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Investieren um zu sparen

Bis zum Jahr 2020 sollen 20 Prozent der Energie im Gebäudebereich eingespart werden. So lautet das ehrgeizige Klimaschutzziel der Bundesregierung. Wichtige politische Entscheidungen zur Zukunft der Gebäudesanierung lassen jedoch auf sich warten.

Von Dieter Nürnberger | 31.05.2012
    In Berlin-Wilmersdorf steht ein Gerüst an der hinteren Außenwand eines typischen Altbaus. Über fünf Stockwerke hinweg werden hier der alte Putz abgeschlagen, Löcher und Risse in der Fassade ausgebessert, um schließlich energetisch sanieren zu können. Das heißt, einen neuen Putz, inklusive Wärmedämmung, anzubringen. Klaus Weltring ist Architekt, er schaut jeden Tag auf der Baustelle vorbei. Das Wohnhaus ist mehr als 100 Jahre alt – und an der Fassade ist jahrzehntelang nichts in Stand gesetzt worden.

    "Es ist schon ein ungewöhnlicher Aufbau des Altputzes, der hier noch in der Außenfassade auf alten Schilfrohrmatten aufgebracht wurde. Hier muss ich gestehen, das kenne ich so auch nicht. In der Regel ist der Putz direkt auf das Mauerwerk aufgebracht, aber diese Schilfrohrmatte ist ungewöhnlich. So entdeckt man auch in Berlin immer wieder was Neues, wenn man sich im Altbau betätigt."

    Mit einem kleinen Lastenaufzug werden der abgehauene, jahrzehntealte Putz sowie die Reste der ungewöhnlichen Schilfrohrmatten nach unten befördert.

    Die Eigentümergemeinschaft des Hauses lässt sich die Maßnahme mehr als 120.000 Euro kosten – das ist viel Geld. Allerdings war ein neuer Außenputz ohnehin längst überfällig. Dank der nun gleichzeitig vorgenommen energetischen Fassaden-Sanierung soll sich die Investition auch langfristig lohnen.

    "Es werden definitiv Energiekosten gespart. Bei der Größenordnung tun wir uns allerdings immer etwas schwer, genau zu sagen, man spart letztendlich diesen Betrag X. Aber wir gehen mal davon aus, dass hier bei den direkt anlagernden Wohnungen rund 60 Prozent Einsparungen durchaus möglich sind."

    Der Altbau in Wilmersdorf eignet sich somit bestens für eine energetische Sanierung.

    Der Gebäudebestand in Deutschland wird für rund 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs verantwortlich gemacht. Zweidrittel der Häuser hierzulande wurden vor 1979 gebaut - also beispielsweise bevor die erste Wärmeschutzverordnung in Kraft trat. Und noch immer verfügen rund 70 Prozent über keine relevante Wärmedämmung.

    Deshalb gilt der Gebäudebereich als besonders wichtig für ein Vorankommen beim Klimaschutz. Die mittel- und langfristigen Ziele der Bundesregierung sind eindeutig: Der Primärenergieverbrauch der Gebäude soll bis 2020 um 20 Prozent sinken, langfristig - bis 2050 - sollen es sogar 80 Prozent weniger sein.

    In der Theorie gilt die energetische Gebäudesanierung als sogenannte Win-win-Situation. Denn, wenn Immobilienbesitzer die Fassade dämmen, neue Fenster und eine effizientere Heizung einbauen, steigt der Wert der Immobilie. Mieter haben auch etwas davon, weil Energiekosten begrenzt oder sogar gesenkt werden können. Der Staat kann zudem die eigene Klimabilanz verbessern, und letztlich profitiert natürlich auch das Bau- und das Installationsgewerbe. So weit, so gut.

    Die Klimaschutzziele der Bundesregierung werden allgemein begrüßt, doch steckt der Teufel auch bei der energetischen Sanierung im Detail. Rolf Kornemann ist der Präsident von "Haus und Grund", das ist der Dachverband der deutschen Haus- und Wohnungseigentümer.

