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Investigativer Journalismus
Die unsichere Kommunikation mit anonymen Quellen

Lux-Leaks, Panama-Papers und Football-Leaks waren Paradebeispiele für guten investigativen Journalismus. Viele der brisanten Informationen kamen aus anonymen Quellen. Immer mehr Redaktionen setzten daher auf das Prinzip eines digitalen "anonymen Briefkastens". Doch wie sicher ist diese Form der Kommunikation?

Von Christopher Ophoven | 27.03.2019
Ein Mann sitzt in einem dunklen Raum vor einem hell erleuchtenden Monitor.
Wie können Journalistinnen und Journalisten sicher mit anonymen Quellen kommunizieren? (EyeEm / shabab)
"Die elektronischen Möglichkeiten für eine Kontaktaufnahme auch anonym mit einer Redaktion, wie eben 'BamS'-Leaks, das gehört schon zu einer journalistischen Grundausstattung", sagt Lars Petersen.
Er ist Redakteur im Investigativ-Team bei der "Bild am Sonntag". Unter dem Facebook- und dem Twitteraccount @BamsLeaks werben er und seine Kollegen dafür, dass Informanten ihnen Dokumente zuspielen.
Sie setzen dabei auf das Prinzip des anonymen Briefkastens, und das funktioniert so: Ein Informant lädt auf dieser Plattform mehr oder weniger brisante Daten hoch, im Idealfall weiß aber am Ende niemand, von wem die Daten kommen - und sie werden auch nur verschlüsselt gespeichert.
Anonymer Briefkasten mit Sicherheitslücken
"Bild am Sonntag" nutzt dafür Wetransfer, eine Plattform, auf der jeder für jeden große Datenmengen hochladen kann. Allerdings hat Wetransfer einige Schwächen, und das ist auch kein Geheimnis, sagen IT-Sicherheitsexperten wie Chris Wojzechowski.
Er hat bis vor kurzem am Institut für Internetsicherheit an der Fachhochschule Gelsenkirchen gearbeitet und sich nun mit Partnern selbstständig gemacht.
"Diese Daten werden eben nicht verschlüsselt, was in vielen Bereichen mittlerweile zur Selbstverständlichkeit gehört."
Jeder, der also an die Daten kommt, etwa indem er eine Mail mit dem Link abfängt, weiß also auch was drinsteht. Was direkt zum nächsten Problem führt: Die Server stehen in den USA, und dort haben auch die amerikanischen Sicherheitsbehörden Zugriff auf diese Daten, und die teilen sie mit den Diensten anderer Staaten.
Anonyme Tipps als wichtige Informationsquelle
Den anonymen Briefkasten der "Bild am Sonntag" sieht Chris Wojzechowski deshalb kritisch.
"Also das ist kein Dienst, der für diese Zielgruppe erschaffen wurde. Da gibt es andere Dienste, die nur so viele Daten speichern wie nötig und so wenig wie möglich."
Solche Dienste nutzt sogar das Schwesterblatt der "Bild am Sonntag", die "Bild". Viele Redaktionen setzen auf Securedrop, eine Plattform, die speziell für solche Anwendungen programmiert wurde. So ist Securedrop beim britischen "Guardian", der "Washington Post" und auch bei der "Süddeutschen Zeitung" im Einsatz, und dort sind die Erfahrungen positiv, sagt "SZ"-Investigativ-Redakteur Frederik Obermaier.
"Wir merken, dass immer häufiger unsere Leser und Informanten auf diese Möglichkeit zurückgreifen. Also bei uns schlagen mittlerweile fast jeden Tag Tipps und auch Dokumente auf, die zu uns über Securedrop kommen."
"Man sollte solche Briefkästen auch nicht überbewerten. Für uns ist das eine gute Ergänzung, da kriegen wir so ein bis zweimal im Monat Informationen, die dann aber auch unterschiedlicher Qualität sind", sagt hingegen Lars Petersen von der "Bild am Sonntag".
Anonyme Tipps vs. persönlicher Kontakt
Die gegenläufigen Erfahrungen haben wohl verschiedene Gründe. Die "SZ" hat sich in den vergangenen Jahren mit vielen Veröffentlichungen einen Namen gemacht und gilt als zuverlässig. Und dann ist da ja noch die genutzte Technik bei der "Bild am Sonntag", die nicht als sicher gilt und möglicherweise Whistleblower abschreckt. Für Lars Petersen ist der persönliche Kontakt aber ohnehin wichtiger.
"Wenn jemand ein Interesse hat, eine wirkliche sehr, sehr brisante Information uns zuzuspielen, dann funktioniert das erfahrungsgemäß eben nicht digital. Und ich glaube auch, dass diese Briefkästen dann am Ende nicht den Nutzen haben, sondern ich glaube, das geht ganz klassisch."
Er und seine Kollegen haben anscheinend noch gewisse Vorbehalte gegenüber der digitalen Kommunikation, wenn es um investigative Recherchen geht.
"Ich kann jedenfalls nur für uns sagen, dass wir das beste tun, um unsere Informanten zu schützen, wir aber selbstverständlich das relativ schnell auch versuchen, weg aus dem digitalen Bereich zu ziehen, sondern wirklich in diese Mensch-zu-Mensch-Verbindung auch reinzuziehen, weil ich glaube, das ist das einzige, was wirklich schützt."
Frederik Obermaier von der Süddeutschen Zeitung sieht das anders.
"Es ist zum Beispiel bei den Panama Papers so, dass der Whistleblower, der dahintersteckt, den kenne ich bis heute nicht und ich glaube auch, dass das gut ist. So sehr ich auch persönlich neugierig bin, wer dahintersteckt. Aber professionell gesehen muss ich sagen, das ist gut so, dass ich das nicht weiß, weil niemand kann mich nun dazu zwingen, dass ich diese Identität herausgebe, weil ich es schlichtweg nicht weiß, und ich denke, das ist eine sehr, sehr gute Sicherheitsvorkehrung."