Remme: In Tokio sitzt man zusammen, um über den Wiederaufbau Afghanistans zu beraten. 82 Staaten und Organisationen sind es genau. Es ging in erster Linie um Geld, das sagt schon allein der Name Geberkonferenz. Es sind Zusagen gemacht worden in Höhe von mehr als 4,5 Milliarden Dollar. Am Telefon in Tokio ist nun der EU-Sondergesandte für Afghanistan, Klaus-Peter Klaiber. Herr Klaiber, 4,5 Milliarden Dollar, sind Sie damit zufrieden?
Klaiber: Also ich muss sagen, diese Konferenz war eine Demonstration der internationalen Staatengemeinschaft, den Willen zum Ausdruck zu bringen, dass man diesem Land wirklich auf die Beine helfen will. Insofern finde ich, dass die zugesagte Summe eine eher klägliche Summe ist. Das liegt deutlich unter dem, was im Grunde genommen Experten gesagt haben, was man für die nächsten zehn Jahre braucht. Diese 4,5 Milliarden sind für die nächsten fünf Jahre. Ich nehme an, wenn es gelingt, für die darauffolgenden fünf Jahre weitere 5 Milliarden zu gewinnen, dann ist es die Summe, die - so glaubt man - Afghanistan braucht, um auf die Beine zu kommen. Und ich möchte in dem Zusammenhang nochmals ausdrücklich sagen, dass die Europäische Union hier der wichtigste und größte Geber war, denn von diesen 4,5 Milliarden hat die Europäische Union, nämlich die Kommission plus die einzelnen Mitgliedsstaaten, ungefähr 45 Prozent auf die Beine gestellt: 2,1 Milliarden Dollar. Da zeigt sich, wie entschlossen die EU ist, diesem Land jetzt wirklich zu helfen. Es wird nicht leicht sein, das zu erreichen.
Remme: Wird es ein langer Weg von der Zusage bis zur Auszahlung von Mitteln?
Klaiber: Sie stellen genau die richtige Frage. Der afghanische Interimspräsident Karzai, der hier übrigens einen vorzüglichen Eindruck gemacht hat, hat klar gesagt, dass es darauf ankommt, dass die Zusagen nun schnell in wirkliche Gelder umgesetzt werden. Die Administration muss zunächst funktionieren können. Man muss sich das so vorstellen, in diesem Land gibt es nichts mehr, was funktioniert, es gibt keine Beamten mehr, es gibt keine Polizei mehr, es gibt keine vernünftigen Strafen. Wir müssen von Null anfangen. Und ich glaube, Herr Karzai hat Recht - und die vielen Staaten, die gesprochen haben, haben das auch bestätigt -, dass es zunächst darauf ankommt, dass eine Administration zur Verfügung steht, die dann auch bei der Vergebung der Gelder die Plädoyers der Afghanen hören und beantworten kann.
Remme: Sie sagen, es ist die Hoffnung da, dass es schnell geht mit der Auszahlung, aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit? Wenn wir das z.B. auf Ihrem Gebiet, die EU, sehen, wie schnell können da Mittel fließen?
Klaiber: Die EU hat zunächst zu Beginn des Jahres 2 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt, um diesen Notfond, der von UNDP eingerichtet ist, zu unterstützen. Und das ist Geld, das sofort fließen kann und im Augenblick schon fließt. Deutschland hat 2 Millionen gegeben, Großbritannien weitere 3 Millionen, so dass ungefähr 10 Millionen zur Verfügung stehen, die sofort zur Hilfe eingesetzt werden können.
Remme: Und der Rest?
Klaiber: Und der Rest hoffentlich in den nächsten zwei, drei Monaten. Dann wird es wohl das Ende dieses Start-up-Fonds sein. Dann ist man in Gesprächen mit der Weltbank, die einen viel größeren Fond auflegt, und da werden jetzt Diskussionen stattfinden, wann von dort dann weitere Mittel fließen können.