    "Wir haben gerade ein großes Gutachten in Auftrag gegeben, dass auch andere Expertisen heranzieht – dieses kommt eindeutig zu dem Ergebnis, dass sich die energetische Sanierung nicht rechnet. Es rechnet sich überhaupt nur in Zusammenhang mit einer vollständigen Sanierung und Modernisierung der Gebäude. Wenn die sogenannten Sowieso-Kosten anfallen – also Kosten für die Instandhaltung. Wenn man dies in ein Paket einbezieht, dann ergibt es meistens einen positiven Saldo. Aber auch dann nicht in jedem Fall."

    Auch Ulrich Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbundes, ist skeptisch, er befürchtet vor allem Mietsteigerungen.

    "Das bisherige Prinzip sieht vor, dass 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden können. Die Wohnungswirtschaft geht davon aus, dass eine energetische Vollmodernisierung etwa 300 Euro je Quadratmeter kostet. Das würde bedeuten: 33 Euro pro Quadratmeter kann auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden. Und soviel an Heizkosten bezahlt der Mieter gar nicht. Das heißt, soviel kann er auch ansatzweise nicht wieder über die energetische Sanierung reinholen."

    Die Bewertung von Sinn und Nutzen der energetischen Gebäudesanierung ist somit auch ein Kampf der Studien, der Statistiken und deren Interpretation.

    2012 soll das Jahr werden, in dem die energetische Gebäudesanierung in Deutschland wieder mehr an Fahrt gewinnen soll. Deshalb gibt es auch politisch ein paar Baustellen:

    So wird über die Möglichkeit einer steuerlichen Abschreibung der Sanierungskosten noch immer im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat gestritten. Und solange diese Baustelle nicht abgeräumt sei, werde das Tempo sicherlich auch nicht, wie politisch gewünscht, zunehmen, sagt der Präsident von "Haus und Grund", Rolf Kornemann.

    "Es gibt ein Gesetz, welches die schwarz-gelbe Koalition im Sommer vergangenen Jahres verabschiedet hat: Es sah vor, dass sowohl selbstnutzende, Eigentümer als auch Vermieter auf einen vernünftigen Zeitraum von 10 Jahren gestreckt, die Maßnahmen zu 100 Prozent abschreiben können. Leider ist dieses Gesetz am Einspruch des Bundesrates gescheitert. Und bis zur Stunde gibt es noch keinen Kompromiss, auf den sich der Bund und die Länder gemeinsam haben verständigen können."

    Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, könnte im Juni zumindest bei der Frage der steuerlichen Abschreibung der lange ersehnte Kompromiss gefunden werden.

    Bislang wurden in Deutschland rund ein Prozent der Gebäude jährlich energetisch saniert. Die Bundesregierung will die Anzahl nun verdoppeln, um ihre Klimaschutzziele zu erreichen. Doch egal, ob Lobbyist der Mieter oder Interessenvertreter der Eigentümer, in einem Punkt sind sich alle Experten so gut wie einig. Wenn das Tempo der energetischen Sanierung in Deutschland zunehmen soll, dann muss auch mehr Geld in den Fördertöpfen dafür bereitstehen. Für Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund ist dies eine ganz einfache Rechnung.

    "Es gab Jahre, da hat sie über zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt – und letztendlich ist in all diesen Jahren nur ein Prozent des Gebäudebestandes tatsächlich energetisch modernisiert worden. Jetzt will die Bundesregierung zwei Prozent des Gebäudebestandes pro Jahr sanieren, mit quasi halb soviel Geld. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, das wird nicht gehen."

    Zwar steht inzwischen fest, dass der Fördertopf für Zuschüsse der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der KfW, in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro betragen wird, doch nach Einschätzungen einiger Fachleute ist das immer noch zu wenig. Hier reiht sich auch Stefan Kohler, der Chef der halbstaatlichen Deutschen Energieagentur, mit ein.

    "Wir brauchen mittelfristig rund fünf Milliarden Euro Förderung pro Jahr. Deshalb lautet unsere Empfehlung: Neben den 1,5 Milliarden Euro für das Gebäudesanierungsprogramm der KfW zusätzlich noch die steuerliche Abschreibung zu verankern. Und dann noch das Gebäudesanierungsprogramm sukzessive auf ungefähr 2,5 Milliarden anzuheben. Dann können die Ziele der Bundesregierung erreicht werden."

    Klimaschutz sei eben zum Nulltarif nicht zu haben, sagen die Experten. Das gelte besonders auch für die energetische Sanierung.

