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"Iphigenie auf Tauris" nach Euripides in Thessaloniki
Aktueller Kommentar zur Krise im Land?

Von Marianthi Milona |
    "Dieses Stück also zu einer Zeit, wo Misstrauen herrscht, wo Gegensätze zum Normalzustand ausarten, ebenso die Negierung von allem, was uns angeboten wird und anders ist. In diesem Sinne hat das Schauspielensemble, das den Chor spielt, sich die Haare vom Kopf rasiert, als Zeichen dafür, dass es bereit ist. Bereit zur Metamorphose, zur Erneuerung. Dieser künstlerische Akt hat mich sehr berührt", erklärt Jiannis Vouras, künstlerischer Leiter des Nationaltheaters in Thessaloniki.
    In einer Neuinszenierung von Euripides Iphigenie im bekannten "Theatro Dasus", wird die Geschichte der mykenischen Königstochter wieder einmal neu erzählt. Iphigenie, die zwar von ihrem Vater Agamemnon geopfert wird, aber auf wundersame Weise überlebt und von ihrem Bruder Orest wiedergefunden und gerettet wird.
    Regisseur Moshopoulos Version der Iphigenie ist modern inszeniert und der Gesang des Chors klingt mittelalterlich klerikal. Eine Anspielung auf das Ansehen, dass Euripides Drama im Westen genossen hat. Ein Stück, das Hoffnung macht, bei dem es aber vor allem um Solidarität und gegenseitigen Respekt geht.
    Ein ungewöhnliches klassisches Drama, das am Ende eben nicht den Regeln des antiken Theaters entspricht. Regisseur Thomas Moshopoulos ist überzeugt, darin liegt Euripides eigentliches Kunstwerk.
    "Euripides hat seine Iphigenie in einer Zeit der großen Krise geschrieben, inmitten des peloponnesischen Krieges. Er wollte damit den Athenern Hoffnung machen. Sie dazu auffordern zur Logik zurückkehren und Friedensbereitschaft zu zeigen. Die Athener haben nicht auf ihn gehört. Hoffentlich machen wir es anders. Zumindest wird uns die Möglichkeit gegeben, es noch mal zu probieren."
    Natürlich darf Theater Kritik üben und sich politisch einmischen, meint Amalia Mutousi. Wenn Angst vor allem Fremden herrscht, wenn es kein Vertrauen mehr gibt, sondern nur noch Wut, dann muss der Mensch daran erinnert werden, worauf es wirklich ankommt. Zum Beispiel, dass man etwas zurückbekommt, wenn man gibt. Amalia Mutousi.
    "Das symbolisiert für mich heute die Iphigenie, die ganz und gar nicht heroisch, sondern eher normal, menschlich und logisch ist. Sie, die ihr ganzes Leben lang wünscht, gerettet zu werden, sie ist diejenige, die am Ende rettet und deshalb gerettet wird. Das ist die Botschaft: Iphigenie wird gerettet, weil sie rettet."
    Auch die Griechen müssten endlich ihre Angst vor anderen überwinden. Aufeinander zugehen, gegenseitiges Zuhören, nur so kann der Frieden wiederhergestellt werden. Regisseur Thomas Moshopoulos:
    "Der Fremde heißt hier nicht der Ausländer, sondern der, der dir gegenübersteht. Dieses Drama hat mit Verbundenheit zu tun. Geschichte wiederholt sich doch. Aber so weit, so gut. 'Schritt für Schritt', so spricht der Chor gegen Ende des Stücks. Will heißen: Lasst uns nicht alles so ernst nehmen und wieder von vorne beginnen."