Remme: Wie müssen wir uns das vorstellen? Wer bestimmt, was mit den Geldern geschieht? Sind es die Geber oder die Behörden in Afghanistan?
Klaiber: Das ist eine gute Frage. Die Geber machen Vorschläge. Die Afghanen äußern konkrete Bitten, die sich übrigens hauptsächlich auf das Erziehungswesen, die Wiederherstellung einer Ernährungskette, den Wiederaufbau der Straßen, die Rückführung von Flüchtlingen usw. beziehen. Die Themen liegen praktisch auf der Straße, und jetzt wird es darauf ankommen - und das ist ganz wichtig -, dass die vielen Geberstaaten und auch die Organisationen sich sehr gut koordinieren, und zwar vor Ort in Kabul, damit hier nicht doppelt gearbeitet wird und die Gelder relativ schnell fließen können, in Übereinstimmung mit den Wünschen der afghanischen Regierung.
Remme: Hat man sich innerhalb der EU bereits Gedanken darüber gemacht, welche inhaltlichen Schwerpunkte man setzen will oder richtet man sich da nach den Wünschen?
Klaiber: Da gibt es schon vorbereitende Papiere, die einen Schwerpunkt legen auf die Wiederherstellung der Ernährungskette, die Rückführung der Flüchtlinge und auf sogenannte schnellwirkende Projektmittel, die für die Unterstützung und Wiederherstellung der Verwaltung notwendig sind. Und natürlich muss man sich überlegen, dass all diese Hilfsgelder nur dann vernünftig fließen und eingesetzt werden können, wenn das Land Sicherheit hat, wenn es eine innere und eine äußere Sicherheit gibt. Und deswegen haben die Afghanen - wie ich finde, zurecht - plädiert, es müssten sehr bald Polizeikräfte aufgestellt werden. Sie begrüßen die internationalen Sicherheitskräfte, die gerade in Kabul eintreffen. Und es muss natürlich auch auf mittlere Sicht eine glaubhafte Streitkräftereform geben, die das Land auch zusammenführt und verantwortlich für das ganze Land ist. Dies ist auch wichtig, und da kommt auf die Staatengemeinschaft noch ein großer Brocken zu.
Remme: Bei diesen Summen, die da im Spiel sind, gibt es natürlich eine Gefahr, auf die ist auch der Weltbankpräsident Wolfensohn eingegangen, nämlich die Gefahr, dass Teile dieser Summe in dunklen Kanälen versickern, die Gefahr der Korruption. Für wie groß halten Sie dieses Risiko?
Klaiber: Die Gefahr - das darf man nicht verniedlichen - ist natürlich groß. Gerade in einem Land, das im Grunde seit Jahrzehnten keine Regierung hatte, die für das ganze Land verantwortlich war. Da müssten wir kräftig daran arbeiten, dass da im Grunde genommen Kontrolle stattfindet. Herr Karzai hat es auch erkannt und mehrfach gesagt, dass er jeden Pfennig gerne kontrolliert haben möchte, und dass er natürlich diese Gefahr auch sieht. Ich glaube, wir müssen alle zusammen helfen, dass hier wenig Gelder in die falschen Taschen fließen. Allerdings muss man natürlich auch sagen, es wäre nicht das erste Mal, dass so etwas in einem Entwicklungsland passiert. Ich glaube, die internationale Staatengemeinschaft ist gewarnt, und wir werden darauf sehr achten.
Remme: Können Sie das etwas konkretisieren? Welche Sicherung kann man sich da vorstellen?
Klaiber: Also Sicherung stelle ich mir so vor, dass Projektmittel, nachdem sie bewilligt sind, sozusagen in verschiedenen Phasen fließen, wobei dann regelmäßige Kontrollen mit dem Staat selber und in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gebern stattfinden. Und wenn da die Kontrolle nicht funktioniert, wenn hier keine vernünftige Rückführung der Mittel stattfindet, dann können die Mittel nicht mehr weiterfließen. Ich meine, das ist die einzige Methode, wie man sicherstellen kann, dass die Gelder auch vernünftig angewendet werden. Das sind ja alles Steuergelder, die wir selbst aufgebracht haben. Da will der Bürger auch wissen, wohin die Gelder fließen.
