
Abdel Aziz Ahmed steht vor seiner Unterkunft im Flüchtlingslager von Dibaga, nur wenige Kilometer vor Mossul. Sein beigefarbener Bungalow aus Fertigbauelementen ist nicht größer als ein Wohnmobil. Links und rechts, gut einen Kilometer weit, sind ähnliche Behausungen aufgebaut. Der sehnige Mann Ende dreißig, trägt einen grau melierten Schnurrbart und das traditionelle lange Dischdascha-Gewand der hiesigen Araber.
"Der Feind versucht, uns mit vielen Mitteln aufzuhalten, mit Minen, Sprengstofffallen in Häusern, Selbstmordattentätern in Autos, Verstecke in Tunnels. Aber die irakische Armee kennt diese Tricks und weiß, wie man dagegen vorgeht. Deshalb konnten wir die Gegend befreien und jetzt weht die irakische Flagge dort."
Allein, räumt der General ein, allein könne die Armee Mossul allerdings nicht einnehmen:
"Wir stellen zwar das Hauptkontingent. Mit dabei sind außerdem die Milizen verbündeter Sunnitenstämme und die Kräfte der internationalen Alliierten. Die USA unterstützen uns mit Kampfjets."
Was General Firdus Baschar nicht erwähnt, ist: Aufseiten der irakischen Armee kämpfen noch weitere Verbündete. Schiitische Milizen, die aus anderen Teilen des Landes hierher gekommen sind. "Es gibt keinen Gott außer Gott und Amerika ist Gottes Feind." Parolen wie diese gehören seit Langem zum Repertoire der populären irakischen Schiitenprediger und ihrer Kampfverbände. Etwa der Badr-Brigaden, gegründet noch während der Diktatur Saddam Husseins, damals vom Iran bewaffnet und ausgebildet.
"Unser Hauptziel ist der Kampf gegen den IS. Egal, wer gegen den IS kämpft, mit dem verbünden wir uns."
Versucht der Iran im Windschatten der Anti-IS-Allianz, seinen Einfluss auszudehnen auf die Gebiete, die bislang als klassische kurdische und sunnitische Gebiete galten? Milizenchef Haydar weist solche Überlegungen zurück:
"Sehen Sie sich unsere Waffen an. Sie sind bei Weitem nicht so schlagkräftig, wie wir uns das wünschen. Daran allein sehen Sie, dass uns niemand aus dem Ausland unterstützt. Wir haben weder etwas mit der Türkei zu tun noch mit dem Iran."
Auf viele der sunnitischen Binnenflüchtlinge im Lager von Dibaga wirken Männer wie Haydar allerdings wie Besatzer:
"Die einzelnen Gruppen dieser Freiwilligen, die al Sadr-Organisation, die Badr-Brigaden, sie alle sind mit dem Iran verbündet. Mein Bruder wurde schon von den Schiitenmilizen festgenommen und bis heute fehlt von ihm jede Spur."
"Egal, wer uns befreit, Hauptsache er befreit uns. Nur sollten die Befreier keine Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten machen. Zur Zeit dauert es etwa einen Monat, bevor ein einziges Dorf vom IS zurückerobert werden kann. Ein Monat für 150 Häuser! Wenn das in diesem Tempo weitergeht, dauert es noch Jahre, bis Mossul erobert ist."
Und das dürfte wohl kein Zufall sein. Kurdischen Peschmerga, irakischer Armee, Schiitenmilizen, USA, allen Beteiligten ist klar: Keiner kann die Stadt allein erobern. Aber allen ist genauso klar: Sobald die Stadt erobert ist, bricht der Konflikt zwischen den Siegern endgültig in voller Härte aus. So lange der IS noch in Mossul regiert, bleibt eine Schonfrist, um sich auf die nächste große Herausforderung vorzubereiten: den Krieg nach dem Krieg.