Freitag, 17. Mai 2024

Saudi-Arabien
Investigativ-Journalist: „Die internationale Gemeinschaft hat sich mit dem Mord an Khashoggi leider abgefunden“

Vor fünf Jahren wurde der regimekritische saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi ermordet. Das saudische Regime bestreitet jede Verantwortung. Inzwischen ist es wieder zu einem wichtigen Handelspartner geworden - auch für Deutschland.

01.10.2023
    Jamal Kashoggi (r.) und Mohammed bin Salman, Bild einer Szene aus dem Film "The Dissident"
    Der Journalist Jamal Kashoggi (r.) war lang eine Art Berater für den saudischen Staat, hier mit Kronprinz Mohammed bin Salman (picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited)
    Der Investigativ-Journalist Bastian Obermayer sagte im Deutschlandfunk, man werde die Verantwortlichen nicht zur Verantwortung ziehen, denn dies betreffe vermutlich das Staatsoberhaupt selbst. In autoritären Ländern wie Saudi-Arabien würde sich niemand trauen, so eine prominente Figur wie Jamal Khashoggi einfach zu ermorden, ohne dass dies nicht vorher nach ganz oben gespielt worden sei. Dies könnten sich auch die meisten Experten nicht vorstellen, betonte Obermayer.

    Obermayer: „Der Mord an Khashoggi hat sich für die Saudis leider rentiert.“

    Da die Recherchen des ermordeten Khashoggi nicht weitergeführt worden seien, habe der Umgang mit ihm für den Machthaber von Saudi-Arabien leider eine Art Sinn ergeben, konstatierte der Co-Autor des Panama-Papers-Teams. Kashoggi habe mehr kommentiert als investigative Recherchen zu betreiben. Er sei eine sehr prominente und unangenehme Stimme gewesen, so Obermayer. An Khashoggis Stelle sei niemand mehr nachgerückt - aus gutem Grund. Denn jeder wisse, was ihm drohe, wenn er sich auf diesen Weg begebe. Die internationale Gemeinschaft habe sich damit abgefunden und fast jedes Land habe zu einer neuen Realität mit Saudi-Arabien gefunden, kritisiert Obermayer. Es habe sich leider für die Saudis rentiert.
    Khashoggi hatte Anfang Oktober 2018 das saudische Konsulat in Istanbul aufgesucht, um Dokumente für die Heirat mit seiner türkischen Verlobten abzuholen. Später räumte die Führung in Riad unter internationalem Druck ein, dass Khashoggi im Konsulat bei einem schiefgelaufenen Versuch getötet worden sei, ihn in seine Heimat zurückzubringen. Die CIA kam später zu dem Schluss, dass er auf Befehl des Kronprinzen Mohammed bin Salman ermordet und zerstückelt worden sei. Khashoggi hatte im US-Exil als Kolumnist für die „Washington Post“ gearbeitet und kritische Texte über die saudische Königsfamilie geschrieben.

    Gefahrenlage für Journalisten weltweit verschärft

    Für investigative Journalisten sei die Welt gefährlicher geworden, sagt Obermayer. Früher seien Rechercheure in Ländern wie Russland, Aserbaidschan und Mexiko in höchster Gefahr gewesen; in Ländern, deren Regime sich keinen unabhängigen Journalismus erlauben wollten. Mittlerweile sei dies nicht mehr nur auf diese Staaten beschränkt. Inzwischen griffen beispielsweise auch mitten in der Europäischen Union Geschäftsleute zu brutalen Methoden, um Recherchen gegen sie zu stoppen. Dies geschehe nicht jeden Tag, aber die Drohung sei präsent genug, um bestimmte Kolleginnen und Kollegen abzuschrecken, stellte Obermayer fest. Es gebe Fälle, wo Leute sagen: "Ich habe jetzt Kinder, ich will das nicht weitermachen, weil ich gesehen habe, was passieren kann".