    Auch Klaus Weltring, der Architekt, der die Fassade des großen Wohnhauses in Berlin-Wilmersdorf saniert, stimmt zu, dass ohne staatliche Förderung wenig laufe. Von einigen anderen, praktischen Problemen ganz abgesehen.

    "Ich kann nicht jedes Gebäude mit einem Wärmedämmverbundsystem überziehen. Spätestens bei denkmalgeschützten Gebäuden hört das ganz auf. Wir haben ja in Berlin viele wunderschöne Altbauten mit Stuckverzierungen im Außenbereich – um Gottes Willen, bitte keine Wärmedämmung. Dort muss man sehr wohl drauf achten, was gemacht werden kann. Auch was den Einbau neuer Fenster betrifft. Man muss immer aufpassen, dass man die Bauphysik des Hauses in einem funktionalen Zustand aufrecht erhält. Und sich nicht unter Umständen Schimmel, Kondensat in das Haus holt. Jeder Mieter oder auch Vermieter kennt das Problem inzwischen."

    Die Reform des Mietrechts ist eine weitere politische Baustelle, wenn es um das Vorankommen bei der energetischen Sanierung geht. Hier hat die Bundesregierung in der vergangenen Woche einen Referentenentwurf verabschiedet, um die Modernisierung und Sanierung zu erleichtern.

    Für die Eigentümer soll es einfacher werden, sich für eine Sanierung zu entscheiden. So sollen Mieter künftig weniger Widerspruchsmöglichkeiten haben. Auch eine Mietminderung durch die Unannehmlichkeiten einer Sanierung soll künftig erst ab drei Monaten Bauzeit möglich sein. Der Dachverband der deutschen Wohnungs- und Grundstückseigentümer begrüßt die geplante Novelle, der Mieterbund ist strikt dagegen. Verbandssprecher Ulrich Ropertz.

    "Dieser Anreiz soll so aussehen, dass Mieterrechte beschnitten oder abgeschafft werden. Und das wird die notwendige Akzeptanz auf Mieterseite noch einmal deutlich infrage stellen."

    Eine wichtige Regelung des Mietrechts soll hingegen nicht geändert werden. Weiterhin darf ein Eigentümer maximal elf Prozent der energetischen Sanierungskosten jährlich auf den Mieter umlegen. Wer eine damit verbundene Mieterhöhung nicht zahlen kann, könne dagegen Widerspruch einlegen, heißt es im Gesetzentwurf.

    Die Deutsche Energieagentur hat verschiedene Studien über die Wirtschaftlichkeit energetischer Sanierung herausgegeben. Bei selbst genutzten Wohngebäuden sei die Sache klar. Hier lohnten sich die Dämmung der Außenfassaden, der Einbau neuer Fenster und eine effizientere Heizung allemal, sagt Dena-Chef Stephan Kohler:

    "Bis zu 70 Prozent Energieeinsparung. Wir haben dabei den heutigen Ölpreis unterstellt, ungefähr acht Eurocent pro Kilowattstunde. Und wenn Sie energetisch sanieren, dann haben Sie Kosten von 7,7 Eurocent pro Kilowattstunde. Also: eine eindeutige Wirtschaftlichkeit. Das ist ein wichtiges Signal für den Markt. Und vor allem, was ein Vorteil ist: Wenn Sie ein Gebäude energetisch sanieren, dann kann der Ölpreis in Zukunft steigen, wohin er will."

    Bei Mietshäusern lassen sich solche eindeutigen Rechenbeispiele zugunsten der energetischen Sanierung nicht so leicht anwenden. Das weiß auch Dena-Chef Stephan Kohler.

    "Energieeffizienzmaßnahmen werden ja in mindestens 90 Prozent der Fälle im Rahmen einer Sowieso-Sanierung durchgeführt. Also Modernisierungsinvestitionen, neue Bäder usw. Und da haben wir dann häufig die Diskussionen, rechnet sich Energieeffizienz auch im Mietwohnungsbau oder nicht? Wenn man nur diese speziellen Kosten für die Energieeffizienzmaßnahmen umlegt, dann ist es auch wirtschaftlich."

