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Interstellares Gas

In der kalten Jahreszeit schmückt ein besonders schönes Sternbild den Nachthimmel: der Himmelsjäger Orion. Eine kurze Reihe aus drei hellen Sternen bildet seinen Gürtel. Vor 100 Jahren machte man bei dem Stern am rechten Ende dieser Reihe eine wichtige Entdeckung.

Von Ken Croswell |
    Damals hatte man geglaubt, dass der Raum zwischen den Sternen leer sei. Zwar kannte man große Gaswolken wie den Orionnebel. Doch ging man davon aus, dass es in den dunklen Himmelsregionen zwischen den funkelnden Sternen keine Materie gibt.

    1904 berichtete der Göttinger Astronom Johannes Hartmann: zwischen der Erde und dem Stern Mintaka – dem westlichsten Stern des Oriongürtels - muss es Gas geben. Mintaka ist ein kompliziertes Vielfachsternsystem. Der Hauptstern und ein nicht unterscheidbarer Begleiter umkreisen sich einmal in fünfeinhalb Tagen. Wissenschaftler erkennen diese Bewegung, indem sie das Sternlicht in die einzelnen Wellenlängen zerlegen. So bilden sie jeden Stern als Strichcode ab. Während sich der Stern bewegt, bewegt sich auch der Strichcode.

    Hartman sah, dass sich die Kalziumlinie in Mintakas Strichcode nicht bewegte, obwohl alle anderen genau das taten. Er folgerte: die Linie kann nicht von Mintaka stammen. Sie muss durch Gas zwischen der Erde und Mintaka entstehen.

    Heute wissen wir, dass es überall im All Gas gibt. Würde man beispielsweise das gesamte diffuse interstellare Gas in unserer Milchstraße einsammeln, würde es über hundert Milliarden mal schwerer als unsere Sonne sein. Ein winziger Bruchteil dieser Gasmaterie ist zwischen uns und dem Stern Mintaka verteilt – da wo es vor 100 Jahren entdeckt wurde.