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Interkulturelle Kompetenz als Lebenseinstellung

In einer Gesellschaft, die lebenslanges Lernen fordert, wird die Beratung über Bildungsmöglichkeiten immer bedeutsamer. Doch um gut beraten zu können, ist interkulturelle Kompetenz gefragt.

Von Christoph Gehring |
    "Man sitzt in der Bildungsberatung - das habe ich zum Beispiel getan - und erlebt plötzlich unheimlich starke Fremdheitsgefühle. Und als Berater das zu reflektieren, darauf gestoßen zu werden, wie gehe ich eigentlich damit um, wenn die Beratung sozusagen blockiert wird durch diese Fremdheitsgefühle, durch diesen Kulturschock - in Anführungszeichen."

    Der Ausländer vor ihrem Schreibtisch hat Franziska Hebert damals überfordert, weil sie nicht wusste, wie sie mit ihm umgehen sollte. Heute arbeitet Franziska Hebert im Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung der Uni Mainz und hilft dabei mit, solche Defizite bei Bildungsberatern abzubauen. Denn in einer Gesellschaft, die von ihren Mitgliedern lebenslanges Lernen fordert, wird die Beratung über Bildungsmöglichkeiten immer bedeutsamer. Nur werden Teile der Gesellschaft von der Bildungsberatung gar nicht erreicht, sagt Franziska Hebert:

    "Bei der klassischen Bildungsberatung ist es natürlich so, dass da die Migrantinnen und Migranten viel weniger erreicht werden. Also da gibt es irgendwelche Zugangsbarrieren, die dann die Zielgruppen nicht erreichen."

    Die Barrieren auf Seiten der Bildungsberater heißen: mangelndes Verständnis; fehlendes Wissen; falsche Ansprache. Kurz: keine interkulturelle Kompetenz.

    "Unter 'Interkultureller Kompetenz' geht es um die Vermittlung von verschiedenen Kompetenzen im Grunde genommen, die sich einmal auf Selbstreflexionsebenen begeben, also dass man sich seiner eigenen kulturellen Identität mehr bewusst wird, bevor man sich dem Anderen, dem Fremden zuwendet, den Anderen akzeptierend, wertschätzend anzunehmen, gucken, was ist bei dem Anderen, dem Anderen auch diese gewisse Offenheit gegenüberzubringen. Es geht darum mehr Handlungskompetenzen in diesem Bereich sich anzueignen, es geht darum, mehr Wissen über diese Gruppe zu erwerben, und es geht darum, soziale Kompetenz einfach auch noch mal mit der Perspektive auf die andere Kultur zu schärfen","

    erklärt Franziska Hebert. Um den Mangel an interkultureller Kompetenz zu beheben, wurde 2006 im Rahmen des Programms "Lernende Regionen" der Verbund "Bildungsberatung und Kompetenzentwicklung" gegründet, dem heute sieben sogenannte Regionale Qualifizierungszentren angehören, die ein gemeinsames Curriculum für erfolgreiche Bildungsberatung entwickelt haben. Die Projektmanagerin am Mainzer Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung, wo die Arbeit koordiniert wird, heißt Henriette Greulich und sie bringt das Problem der Bildungsberatung auf den Punkt:

    ""Es gibt für Bildungsberatung eigentlich noch keine festgesetzten allgemein anerkannten Qualitätsstandards, weil es kein Berufsbild dafür gibt."

    Das ganze Programm für diejenigen, die ihre Beratungsarbeit professionalisieren und verbessern wollen, besteht aus fünf Basismodulen, deren Inhalte sich aus der Praxis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ganz unterschiedlichen Beratungsfeldern ergeben haben:

    "Wir haben Teilnehmerinnen in dem Seminar, die aus Volkshochschulen kommen, wir haben eine Teilnehmerin, die aus dem Projekt 'Frauen und Beruf' kommt, wir haben Teilnehmer, die aus dem universitären Kontext kommen. Wir haben noch nicht viele Teilnehmer, die aus den Arbeitsgemeinschaften kommen, aber das wäre eben auch ein klassisches, großes Feld, wo Migration auch eine große Rolle spielt."

    Das Seminar zur interkulturellen Kompetenz ist ein Zusatzangebot, bei dem es nicht um schematische Handlungsanweisungen geht, sondern darum, die Berater mit Fakten, Diskussionen und Rollenspielen zu einer neuen Sicht auf ihre Kunden und auf sich selbst zu bringen. Stefanie Buss, Personalcoach aus Wiesbaden, die das Mainzer Seminar leitet, erklärt das Lernen von Interkultureller Kompetenz so:

    "Was uns dabei ganz wichtig ist, ist die Tatsache, dass interkulturelle Kompetenz nicht gesehen werden kann als eine Technik, die man lernen kann, sondern dass hier die Teilnehmer eine Haltung entwickeln und dass diese Haltung auch immer wieder neu reflektiert wird und weiterentwickelt wird. Also dass interkulturelle Kompetenz eine Aufgabe ist, die einen ein Leben lang begleiten muss."