Remme: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Klaiber: Also ich muss sagen, diese Konferenz war eine Demonstration der internationalen Staatengemeinschaft, den Willen zum Ausdruck zu bringen, dass man diesem Land wirklich auf die Beine helfen will. Insofern finde ich, dass die zugesagte Summe eine eher klägliche Summe ist. Das liegt deutlich unter dem, was im Grunde genommen Experten gesagt haben, was man für die nächsten zehn Jahre braucht. Diese 4,5 Milliarden sind für die nächsten fünf Jahre. Ich nehme an, wenn es gelingt, für die darauffolgenden fünf Jahre weitere 5 Milliarden zu gewinnen, dann ist es die Summe, die - so glaubt man - Afghanistan braucht, um auf die Beine zu kommen. Und ich möchte in dem Zusammenhang nochmals ausdrücklich sagen, dass die Europäische Union hier der wichtigste und größte Geber war, denn von diesen 4,5 Milliarden hat die Europäische Union, nämlich die Kommission plus die einzelnen Mitgliedsstaaten, ungefähr 45 Prozent auf die Beine gestellt: 2,1 Milliarden Dollar. Da zeigt sich, wie entschlossen die EU ist, diesem Land jetzt wirklich zu helfen. Es wird nicht leicht sein, das zu erreichen.
Remme: Wird es ein langer Weg von der Zusage bis zur Auszahlung von Mitteln?
Klaiber: Sie stellen genau die richtige Frage. Der afghanische Interimspräsident Karzai, der hier übrigens einen vorzüglichen Eindruck gemacht hat, hat klar gesagt, dass es darauf ankommt, dass die Zusagen nun schnell in wirkliche Gelder umgesetzt werden. Die Administration muss zunächst funktionieren können. Man muss sich das so vorstellen, in diesem Land gibt es nichts mehr, was funktioniert, es gibt keine Beamten mehr, es gibt keine Polizei mehr, es gibt keine vernünftigen Strafen. Wir müssen von Null anfangen. Und ich glaube, Herr Karzai hat Recht - und die vielen Staaten, die gesprochen haben, haben das auch bestätigt -, dass es zunächst darauf ankommt, dass eine Administration zur Verfügung steht, die dann auch bei der Vergebung der Gelder die Plädoyers der Afghanen hören und beantworten kann.
Remme: Sie sagen, es ist die Hoffnung da, dass es schnell geht mit der Auszahlung, aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit? Wenn wir das z.B. auf Ihrem Gebiet, die EU, sehen, wie schnell können da Mittel fließen?
Klaiber: Die EU hat zunächst zu Beginn des Jahres 2 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt, um diesen Notfond, der von UNDP eingerichtet ist, zu unterstützen. Und das ist Geld, das sofort fließen kann und im Augenblick schon fließt. Deutschland hat 2 Millionen gegeben, Großbritannien weitere 3 Millionen, so dass ungefähr 10 Millionen zur Verfügung stehen, die sofort zur Hilfe eingesetzt werden können.
Remme: Und der Rest?
Klaiber: Und der Rest hoffentlich in den nächsten zwei, drei Monaten. Dann wird es wohl das Ende dieses Start-up-Fonds sein. Dann ist man in Gesprächen mit der Weltbank, die einen viel größeren Fond auflegt, und da werden jetzt Diskussionen stattfinden, wann von dort dann weitere Mittel fließen können.
Remme: Wie müssen wir uns das vorstellen? Wer bestimmt, was mit den Geldern geschieht? Sind es die Geber oder die Behörden in Afghanistan?