    Auf der Baustelle in Wilmersdorf haben solche Fragen nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Hier nutzen die meisten Eigentümer ihre Wohnungen selbst – und nachdem schon vor Jahren die Vorderfassade und auch eine alte Brandwand energetisch saniert wurden, ist man von den Vorteilen überzeugt. Architekt Klaus Weltring:

    "Die Ausführung der Wärmedämmstärken ergibt sich ausschließlich aus den Vorgaben der Energieeinsparverordnung. Das heißt, wir müssen hier einen gewissen Wärmedurchgangskoeffizienten – kompliziertes Wort! – unterschreiten. Das wird vorher von uns errechnet. Wir werden hier mit einer Dämmung in einer Stärke von 14 Zentimetern arbeiten und somit voll in der EnEv drin liegen."

    EnEv ist die Abkürzung für Energieeinsparverordnung. Auch hier steht eine Novelle der bislang letzten Version aus dem Jahr 2009 an. Es ist die somit dritte politische Baustelle in Zusammenhang mit der energetischen Gebäudesanierung.

    In der Energieeinsparverordnung werden beispielsweise Dämmstärken für die Fassadensanierung genau festgelegt, Energieeffizienzstandards für Heizungsanlagen beschrieben oder auch spezifische Anforderungen an den Einbau neuer Fenster gestellt. Die Bundesregierung will die Öko-Vorschriften für Gebäude künftig verschärfen. Sie muss es auch, weil hier europäische Standards in nationales Recht umgesetzt werden.

    Im April drang ein erster Entwurf an die Öffentlichkeit, der wenig konkret war. Lediglich der Einbau dreifach verglaster Fenster für Neubauten wurde genannt, zudem eine bessere Isolierung von Kellergeschossdecken. Kritik kam unter anderem von Umweltverbänden wie dem Naturschutzbund Deutschland. Ulf Sieberg, der Energieexperte des Nabu vermisst vor allem strengere Vorgaben für den enormen Altbaubestand in Deutschland.

    "Die Bundesregierung schraubt zwar die Vorgaben für Fenster und Kellerdecken im Neubau etwas hoch, sie tut aber nichts am Gebäudebestand, der Gebäudebestand ist aber entscheidend, um die Klimaschutzziele zu erreichen."

    Der Entwurf für eine novellierte Energieeinsparverordnung kommt aus dem federführenden Bundesbauministerium. Er wurde von vielen Medien zitiert oder auch von einzelnen Verbänden kritisiert, danach passierte jedoch nicht mehr viel. Obwohl der ursprüngliche Zeitplan einen Gesetzentwurf für das erste Halbjahr 2012 vorsah. Das war voreilig – Peter Rathert ist Referatsleiter im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Er musste auf den Berliner Energietagen vor einer Woche folgenden Sachstand eingestehen.

    "Was im Moment auf dem Tisch liegt, ist eine Entwurfsfassung des Gesetzes und der Verordnung, die allerdings nicht resort-abgestimmt ist – so heißt das im Ministerien-Jargon. Das bedeutet, es ist noch kein Referenten-Entwurf. Ein solcher Entwurf ist es erst dann, wenn alle Ministerien zugestimmt haben und auch damit einverstanden sind, was die beiden hier federführenden Ministerien wollen. Und diesen Status haben wir derzeit noch nicht erreicht."

    Beteiligt sind neben dem Bundesbauministerium das Wirtschafts- und auch das Umweltministerium. Referatsleiter Peter Rathert geht nun davon aus, dass ein politisch abgestimmter, offizieller Entwurf für die Novelle der Energieeinsparverordnung erst im zweiten Halbjahr 2012 vorgelegt werden kann. Danach soll es eine Anhörung der beteiligten Verbände geben. Am Ende muss auch der Bundesrat zustimmen. Ob dieser politische Prozess noch vor Jahresende über die Bühne gehen wird, ist mehr als fraglich.

    Für den Naturschutzbund ist die zeitliche Verzögerung ärgerlich. Aus Klimaschutzgründen wünscht sich Nabu-Experte Ulf Sieberg zudem schärfere Vorgaben.

    "Auf der einen Seite müssen wir die Fördermittel erhöhen. Wir brauchen auch neue Finanzierungsinstrumente, insbesondere haushaltsunabhängige Finanzierungsinstrumente. Auf der anderen Seite sagen wir aber: Die Summen, die notwendig sind, um diese Sanierungsrate von ein auf zwei Prozent zu steigern, ist so gewaltig, dass wir dies allein mit Fördermitteln nicht erreichen. Und deshalb müssen wir Geld auch über private Investoren anreizen. Und das heißt nichts anderes, als die Anforderungen an das geltende Ordnungsrecht zu erhöhen."

