesige Bühne

Da wird der Petersplatz, schon in der Renaissance wie eine riesige Bühne konzipiert, zum Schauplatz eines gigantischen Parlaments. Ein Sarg fokussiert die Aufmerksamkeit der ganzen Welt.
Beim Konklave wird es ab jetzt ähnlich sein. Der Film nach dem Roman von Robert Harris spornt unser aller Fantasie an: blutrote Gewänder, uralte Spielregeln, das geheime Machtspiel um den unmöglichsten Job der Welt. Keine Handys, keine Emails. Man verzeihe mir den Vergleich: Das Konklave ist wie ein Dampfkochtopf. Was drin ist, bleibt drin. Die Hitze steigt und irgendwann pfeift es. Rauch steigt auf.
Ich habe 2005 für das ZDF den Tod von Johannes Paul II. und die Wahl von Benedikt XVI. kommentiert, 2013 die Wahl von Franziskus. In der allerletzten Stunde, bevor sich die Türen zur Sixtinischen Kapelle schlossen, hatte mich ein Kardinal zu einem Vier-Augen-Gespräch gebeten. Er berichtete von geheimen Treffen, zufälligen Gesprächen, dem Eindruck, den die Kandidaten auf den wenigen Plenarversammlungen im Vor-Konklave gemacht hatten.

Der wertvolle Tipp beim letzten Konklave

Am Ende standen zwei Namen auf meinem Zettel. Mein Gewährsmann hatte einen schmalen Pfad im Dschungel von 115 Wahlmännern und einem Dutzend möglicher Kandidaten geschlagen. „Achten Sie auf den Mann aus Buenos Aires“, das war der Tipp: Bergoglio.
Als der weiße Rauch aufstieg, hatte ich einen Riesenvorteil. Zwar verstand ich nicht sofort, was der Kardinal dort auf dem Balkon auf Lateinisch vortrug. Georgius klingt doch anders als Jorge. Aber bei Bergoglio und Buenos Aires wusste ich, wo ich die Mappe aufschlagen sollte, die meine Redaktion vorbereitet hatte, und Bergoglios Biografie lag vor mir. Es war einer der besten Tipps meines Journalistenlebens.
Das Bild des Kardinals und ein großes Foto des menschengefüllten Petersplatzes stehen seitdem in meinem Arbeitszimmer. Es sind Zehntausende Handylichter zu sehen, Franziskus von hinten, auf dem berühmten Balkon, nach vorne öffnet sich die Via della Conciliazione, die Versöhnungsstraße. Eine ikonische Aufnahme.
Franziskus blieb bildmächtig von Anfang bis zum Ende. Dass der verstorbene Papst ganz zuletzt Selenskyj und Trump auf dem ehrwürdigen Marmorboden des Petersdoms zusammenführte wie in einem offenen Beichtstuhl, wurde die Schlusspointe des unterschätzten Franziskus. Sie war besser als im Konklave-Film.
Das Foto ließ Hoffnung auf Frieden aufkeimen. Solche Bilder erschafft nur der Vatikan.