
Mit der Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk und der Entsendung von Truppen dorthin hat Putin nach Meinung der NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Japan "die rote Linie überschritten. In seiner Rede war herauszuhören, wie sehr er den Westen hasst und was für ein Geschichtsverständnis er hat. Putin will 'seine' Ukraine unbedingt zurück, auch wenn der Preis hoch ist. Er verfolgt geradezu zwanghaft das Ziel, Russland wieder groß zu machen."
"Für Moskau gibt es jetzt kein Zurück mehr"
"Für Moskau gibt es jetzt kein Zurück mehr", stellt die litauische Zeitung LIETUVOS RYTAS fest: "Denn alles andere wäre nach all der anti-ukrainischen Propaganda ein gefährliches Signal der Schwäche an die eigene Gesellschaft. Um selbst zu überleben, droht das Regime im Kreml jedem Gegner mit brutaler Vernichtung. Deshalb hat es nach einem schon acht Jahre andauernden Krieg im Osten der Ukraine den Konflikt dort weiter eskaliert. Der Angriff auf die gesamte Ukraine ist längst erfolgt. Nun muss der Westen endlich neue Sanktionen verabschieden, die wirklich in der Lage sind, Russland aufzuhalten."
Auch der KOMMERSANT aus Moskau wertet die Anerkennung der abtrünnigen Republiken als Eskalation der Lage: "Damit endet die Ukraine-Krise nicht. Sie geht vielmehr in eine neue, vielleicht sogar noch zugespitztere Phase."
Der Kommentator der KIEW POST widerspricht der russischen Darstellung, wonach Angriffe von ukrainischer Seite ein Eingreifen Moskaus nötig gemacht hätten: "Die Ukraine hat zu keinem Zeitpunkt auf einen Krieg gedrängt. Sie hat das Recht, als unabhängiges Land mit voller territorialer Integrität weiter zu bestehen. Dafür muss die internationale Gemeinschaft alles tun."
"Putin ist der Aggressor, aber Amerika und die Nato sind nicht nur unschuldige Zuschauer"
Die NEW YORK TIMES aus den USA geht auf die Entsendung russischer Truppen in die Ostukraine ein. Die Zeitung bezeichnet dies als "Putins Krieg" und schreibt: "Er ist der mächtigste russische Führer seit Stalin. Putin betrachtet das Bestreben der Ukraine, seinen Einflussbereich zu verlassen, sowohl als strategischen Verlust als auch als persönliche und nationale Demütigung. In seiner Rede am Montag sagte Putin wörtlich, die Ukraine habe keinen Anspruch auf Unabhängigkeit, sondern sei ein integraler Bestandteil Russlands - ihre Menschen seien 'durch Blut, durch Familienbande mit Russland verbunden'. Deshalb wirkt Putins Angriff wie das geopolitische Äquivalent eines Ehrenmordes. Putin ist der Aggressor, aber Amerika und die Nato sind nicht nur unschuldige Zuschauer. Sie haben sein Feuer mit zwei riesigen Holzscheiten mit geschürt: Der erste war die unüberlegte Entscheidung der USA in den 1990er Jahren, die Nato nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu erweitern. Der zweite und weitaus größere Brandherd war die Art und Weise, wie man Putin die Nato-Erweiterung in Richtung der russischen Grenzen zynisch ausnutzten ließ, um die Russen auf seine Seite zu ziehen und sein wirtschaftliches Versagen zu vertuschen."
DE TELEGRAAF aus Amsterdam sieht in Putin einen skrupellosen Machthaber: "Der russische Präsident lebt nicht in einer Welt des internationalen Rechts. Er verweist zwar darauf, wenn ihm das in den Kram passt. Ansonsten aber tritt er es mit Füßen, wenn die Regeln nicht in sein Geschichtsbild passen. Putin ist ein Staatslenker im Stil des 19. Jahrhunderts. An den Grenzen seines Zarenreiches kann sich kein souveräner Staat seines Bestehens sicher sein."
CLARIN aus der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires notiert: "Putin ließ im Weißen Haus die Alarmglocken schrillen. Seine Entscheidung die abtrünnigen Gebiete in der Ostukraine als unabhängige Republiken anzuerkennen, führte zu eiligen Telefonaten mit den Verbündeten. Und die Sanktionen werden rasch folgen."
THE STRAITS TIMES aus Singapur ist gespannt, wie die Europäer nun reagieren werden: "Die Europäische Union und die Nato haben sich auf einen russischen Einmarsch in die Ukraine vorbereitet. Jetzt muss sich zeigen, was die Pläne wert sind."
