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Internetradio über Rundfunkfrequenzen

Rundfunktechnik. - Auf einer internationalen Wellenkonferenz, der so genannten Stockholm-Nachfolgekonferenz, wurden 2006 die Radio-Frequenzen neu verteilt, auch um damit Platz für neue Digitalradioprogramme zu schaffen. Die Befürworter hoffen, dass damit der Digitalradio-Aufbruch endlich starten kann. Das Ende von UKW ist aber keineswegs eingeläutet.

Von Sönke Gäthke |
    Olaf Korte vom Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen betont:

    " Sie brauchen auf jeden Fall natürlich nach wie vor einen guten FM-Empfänger, das aber heute bei allen DAB Radios gegeben ist. "

    Denn auf absehbare Zeit würden beide Wege zum Hörer führen: sowohl DAB als auch UKW. Die von Entwicklern und Politikern ursprünglich verfolge Absicht, UKW zugunsten von DAB abzuschalten, und so die Hörer zu zwingen, neue, digitale Radio zu kaufen, ist damit vom Tisch. Die Befürworter von DAB setzen stattdessen auf eine neue Programm-Vielfalt, die durch mehr Frequenzen für das digitale Radio möglich wird.

    " Digitalradio hat zu einem großen Teil die letzten zehn Jahre, denke ich, daran gekrankt, dass wir nicht genügend Programmvielfalt hatten. Auf DAB, wenn man nach Großbritannien guckt, sieht man, dass dort eben mit entsprechender Programmvielfalt wesentlich schneller zum Erfolg geführt hat. Und durch die neuen Frequenzen, die jetzt zugeteilt sind, ist dort auf jeden Fall die Tür aufgestoßen und eine Menge der Beteiligten sind optimistisch, dass es jetzt endlich los geht. "

    15 neue bundesweit ausgestrahlte Programme soll es in Zukunft geben, Platz für Formate, die es so auf UKW nicht gibt, hofft Olaf Korte:

    " Beispielsweise ein spezieller Hörspielkanal oder von mir aus auch ein Kanal mit politischen Diskussionen, das wäre zum Beispiel auch so ein Format, wo man Surround-Sound sehr effizient nutzen könnte, stellen Sie sich vor, Sie haben eine Diskussionsrunde, wo fünf, sechs Leute am Tisch sitzen, und jede Stimme kommt aus einer anderen Richtung des Raumes, das ist sicherlich mal ein völlig neues Erlebnis einer Polittalkrunde, wie man es so bisher nicht kannte. "

    Noch mehr Programme könnten möglich sein, wenn sich das Welt-DAB-Forum entschließt, einen neuen Audio-Codec für dieses Digitale Radio einzuführen. Der Audio-Codec ist der Teil von Sendern und Empfängern, in dem die Töne in Daten umsetzt werden und umgekehrt. Dabei wird nicht der ganze Klang zu Bits- und Bytes - das würde zu viel Speicherplatz benötigen. Musik oder Sprache werden stattdessen komprimiert: Nur was für eine gute Qualität nach Überzeugung der Techniker wichtig ist, passiert den Audio-Codec. Und je stärker ein Codec die Töne komprimieren kann, desto mehr Sender können bei gleicher Qualität digital über den Äther gehen.

    Das neue Verfahren hört auf die Bezeichnung High Efficiency AAC, und kann die für ein Radioprogramm notwendigen Datenraten etwa auf ein Viertel senken. Im Internet (und für die Digitale Kurzwelle DRM) wird dieser Audio-Codec schon genutzt. Würde auch DAB auf dieses Kompressionsverfahren umgestellt, könnten noch mehr Programme übertragen werden und es wäre leichter möglich, Internetradio und klassisches miteinander zu verbinden.

    Die Vision hat aber auch einen Nachteil - für den Hörer. Denn die heute gängigen DAB-Radios können mit diesem Komprimierungsverfahren nichts anfangen. Würde die Technik umgestellt, blieben die Geräte stumm, der Hörer müsste ein neues Radio kaufen. Doch in diesem Jahr und wohl auch im kommenden wird das die deutschen Hörer noch nicht treffen, ist Olaf Korte überzeugt.

    " Also hier in Deutschland erwarte ich, dass wir auf lange Sicht noch vor allem MPEG-Layer-2-Programme, also Programme nach dem alten Audiocodierverfahren fahren werden. Das wurde ja erst letztens wieder vom Bayrischen Rundfunk ganz klar bestätigt, dass man dort in Zukunft in Layer 2 abstrahlen wird. "

    Auf mittlere Sicht aber - in den kommenden zehn Jahren - dürften die Sender nach und nach auf den neuen Standart umschwenken. Davon gehen das Fraunhofer Institut und einige Landesmedienanstalten aus.

    Wann die neue Programmvielfalt auf DAB tatsächlich Realität wird, ist allerdings noch unklar. Ebenso offen ist, ob sich die Situation für DAB durch die neuen Programme tatsächlich deutlich verbessern wird. Vor zehn Jahren, als DAB als Revolution des Radios gepriesen wurde, gab es kaum digitale Konkurrenz. Heute laden sich vor allem Jugendliche ihre Musik aus dem Internet; Radioprogramme werden ebenfalls über das Netz verbreitet und bei manchen Sendern können Hörspiele oder Nachrichten auch völlig unabhängig von einer festen Sendezeit abgerufen werden. Das digitale Radio DAB muss sich gegen diese Konkurrenz durchsetzen - und gegen das eingeführte und weit verbreitete UKW.

    Das dürfte noch rund 20 Jahre "on air" sein und mit den alten Geräten zu empfangen sein, sind die Landesmedienanstalten überzeugt. Wer dagegen heute schon ein DAB-Radio sein eigen nennt, dürfte sich schneller wieder von diesem Gerät trennen müssen, weil die digitale Technik von heute in 20 Jahren mit Sicherheit überholt ist.