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Internationale Hilfsorganisationen und ihre Arbeit in Afghanistan

    Durak: Internationale Konferenzen zum Wiederaufbau in Afghanistan hat es ja eine ganze Reihe gegeben, verbunden auch mit finanziellen und sonstigen Hilfszusagen zahlreicher Länder. Das ist eine Basis, auf die sich auch vor allem die Übergangsregierung Karsai stützt, stützen sollte. Aber die Hilfszusagen werden so wie versprochen nicht eingehalten, das Geld fließt spärlich. Das ist die Kritik unter anderem aus Afghanistan selbst. Woran scheitert es? Internationale Hilfsorganisationen wie zum Beispiel die Deutsche Welthungerhilfe sind dort aktiv, haben Erfahrungen. Deshalb ist mein Gesprächspartner jetzt Andreas von Ramdohr, der Landeskoordinator der Deutschen Welthungerhilfe in Afghanistan. Guten Morgen, Herr von Ramdohr.

    von Ramdohr: Guten Morgen.

    Durak: Zusagen werden nicht eingehalten. Ist diese Kritik berechtigt?

    von Ramdohr: Das kann man so nicht sagen. Sie müssen bedenken, dass das Land eigentlich erst seit kurzem wieder über eine Regierung verfügt und die entsprechenden Institutionen, die die Hilfsgelder absorbieren und umsetzen können, sind jetzt im Aufbau begriffen. Da denke ich, ist eben auch eine Rolle da für die Nichtregierungsorganisationen, die ja nach ihrer Definition eben schnell und gezielt auf der Zielgruppenebene helfen.

    Durak: Wie sieht diese Hilfe aus?

    von Ramdohr: Die Deutsche Welthungerhilfe hat im Augenblick circa zehn verschiedene Projekte in Afghanistan laufen über ein sehr weites Spektrum. Das bezieht sich zum einen natürlich auf die Ernährungssicherung, zum anderen aber auch weiter vorgreifend für die Entwicklung des Landes auf ländliche Infrastruktur; das kann im Wassersektor sein, es können Straßen sein, das kann der Wiederaufbau von Häusern sein. Es ist also ein relativ weites Spektrum.

    Durak: Herr von Ramdohr, die Deutsche Welthungerhilfe ist ja nur eine internationale Organisation in Afghanistan. Sinnvoll ist sicher eine gezielte Koordinierung. Wie vollzieht die sich denn, wenn es sie gibt?

    von Ramdohr: Die gibt es natürlich, sowohl auf der zentralen Ebene in Kabul als auch in den einzelnen Regionen, wo die Projekte stattfinden. Auf der Ebene in Kabul gibt es eine ganze Reihe von Koordinationsmechanismen, die zum einen mit der UN zusammenhängen, zum anderen mit der Regierung selbst. Und es gibt für jeden Sektor bezüglich des Wiederaufbaus des Landes, also Gesundheitssektor, Bildungssektor, Landwirtschaft die sogenannten sektoralen Meetings, in denen sich die Vertreter der Organisationen zusammenfinden, die in den jeweiligen Gebieten intervenieren.

    Durak: Können Sie uns an einem Beispiel schildern, wie konkret sich diese Koordinierung abspielt, was da von wem getan wird?

    von Ramdohr: Ja. Es gibt für die Nichtregierungsorganisationen, die ja sehr zahlreich in Afghanistan vertreten sind, den sogenannten Akbar-Koordinationsmechanismus, der das Scharnier darstellt zwischen den NGOs und den einzelnen Ministerien. Und etwa im landwirtschaftlichen Bereich werden ganz konkrete Probleme besprochen wie zum Beispiel die Wahl des richtigen, verbesserten Saatguts für die Bauern, um eben vor allem im Bereich Ernährungssicherung wieder einen höheren Selbstversorgungsgrad des Landes herbeizuführen.