Der Londoner TELEGRAPH mahnt zur Härte gegenüber Putin: "Eine diplomatische Lösung ist zwar einem Krieg vorzuziehen, aber nicht um jeden Preis, wie der britische Verteidigungsminister richtigerweise erklärte. Der Westen darf der Zerschlagung der Ukraine nicht zustimmen, um Putin so zum Abzug seiner Truppen zu bewegen."
"Jetzt, wo der Krieg nah wie nie ist, sind mutige Entscheidungen des Westens gefragt"
LA REPUBBLICA aus Rom stimmt zu: "Jetzt, wo der Krieg nah wie nie ist, sind mutige Entscheidungen des Westens gefragt. Es ist an der Zeit, dass die Ukraine vollständig in die europäische Familie aufgenommen wird. Dies zusammen mit sehr harten Sanktionen ist die beste Antwort auf eine völlig ungerechtfertigte militärische Bedrohung vor den Toren Europas."
DE STANDAARD aus Brüssel fürchtet, dass der Westen Kiew im Stich lassen wird: "Niemand will für die Ukraine sterben. Und die angekündigten Sanktionen sind nur ein Eingeständnis der Schwäche. Zumal auch noch Uneinigkeit darüber, wie schnell sie kommen und wie hart sie durchgesetzt werden sollen. Putin ist vorbereitet auf alles, was Europa und die USA in petto haben."
Trotz der jüngsten Eskalation hat die polnische RZECZPOSPOLITA die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung noch nicht aufgegeben: "Unter Umständen will Putin vor einem möglichen Treffen mit US-Präsident Biden den Druck auf den Westen noch einmal erhöhen, um Zugeständnisse an Russland zu erzwingen. Vielleicht strebt er weiterhin eine diplomatische Einigung an. Aber die Chancen, auf diese Weise einen Krieg zu vermeiden, sind gering. Der Einmarsch russischer Streitkräfte in die beiden selbsternannten Republiken hat das Risiko einer direkten Konfrontation und damit für einen großen Krieg zwischen Russland und der Ukraine enorm erhöht.“
"Auch nach der Anerkennung der beiden Separatistengebiete ist es unwahrscheinlich, dass es zu einem großen Krieg in Europa kommt", meint dagegen JIEFANG RIBAO aus China: "Denn die Nato hat früh klargemacht, dass sie nicht für die Ukraine gegen Russland kämpfen wird. Präsident Putin weiß, wie weit er gehen kann. Aber er kennt auch die wirtschaftliche Situation seines Landes und er kann die verheerenden Folgen harter Sanktionen des Westens einschätzen. Russland wird sich einen Konflikt nicht lange leisten können. Deshalb wird Putin gesprächsbereit bleiben müssen."
Die türkische Zeitung ARTI GERCEK mit Sitz in Köln zeigt sich von Putins jüngsten Schritt nicht überrascht: "Die Anerkennung der beiden abtrünnigen Gebiete war zu erwarten. Auf diese Weise ist es Putin gelungen, nach der Krim, der Ukraine zwei weitere Teile zu entreißen. Jetzt wird es es nur noch eine Frage der Zeit sein, wann sich Moskau die gesamte Ukraine einverleibt. Allerdings kam von unerwarteter Seite eine Warnung - nämlich von China. Aus dem Außenministerium in Peking hieß es, dass die territoriale Integrität der Ukraine respektiert werden müsse. Grund dafür sind wohl Chinas große Investitionen in der Ukraine, die nicht in Gefahr geraten sollen."
Trotz der diesmal zurückhaltenden Worte aus Peking zeichnete sich zuletzt eher ein engerer Schulterschluss zwischen Russland und China ab. In einem Gastkommentar für den KOREA HERALD aus Seoul bezeichnet die frühere spanische Außenministerin Ana Palacio diesen als "Allianz der Autokratien". Sie schätzt, dass... "...wirtschaftliche Sanktionen in der Ukraine-Krise nicht ausreichen werden. Die Demokratien der Welt, angeführt von den USA und Europa, müssen zusammenarbeiten, um das Ansehen der auf Regeln basierenden internationalen Ordnung wiederherzustellen und den Grundsätzen und Praktiken des Multilateralismus ihre wahre Bedeutung zu verleihen. Solange dies nicht geschieht, wird die von den Autokratien der Welt vertretene alternative Vision weiter an Boden gewinnen."