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Investmentfonds im Fußball
Offene Rechnungen

Anonyme Aktivisten haben im Netz Verträge und Kontoauszüge eines Investmentfonds veröffentlicht, die zeigen, wie stark der Einfluss der Millionen aus dem Sektor der sogenannten Third Party Ownership ist. Sie nennen sich Football Leaks und knüpfen an die Whistleblower-Tradition aus der internationalen Politik an.

Von Jürgen Kalwa |
    Neymar jubelt.
    Brasiliens Weltklassestürmer Neymar bei der Fußball-WM 2014. (picture-alliance / dpa )
    Ob Blackjack oder Roulette im Casino, Sportwetten im Internet oder an der Pferderennbahn oder Spekulation an der Börse – überall in den kapitalistischen Geldkreisläufen sitzen Menschen, die Geld haben, die mehr daraus machen wollen und hoffen, dass sie für ihren Einsatz mehr als reichlich belohnt werden.
    Auch im Fußball. Wie das funktioniert, wenn sich sogenannte "Third Party Ownership" breit macht, zeigt eine Flut von geheimen Dokumenten, die eine anonyme Gruppe von Aktivisten ins Internet gestellt hat. "Football Leaks" – das Gegenstück von WikiLeaks – sorgt hinter den Kulissen für erhebliche Unruhe. Und das auch, weil die theoretisch inzwischen von der FIFA verbotene Verwicklung von Investmentfonds in das Transfergeschäft offensichtlich in einigen Teilen der Welt immer noch weitergeht.
    Es ist für ein junges Fußballtalent nicht besonders schwer, seine Prioritäten zu formulieren. Die Gebetsmühle geht immer ungefähr so: "Ich will meinen Fußball spielen, als Persönlichkeit weiter wachsen, meine Mannschaftskameraden unterstützen und immer gewinnen. Das ist es, was ich möchte."
    Viel Geld für die Familie von Neymar
    Das sagte der Brasilianer Neymar vor ein paar Wochen in einem Videointerview auf der Webseite des FC Barcelona und überspielte die ganze Zeit ein delikates Problem. Eigentlich wollte ihn der Club schon vor Monaten für viele weitere Jahre binden. Aber die Verhandlungen sind offensichtlich zäh und werden von allerlei unangenehmen Begleitumständen überschattet.
    Nicht nur sucht der 23-jährige aus Furcht vor dem Finanzamt in seiner Heimat nach Lösungen, um soviel vom Brutto behalten zu können wie möglich. Es findet wohl auch ein Tauziehen um die Ablösesumme statt. Eine Facette des Geschäfts, die zunehmend von Bedeutung ist. Und ein Kanal, über den seine Familie beim Wechsel nach Europa im ganz großen Stil Geld verdiente.
    Anfang Dezember kam noch etwas mehr Sand ins Getriebe. Da wurde die Rolle eines Geschäftspartners bekannt, der sich um Neymars Vermarktung kümmert. Und zwar en detail. Denn da veröffentlichte eine geheimnisvolle Gruppe genannt "Football Leaks" im Internet eine Kopie des Vertrags von Neymar mit einer in Malta ansässigen Firma namens Doyen Sports.
    Bankabrechnung aus Liechtenstein
    Die Enthüllung ist harmlos im Vergleich zu dem, was "Football Leaks" seither sonst noch an Dokumenten aus den Archiven von Doyen, einem auf den Fußball spezialisierten Investmentfonds, publiziert hat. Zu den Unterlagen gehörte unter anderem eine detaillierte Bankabrechnung aus Liechtenstein. Der Gesamteindruck: Doyen Sports hat in vielen Dingen im internationalen Fußball seine Finger recht tief im Spiel.
    Ein Aspekt ist ganz besonders heikel. Auch wenn Firmenchef Nélio Lucas neulich auf einer Sportmanagementkonferenz in Spanien so tat, als sei seine Rolle gut für den Fußball. Doyen kassiert am liebsten beim Spieler-Transfer, ein Modell von Geben und Nehmen, das man auch in Deutschland mit dem englischen Begriff "Third Party Ownership" bezeichnet.
    "Was braucht man im Fußball? Eine faire Verteilung der Einnahmen, einen fairen Wettbwerb. Chancengleichheit. Professionalität. Transparenz. Strikte Regeln. Und alternative Quellen für finanzielle Mittel, um die Abständen zwischen armen und reichen Clubs zu verringern."
    Ermittlungen gegen die Enthüller
    Das mit der Transparenz und den Regeln gilt aber offensichtlich nur für andere. Als "Football Leaks" begann, Dokumente über die Zusammenarbeit von Doyen Sports mit Clubs in Portugal, England, Spanien, Frankreich, Luxemburg und Monaco zu publizieren, wandte sich ein Betroffener – Sporting Lissabon – an die Polizei. In Behördenkreisen in Portugal betrachtet man die Indiskretionen nicht als Dienst an der Öffentlichkeit, sondern als das Treiben einer "internationalen kriminellen Organisation". Nicht die Geschäfte sind bedenklich, sondern die Enthüllungen über sie.
    Dabei sind die Ungereimtheiten ganz beachtlich, wie sich am Fall des einst vom Geld von Doyen aufgepumpten, aber nun darbenden FC Twente zeigt. Der holländische Fußballverband will nun die Ungereimtheiten aufklären.
    Komplettes Transfersystem kippen
    Erstaunlich gelassen gibt sich bislang die in den Niederlanden ansässige internationale Spielergewerkschaft FIFpro. Für die ist zunächst mal von Belang, dass die FIFA die Eingriffsmöglichkeiten von Financier der Sorte Doyen per Dekret gestoppt hat. So sagte ihr Sprecher Alex Duff in dieser Woche am Telefon:
    "Es verstößt nicht gegen Gesetze. Das sind keine Verbrecher. Und in den letzten fünf Jahren bewegte sich diese Form des Zockens innerhalb der Regeln. Aber es sollte gesetzlich verboten sein. Denn ein Spieler verliert die Autonomie über sein Berufsleben. Er wird von anderen Kräften beeinflusst."
    Weshalb die Gewerkschaft seit langem an einer Strategie arbeitet, das komplette Transfer-System zu kippen, das im Prinzip Ende des 19. Jahrhunderts in Großbritannien entwickelt wurde. Denn klar ist schon lange: Es funktioniert nicht. Seine Umverteilung folgt klassischen kapitalistischen Trends: Es macht die Reichen reicher und die Armen ärmer.