    Eine Heranziehung des Ordnungsrechts bei der energetischen Sanierung hieße somit strengere Umweltauflagen, die von den Eigentümern einzuhalten oder umzusetzen wären. Baden-Württemberg beispielsweise hat dies bereits vor zwei Jahren vorexerziert.

    2010 wurden von der damaligen schwarz-gelben Koalition im Ländle alle Hausbesitzer verpflichtet, beim Austausch der Heizungsanlage verbindlich dafür zu sorgen, dass dann mindestens zehn Prozent des häuslichen Wärmebedarfs durch regenerative Energien, also etwa Solarthermie, gewonnen werden. Im Falle des Zuwiderhandelns wurde ein Bußgeld von 10.000 Euro angedroht. Für "Haus und Grund", den Dachverband der Haus- und Wohnungseigentümer, sind solche Maßnahmen indiskutabel. Präsident Rolf Kornemann.

    "Man muss bedenken, dass der überwiegende Teil der privaten Vermieter deutlich über 50 Jahre alt ist. Sie haben also nur noch eine begrenzte Lebenserwartung. Und wenn man diese jetzt zwangsweise verpflichtet, Investitionen zu tätigen, dann führt dies zur Enteignung des einzelnen Eigentümers. Das Ordnungsrecht ist das Schlechteste, was man machen kann. Man muss auf Freiwilligkeit und auf Anreize setzen. Und gerade das Bundesland Baden-Württemberg setzt ja auch auf den Zwang – und musste einen Rückgang bei der energetischen Sanierung um rund 60 Prozent hinnehmen."

    Dieser ordnungspolitische Zwang in Baden-Württemberg habe dazu geführt, so Kornemann, dass die meisten Hausbesitzer ihre Heizung nicht auswechselten, sondern reparieren ließen. Für den Klimaschutz sozusagen ein Eigentor.

    Auch Klaus Weltring, der Berliner Architekt, sieht Grenzen bei der energetischen Sanierung. So wurden beispielsweise die Vorgaben für die Außendämmung durch die jeweiligen Novellen der Energieeinsparverordnung schon öfter verschärft.

    "Die eigentlichen Wärmedämmmaßnahmen sind irgendwann auch an einem Punkt angelangt, wo ich mit Wärmedämmung keine zusätzliche Einsparung mehr erzielen kann. Ab einem gewissen Faktor wird die Kurve zwischen Energieeinsparung und der Wärmedämmstärke nach hinten ganz flach. Das fängt so bei ca. 20 Zentimetern Wärmedämmung an, wo jeder zusätzliche Zentimeter nur noch einen Bruchteil an Verbesserungen bringt."

    Somit sei die jeweilige Dämmstärke nicht unbedingt ein Garant für Erfolge beim Energiesparen und damit beim Klimaschutz, sagt Weltring. Wichtig sei es jedoch, dass irgendwann alle Gebäude generell über eine Dämmung verfügten.

    Der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier hat heute in Berlin die Grundzüge seiner künftigen Arbeit skizziert. Zur Großbaustelle der Energiewende gehört ohne Zweifel auch der Bereich der energetischen Gebäudesanierung. Der Schlüssel zum Erfolg umfasst hier allerdings das Abräumen einiger kleinerer Baustellen. Es muss über eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Fördertöpfe ebenso nachgedacht werden, wie über steuerliche Anreize; es geht um eine gerechte Mietrechtsreform und auch um eine schnellere Umsetzung der Novelle zur Energieeinsparverordnung. Schließlich soll das ehrgeizige Klimaschutzziel der Bundesregierung eingehalten werden, das da lautet, dass bis 2020 20 Prozent der Energie im Gebäudebereich eingespart werden müssen.

    Mehr zum Thema bei dradio.de:

    Im Grunde erwarten alle Beteiligten von der Politik mehr Tempo. In Berlin-Wilmersdorf soll die Fassadensanierung spätestens im Juli abgeschlossen sein. Die wichtigen politischen Entscheidungen zur Zukunft der Gebäudesanierung in Deutschland werden etwas länger auf sich warten lassen.