Das Interface - für die bekennenden Computerbanausen sei das gesagt - ist die Schnittstelle zwischen Computer und Mensch, die Benutzeroberfläche, die es den beiden erlaubt, miteinander zu kommunizieren. Heute vor allem vertreten durch den Windows-Arbeitsplatz mit Icons, Maus und Mülleimer.
Wo einst ein Punkt auf dem Bildschirm ein Bit im Chip wiedergab, was vor gar nicht langer Zeit – kaum verständlich – nur durch obskuren, grünen Text auf schwarzem Bildschirm zu steuern war, ist heute zur komfortablen, bunten grafischen Benutzeroberfläche geworden. Auf dem ganzen Erdball werden Informationen nun durch die gleichen Fenster und Ordner konsumiert. Die weitgehend einheitliche Benutzeroberfläche ist zu einem weltumspannenden Medium geworden wie das Kino, das Fernsehen oder das Buch.
Dazu hat es allerdings lange gebraucht. Als Spielerei wurde die bildliche Metapher vom Bildschirm als Arbeitsplatz mit Aktenschränken und Ordnern zunächst abgetan. Dabei war sie es, die den ungeheuren Computerboom der letzten Jahre erst möglich machte. Der Autor ist fasziniert davon, dass die Bedeutung großer Kunstwerke und Erfindungen – und dazu zählt er das moderne Computerinterface - im nachhinein so offen daliegt, im Moment ihrer Entstehung aber selten erkannt wird.
Johnsons Einsicht in die Unvorhersehbarkeit der Auswirkungen neuer Entwürfe ist wohl auch der Grund für seine zögerliche Haltung im Umgang mit Prognosen für die Zukunft des Interface. Als dringend notwendig mahnt er zwar an die Veränderung der Interfacemetapher weg vom einsamen Arbeitsplatz hin zu Analogien, die die Kommunikation nahelegen. Konkreter wird er da allerdings leider nicht. Zur Zukunft des Interface hat er nicht mehr zu sagen, als dass es vielfältiger werden und voraussichtlich sogar zu einer neuen Kunstform bringen wird (so wie das Medium Fernsehen Videoinstallationen als Kunst hervorgebracht hat).
Die Stärken des Buches liegen woanders. Z.B. dort, wo Johnson sich nicht scheut das Interface mit der gotischen Architektur zu vergleichen. Wie die Kirchen der Gotik sei (mit den Worten des englischen Romantikers Coleridge) das Interface die "vorstellbar gemachte Unendlichkeit": "Wo die schwebenden Stützpfeiler der Kathedrale von Chartres das Himmelreich in Stein gehauen wiedergeben", so Johnson ", verkörpert der Informationsraum auf dem Monitor den unsichtbaren Tanz von Nullen und Einsen, die durch unsere Mikrochips wirbeln".
Auf ähnlicher Linie wie dieser Vergleich liegt es denn, wenn Johnson nicht die schnelle und leichte Verständlichkeit zum Hauptkriterium für ein gutes Interface macht, sondern eher das faszinierende, manchmal sogar verschleiernde Element. So etwa bei den Links (den Verbindungen zwischen den Web-Seiten im Internet). Die Vorläufer hierzu findet Johnson in den Romanen von Charles Dickens. "Links of association" ("Gedankenverbindungen") nannte der englische Romancier die vorwegnehmenden Andeutungen, die unerfüllten Ähnlichkeiten, mit denen er ein großes Netz durch seine Romane knüpfte und so Spannung erzeugte. In gleicher Weise lassen die Links auf einer WEB-Seite den Leser mit Erwartung erfüllen, deuten mit einem Wort an und zeigen doch nicht, was sich da hinter verbirgt. Sogar Lyrik die sich dieses Ausdrucksmittels bedient, ist in der Internetgemeinde schon zu finden. Insofern liegt Johnson nicht ganz verkehrt, wenn er sich gegen die Gleichsetzung von Fernsehzappern und Websurfern wehrt und statt dessen die Analogie zum Internet in den "feuchten, nebligen Straßen des viktorianischen London in den Romanen von Charles Dickens" sucht.
Das mag so manchem als Kulturromantik erscheinen - anderen sogar als der krampfhafte Versuch, in die "Technokultur" ein geistesgeschichtliches Niveau zu tragen, das sie niemals erreichen wird. Solche Einwände verhärten jedoch nur die Fronten. Dabei ist es längst an der Zeit, mehr Kontinuität zwischen Kulturgeschichte und Technokultur herzustellen und die Computer endlich an die abendländische Geschichte anzuschließen. Selbst, wenn am Ende doch der Graben zu tief sein sollte, können davon beide nur profitieren.