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Internet über TV-Frequenzen

Telekommunikation. - Anfang Mai fällt in Baden-Württemberg der Startschuss für ein Pilotprojekt, das ländliche Gebiete mit besseren Internetverbindungen ausstatten soll. Genutzt wird dafür das Fernsehnetz, in dem durch den Umstieg auf digitale Sendetechniken wie DVB-T Platz frei geworden ist. Doch allzu schnelles Internet dürfen die Projektteilnehmer auch nicht erwarten.

Von Klaus Herbst |
    Im äußersten Osten von Baden-Württemberg im ländlich strukturierten Ostalbkreis liegt die Zentrale des zweitgrößten Holzwerks des Bundeslandes. Aber die meisten Menschen sind außerhalb zweier Orte beschäftigt. Vom Breitband-Internet haben sie zwar schon sehr viel gehört, es aber bis heute dort nicht nutzen können. Sie wohnen und arbeiten in einer der zahlreichen Lücken der Internetversorgung in Deutschland.

    "Das ist Bopfingen und Unterschneidheim, insofern wichtige Orte weil sie nämlich noch keine Auffahrt auf die Datenautobahn haben. Die haben oftmals nur ISDN, und deswegen hat Vodafone gesagt: Hier muss auf jeden Fall dieses Pilotprojekt stattfinden", "

    sagt Axel Dürr, Sprecher der Landesanstalt für Kommunikation (LFK). In wenigen Tagen soll es losgehen: Gemeinsam mit dem Mobilfunkbetreiber startet die LFK einen etwa einjährigen Pilotversuch. Bei der Abschaltung analoger Rundfunkfrequenzen hat sich eine so genannte digitale Dividende ergeben. Das sind freigewordene Frequenzen. Und die sollen sich nun für ein Internet nutzen lassen, das über TV-Frequenzen in Haushalte und Unternehmen gefunkt wird - möglichst schnell und unbedingt störungsfrei. Axel Dürr:

    " "Wir müssen die Erwartungen nicht so hoch schrauben. Also wer glaubt, da kommt nun unglaublich viel durch und das ist zu vergleichen mit den Bandbreiten, die man über VDSL oder beispielsweise von den Kabelnetzbetreibern erhält, das auf gar keinen Fall. 7,2 Mbits möchte Vodafone ausstrahlen, aber da es ein Shared Medium ist, das heißt also, dass verschiedene Menschen, User, Nutzer zur gleichen Zeit ins Internet gehen und downloaden und uploaden, sagt Vodafone, kommen etwa zwei Mbits an, also im Download, und im Upload natürlich auch noch mal ein bisschen weniger. Es ist jedenfalls mehr als ISDN, und das sind wirklich Leute und Bürger und Betriebe, die bislang tatsächlich nur ISDN haben. Und das ist wirklich schnarchlangsam - und darum ein Riesenfortschritt für diese Bürger."

    Die hügelig-bergige Landschaft des Bundeslandes gilt unter Funkexperten als schwierig. Signale können abgelenkt werden, Daten verloren gehen oder zur falschen Zeit ankommen. Der Senderstandort Schloss Baldern ist deutlich über 600 Meter hoch und scheint für das Projekt als Hotspot geeignet. Über eine Distanz von 20 Kilometern soll das Internet ausgestrahlt werden können - wenn nicht DVB-T und -C Empfangsgeräte vorhandener Kabelnetze gestört werden. Ob und wie oft das passiert, wie sehr es stört, ob es zu Interferenzen mit frei strahlenden Digitalprogrammen kommt, das soll nun geklärt werden.

    "Der Receiver hängt am Kabelnetz und überträgt im ähnlichen Frequenzbereich wie nun beispielsweise über Antenne oder Funkinternet seine Sender, also möglicherweise in diesem 800 Megahertz-Bereich. Und genau diese Sender, die kommen nun quasi im Receiver an, und mit der Fernbedienung schalte ich diese Sender ein, die in diesem Bereich aufgeschaltet sind. Und jetzt könnte genau das Funkinternet in diesem Bereich den Receiver stören, so dass das Streifen, Pixel sind, vielleicht der Sender überhaupt nicht mehr zu empfangen ist, also große, massive Störungen auftreten."

    Ein weiteres Ziel ist es, das Nutzerverhalten möglichst genau kennenzulernen. Internet über Fernsehfrequenzen wäre ein so genanntes Shared Medium. Die angepeilten 100 Haushalte müssen sich die Daten also teilen. Es könnte eng werden. Axel Dürr:

    "Wann nutzt welcher Verbraucher zu welcher Zeit das Internet? Was lädt er wann wie wo runter? Und was schickt er übers Internet, welche Dateien, welche Kapazität? Das muss natürlich auch genau beobachtet werden, denn es soll doch irgendwie noch was ankommen."

    Und was genau zu welcher Tageszeit ankommt und ob das dann noch schnell und stabil ist, will die LFK nun erfahren; ebenso der Provider. Margarete Steinhart ist Sprecherin von Vodafone in Stuttgart.

    "Strategisch steckt dahinter, dass wir gar kein reines Mobilfunkunternehmen mehr sind, sondern mit der 100-prozentigen Integration von Arcor ein Komplettanbieter für Festnetz und mobile Kommunikation. Es kann eigentlich nicht sein, dass der ländliche Raum abgehängt wird. Also Breitband ist so eine Infrastruktur wie Strom und Wasser. Und wir haben gesagt, wenn wir die Frequenzen dafür bekommen, die halt für diesen Zweck besonders geeignet sind, dann wären wir auch bereit zu investieren. Und sobald wir die haben und die entsprechenden Voraussetzungen in Form von Lizenzbedingungen und ähnlichem geklärt worden sind, können wir relativ schnell dafür sorgen, dass diese weißen Flecken geschlossen werden. Weil wir ja dadurch, dass wir ein nahezu flächendeckendes Mobilfunknetz haben. Man brauchte nicht hohe Investitionen in Infrastruktur und Antennenstandorte, sondern muss einfach gucken, wo muss ein Standort sein, dass er die weißen Flecken entsprechend ausleuchtet."

    Nach einer Studie des Instituts für Rundfunkwesen ist in der Praxis höchstens das Zehnfache der ISDN-Geschwindigkeit zu erwarten. Auch stehen, so die Studie, für die Versorgung aller weißen Flecken trotz digitaler Dividende nicht genügend Frequenzen zur Verfügung.