    Durak: Herr von Ramdohr, inwieweit ist denn die afghanische Seite jeweils beteiligt, wenn solche Abstimmungen vorgenommen werden?

    von Ramdohr: Die ist insofern beteiligt, als dass wir die Daten unserer Projekte - also den Inhalt, Größe der Zielgruppe, die einzelnen finanziellen Bestandteile - dem entsprechenden Ministerium über diesen Akbar-Koordinationsmechanismus melden. Es ist allerdings so, dass die Ministerien selbst, wie ich eben schon gesagt habe, noch im Aufbau begriffen sind und es mangelt eben immer noch an der nötigen Infrastruktur und zum Teil kompetentem Personal, um da eine wirkliche Vernetzung herbeizuführen.

    Durak: Wenn es denn mit dem Aufbau der Regierungsseite noch nicht so weit vorangeschritten ist, Herr von Ramdohr, arbeiten Sie dann vielleicht mit anderen afghanischen Kräften zusammen oder schließen Sie das vielleicht auch vorsichtshalber aus?

    von Ramdohr: Das ist sehr im Einzelfall zu betrachten, in welcher afghanischen Region man sich befindet. Es kann sicher in keinem Interesse sein, in Regionen zu arbeiten, die sich mehr oder weniger offen gegen die Zentralregierung stellen. Es ist allerdings auch wichtig, dass man neben dem zentralen Koordinationsmechanismus für die Projekte selbst auch eine Verankerung in der lokalen Gemeinschaft sucht, also im regionalen beziehungsweise dörflichen Bereich. Das ist sehr sehr wichtig, wenn diese Projekte auch eine gewisse Nachhaltigkeit haben sollen und weitergeführt werden sollen.

    Durak: Sie haben die Gebiete außerhalb von Kabul schon angesprochen. Nun hören wir in den letzten Tagen, auch gestern wieder, dass beispielsweise im Osten Afghanistans die Kämpfe wieder zugenommen haben, wir sprechen immer wieder über die Auseinandersetzungen zwischen den Warlords, was übrigens auch im Gespräch mit Herrn Struck nachher eine Rolle spielen wird, in Gebieten, wo die Warlords wirklich das Kommando haben, das Regime führen. Ist da Ihre Organisation oder eine andere in der Lage, tätig zu werden? Können Sie sich mit diesen Leuten einigen?

    Von Ramdohr: Wir schließen aus, dass wir in Gebiete gehen, in denen zum einen unser Personal gefährdet wäre, zum anderen, wie gesagt, Kräfte am Werk wären, die mehr oder weniger offen einen anderen Weg verfolgen als den der Zentralregierung. Sie spielen wahrscheinlich an auf Kos im Osten, das ist zum Beispiel ein Gebiet in dem wir nicht tätig sind und es auch nicht waren und das nach den Informationen, so wie wir uns zwischen den Hilfsorganisationen austauschen, auch kein Gebiet ist, in dem wir arbeiten wollen.

    Durak: Das heißt, je weiter sich die Warlords ausbreiten, desto weniger Hilfe bekommen die Afghanen?

    von Ramdohr: Das kann man so direkt nicht sagen, denn würden die Warlords sich weiter ausbreiten, was nicht unbedingt in allen Gebieten der Fall ist, dann würde das auch bedeuten, dass natürlich die Bevölkerung, die dort lebt, teilweise von Hilfe abgeschnitten ist und die Menschen, das haben wir ja in den vergangenen Jahren sehen können, gehen dahin, wo die Hilfe ist. Das ist in niemandes Interesse.

    Durak: Die Deutsche Welthungerhilfe ist in Afghanistan aktiv, Andreas von Ramdohr war mein Gesprächspartner, der Landeskoordinator dieser Organisation in und für Afghanistan. Schönen Dank, Herr von Ramdohr, für das Gespräch.

    von Ramdohr: Bitteschön.

    Link: Interview als RealAudio