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Interpol
Geister, Mythen, Rock 'n' Roll

Interpol aus New York City zählt seit Jahren zu den erfolgreichsten Indie-Rock-Bands der Welt, und hat auch in Deutschland viele Fans. Jetzt ist ihr fünftes Album erschienen: "El Pintor", das in berühmten amerikanischen Studios wie "Electric Lady" oder "Henson" entstanden ist. Und in denen sich - so Sänger Paul Banks - die Geister verstorbener Popstars tummeln.

Von Marc Anders | 10.09.2014
    "Ich habe da seltsame Dinge erlebt. Vor allem im Henson, wo es einen Raum voller Kristalle gibt. Paul Epsworth, ein bekannter Produzent, konnte dort nicht arbeiten, weil da etwas war, das Besitz von ihm ergreifen wollte. Und bei mir war es so, dass meine Stimme komisch klang und ich ständig beim Tischtennis verloren habe, obwohl ich darin sehr gut bin. Erst am Tag unserer Abreise sagte man mir, es läge am Geist von Karen Carpenter. Und ich fand es schade, dass er mich so geärgert hat, denn ich bin ein großer Fan von ihr."
    Geister, Mythen, Rock 'n' Roll. Willkommen in der Welt von Interpol. Ein Trio, das im Postpunk der 80er verwurzelt ist und ein unnahbares Image kultiviert. Eben als Rockstars, die kaum Interviews geben, sich hinter verspiegelten Sonnenbrillen und schicken Anzügen verstecken, mit Supermodels ausgehen und hemmungslosem Hedonismus frönen. Attribute, die Sänger Paul Banks allerdings eher der Vergangenheit zurechnet. Nach 17 Jahren, fünf Alben und dem Ausstieg von Bassist Carlos Dengler sei alles ganz anders.
    "Wir mussten eine neue Chemie innerhalb der Band finden. Und um eine Analogie aus der Chemie zu verwenden: Auf den ersten Alben waren wir wie ein vierteiliges Molekül. Jetzt sind wir eins mit drei Komponenten und haben allein deshalb mehr Zusammenhalt. Und was die Songs betrifft, ist es solider, direkter Rock, den ich mit meinem Gesang unterstütze."
    Eine gewählte Ausdrucksweise, pointierte Vergleiche und kryptische Texte mit starken Bildern und Metaphern: Paul Banks ist eine Mischung aus Poet und Cineast, der sich mit Leonard Cohen ebenso auskennt wie mit David Lynch. Der Worte und atmosphärische Sequenzen nicht als Füllwerk erachtet, sondern als dramaturgische Mittel, um eine intensive Stimmung zu erzeugen. Denn das - so der 36-Jährige - sei das Wichtigste, weil es die Fantasie des Hörers anrege. Aber auch für nette Irritationen sorge.
    "Wenn ich mir einen Film von David Lynch anschaue, habe ich keine Ahnung, worum es da geht. Aber aus irgendeinem Grund bin ich davon fasziniert und denke lange darüber nach. Einfach, weil da etwas so Profundes passiert, dass es das Unterbewusstsein regelrecht gefangen nimmt. Deshalb bin auch ich an starken Bildern interessiert."
    Wie viel Anspruch und Kreativität hinter "El Pintor" steckt, zeigt sich nicht nur an den Songs, sondern auch am Albumtitel: Ein Anagramm von Interpol, Spanisch für "Maler" - und eine Ergänzung zu den Händen, die das Cover der CD zieren. Womit unmissverständlich klar wird: Hier greift eins ins andere - Musik und konzeptionelle Gestaltung, künstlerischer Idealismus und kommerzielles Potenzial. Attribute eines außergewöhnlichen Albums - von einer außergewöhnlichen Band, die es laut Banks nicht immer leicht hatte.
    "Ich hatte lange ein angespanntes Verhältnis zu den Medien. Denn wie jeder Künstler, der an sich glaubt, habe auch ich große Stücke auf mich und meine Musik gehalten. Und wenn die Leute dann etwas anderes sagen als "du bist toll" ist das extrem schmerzhaft. Doch mittlerweile ist mir klar: Menschen tendieren dazu, Kunst zu verschmähen. Genau wie alles andere. Daran muss man sich gewöhnen."