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IPS-Zellen heilen Sichelzell-Anämie

Medizin. - Das Akronym IPS steht für Induzierte Pluripotente Stammzellen und dürfte unter Gen-Forschern eines der Schlagworte dieses Jahres sein, handelt es sich doch um vielseitige Stammzellen, die aus verjüngten Körperzellen gewonnen wurden. Jetzt wurden Mäuse mit Sichelzellanämie erfolgreich mit den Zellen therapiert.

Von Michael Lange |
    Die Sichelzellanämie ist eine vererbbare Krankheit. Vor allem in Regionen, in denen Malaria vorkommt, ist sie weit verbreitet. Die roten Blutkörperchen der Betroffenen bilden eine veränderte Form des Blutfarbstoffs Hämoglobin. Wissenschaftler der Universität von Alabama in Birmingham, USA, haben Mäuse so manipuliert, dass sie die gleiche Genveränderung besitzen und ein ähnliches Krankheitsbild zeigen wie Sichelzellanämie-Patienten. Dann haben sie diese Sichelzell-Mäuse mit Zellen aus ihrer eigenen Schwanzspitze behandelt. So der Leiter der Arbeitsgruppe Tim Townes:

    "Wir haben Bindegewebszellen aus der Haut der Mäuse so verändert, dass aus ihnen IPS-Zellen wurden: Induzierte Pluripotente Stammzellen. Das gelang mit Hilfe von vier Faktoren, die der japanische Wissenschaftler Shinya Yamanaka erstmals beschrieben hat."

    Da die Mäuse das menschliche Gen in sich trugen, das die Sichelzellanämie verursacht, musste dieses Gen in den IPS-Zellen verändert werden. Die Zelltherapie war also gleichzeitig eine Gentherapie.

    "Wir korrigierten die Sichelzell-Mutation, indem wir das krankmachende Gen durch ein gesundes Gen ersetzten. Die so manipulierten IPS-Zellen verwandelten wir anschließend in Blutstammzellen, wie sie im Knochenmark vorkommen. Dann konnten wir sie in die kranken Tiere transplantieren."

    Die Sichelzell-Mäuse erhielten eine Bestrahlung, um die defekten Blutstammzellen in ihrem Körper zu zerstören. Dann konnten die korrigierten IPS-Zellen das Blut der Tiere neu aufbauen. Diesmal mit gesunden roten Blutkörperchen.

    "Die Mäuse wurden vollständig geheilt mit ihren eigenen Zellen. Für das Immunsystem der Tiere waren diese Zellen nicht von ihren alten Blutzellen zu unterscheiden. Wenn dieses Verfahren in der Medizin zum Einsatz kommt, können wir zukünftig auf starke Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, verzichten."

    Heute werden Sichelzell-Patienten mit fremden Blutstammzellen behandelt. Dazu muss das Immunsystem der Empfänger unterdrückt werden. Der schnelle Erfolg der IPS-Zellen im Tierversuch macht Hoffnung auf ein Heilverfahren mit weniger Nebenwirkungen. Schon bald sollen die Zellen außerdem an weiteren Tiermodellen erprobt werden. Das bestätigt auch Rudolf Jänisch vom Whitehead Institute in Boston. Er und seine Arbeitsgruppe lieferten das IPS-Knowhow für die Sichelzell-Experimente.

    "Das scheint ein sehr robustes System zu sein, das sehr gut funktioniert. Das funktioniert beim Menschen offensichtlich jetzt ebenfalls wie bei Tieren. Und ich glaube, das ist ein Gebiet, das atemberaubend schnell voran geht."

    Bevor allerdings der Schritt zur ersten Studie mit Menschen gewagt werden kann, gilt es eine noch eine große Hürde zu überwinden: Die Gen-Fähren, die zur Manipulation der Zellen eingesetzt werden, müssen ersetzt werden. Die heute verwendeten Retroviren stellen ein Krebsrisiko da, das für die Behandlung von Patienten nicht akzeptabel ist, so Rudolf Jänisch:

    "Die Retroviren bringen diese vier Gene in die Zellen, und wir müssen jetzt verstehen, was genau die Signalwege sind, die durch diese Gene aktiviert werden. Die Mechanismen des Reprogrammierens müssen wir klären. Und wenn man das weiß, wenn man diese Mechanismen kennt, dann wird man die Retroviren ersetzen können."

    Die Hoffnung der Wissenschaftler ist groß, dass sie auch diese Hürde schnell nehmen können. Wohl wissend, dass bei Gentherapie-Studien dieses so genannte Vektoren-Problem seit über zehn Jahren den medizinischen Fortschritt bremst.