Klaiber: Das ist eine gute Frage. Die Geber machen Vorschläge. Die Afghanen äußern konkrete Bitten, die sich übrigens hauptsächlich auf das Erziehungswesen, die Wiederherstellung einer Ernährungskette, den Wiederaufbau der Straßen, die Rückführung von Flüchtlingen usw. beziehen. Die Themen liegen praktisch auf der Straße, und jetzt wird es darauf ankommen - und das ist ganz wichtig -, dass die vielen Geberstaaten und auch die Organisationen sich sehr gut koordinieren, und zwar vor Ort in Kabul, damit hier nicht doppelt gearbeitet wird und die Gelder relativ schnell fließen können, in Übereinstimmung mit den Wünschen der afghanischen Regierung.
Remme: Hat man sich innerhalb der EU bereits Gedanken darüber gemacht, welche inhaltlichen Schwerpunkte man setzen will oder richtet man sich da nach den Wünschen?
Klaiber: Da gibt es schon vorbereitende Papiere, die einen Schwerpunkt legen auf die Wiederherstellung der Ernährungskette, die Rückführung der Flüchtlinge und auf sogenannte schnellwirkende Projektmittel, die für die Unterstützung und Wiederherstellung der Verwaltung notwendig sind. Und natürlich muss man sich überlegen, dass all diese Hilfsgelder nur dann vernünftig fließen und eingesetzt werden können, wenn das Land Sicherheit hat, wenn es eine innere und eine äußere Sicherheit gibt. Und deswegen haben die Afghanen - wie ich finde, zurecht - plädiert, es müssten sehr bald Polizeikräfte aufgestellt werden. Sie begrüßen die internationalen Sicherheitskräfte, die gerade in Kabul eintreffen. Und es muss natürlich auch auf mittlere Sicht eine glaubhafte Streitkräftereform geben, die das Land auch zusammenführt und verantwortlich für das ganze Land ist. Dies ist auch wichtig, und da kommt auf die Staatengemeinschaft noch ein großer Brocken zu.
Remme: Bei diesen Summen, die da im Spiel sind, gibt es natürlich eine Gefahr, auf die ist auch der Weltbankpräsident Wolfensohn eingegangen, nämlich die Gefahr, dass Teile dieser Summe in dunklen Kanälen versickern, die Gefahr der Korruption. Für wie groß halten Sie dieses Risiko?
Klaiber: Die Gefahr - das darf man nicht verniedlichen - ist natürlich groß. Gerade in einem Land, das im Grunde seit Jahrzehnten keine Regierung hatte, die für das ganze Land verantwortlich war. Da müssten wir kräftig daran arbeiten, dass da im Grunde genommen Kontrolle stattfindet. Herr Karzai hat es auch erkannt und mehrfach gesagt, dass er jeden Pfennig gerne kontrolliert haben möchte, und dass er natürlich diese Gefahr auch sieht. Ich glaube, wir müssen alle zusammen helfen, dass hier wenig Gelder in die falschen Taschen fließen. Allerdings muss man natürlich auch sagen, es wäre nicht das erste Mal, dass so etwas in einem Entwicklungsland passiert. Ich glaube, die internationale Staatengemeinschaft ist gewarnt, und wir werden darauf sehr achten.
Remme: Können Sie das etwas konkretisieren? Welche Sicherung kann man sich da vorstellen?
Klaiber: Also Sicherung stelle ich mir so vor, dass Projektmittel, nachdem sie bewilligt sind, sozusagen in verschiedenen Phasen fließen, wobei dann regelmäßige Kontrollen mit dem Staat selber und in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gebern stattfinden. Und wenn da die Kontrolle nicht funktioniert, wenn hier keine vernünftige Rückführung der Mittel stattfindet, dann können die Mittel nicht mehr weiterfließen. Ich meine, das ist die einzige Methode, wie man sicherstellen kann, dass die Gelder auch vernünftig angewendet werden. Das sind ja alles Steuergelder, die wir selbst aufgebracht haben. Da will der Bürger auch wissen, wohin die Gelder fließen.
Remme: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
