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Irak
Die geplante Mauer und ihre Wirkung

Widersprüchlich sind die Informationen, die in der irakischen Hauptstadt die Runde machen: Ein Wall rund um Bagdad, ausgestattet mit Wachtürmen, Spürhunden und Kameras. Diese Vorstellung löst bei vielen Irakern Ängste aus. Sie fürchten eine Separierung der Hauptstadt und dass das Land auseinander bricht. Andererseits ist auch die Rede von einer Stabilisierung befreiter Gebiete.

Von Susanne El Khafif |
    Polizisten regeln den Verkehr in Bagdad
    Straßenszene in Bagdad. Was könnte eine Mauer mit der irakischen Hauptstadt machen? (picture alliance / dpa / Mohammed Jalil)
    Tatsächlich sind die Arbeiten am Wall mittlerweile aufgenommen worden, seit dem 1. Februar wird gebaut - trotz der Kritik, die nicht verstummen will. Sie kommt vor allem aus den Reihen sunnitischer Iraker. Sie fürchten, dass die schiitisch dominierte Regierung Fakten schaffen will. Der Wall, so heißt es, werde die Stadt von ihrem Umland abtrennen. Sollte der Irak dann endgültig auseinanderbrechen, werde Bagdad dem schiitischen Süden zugeschlagen.
    In diesen Tagen scheint sich jedoch der Pragmatismus durchzusetzen. Ahmad Berwari, Leiter der Europaabteilung im Irakischen Außenministerium, sagt, die Baumaßnahmen sollten nur Teile des äußeren Stadtringes betreffen. Und sie dienten ausschließlich dem Schutz ihrer Bewohner. Ahmad Berwari ist irakischer Kurde. Er hat in Deutschland studiert:
    "Diese Mauer ist keine Mauer an sich, sondern das sind Anhebungen, um bestimmten Fahrzeugen in Gebieten ein Hindernis zu sein, um in die Stadt einzutreten, vor allem in bestimmten Teilen Bagdads, die nicht so weit sind von Gebieten, die wir als unsicher bezeichnen."
    Berwari meint damit jene Gebiete, die nördlich und nordwestlich der Hauptstadt liegen. Hier wohnen überwiegend Sunniten. Hier breitet sich seit Juni 2014 die Terrororganisation IS aus. Sie brachte weite Landstriche in ihre Gewalt, schlug die Gebiete dann ihrem selbsterklärten Staatsgebilde zu.
    40 Prozent der Gebiete sollen mittlerweile vom IS befreit sein
    Auch wichtige Städte wie Mosul und Falludscha sind besetzt - und Falludscha ist nur 60 Kilometer von Bagdad entfernt. Vieles könnte also tatsächlich darauf hinweisen, dass Berwaris Auskünfte zutreffen. Gestützt wird die Annahme durch die Tatsache, dass der IS Bagdad gerade in diesen Tagen vermehrt mit Anschlägen überzieht. Die Zahl der Opfer ist ungewöhnlich hoch, vor allem Zivilisten werden getötet. Der IS spricht von Vergeltungsmaßnahmen für den Verlust der Gebiete, die die irakische Regierung und mit ihr die von den USA geführte Anti-IS-Koalition seit etwa einem Jahr zurückerobern. Immerhin 40 Prozent der Gebiete sollen mittlerweile vom IS befreit sein, oder von "ISIS", wie sich die Terrororganisation vorher nannte.
    "Wenn ISIS besiegt wird und diese Gebiete verlässt, dann hinterlässt sie nur Trümmer. Und um die Menschen, die aus diesen Gebieten geflüchtet sind oder vertrieben wurden, die Möglichkeit zu geben, zurückzukehren, wir müssen als Regierung mithilfe unserer Freunde zumindest die minimale Infrastruktur anbieten, damit diese Leute zurückkehren."
    Die irakische Regierung tut das zusammen mit den Vereinten Nationen – im Rahmen eines sogenannten Stabilisierungsprogramms. Deutschland kommt dabei eine besondere Rolle zu. Es hat den Co-Vorsitz der AG Stabilisierung übernommen, dem Organ, das die Koordination und Umsetzung des Programms steuert. Und es gibt erste Erfolge. Die Stadt Tikrit, die Stadt von Ex-Diktator Saddam Hussein, wurde vor etwa einem Jahr vom IS zurückerobert. Tikrit ist heute zu 95 Prozent wiederbesiedelt. Die Stadt wird mit Wasser und Strom versorgt. Hilfsgelder kurbeln die Wirtschaft an. Viele Handwerksbetriebe haben infolge ihre Arbeit wieder aufgenommen, Geschäfte sind geöffnet. Auch ein Teil der Schulen und Gebäude der Universität wurden instand gesetzt. Mittlerweile sind in Tikrit fast 20.000 Studenten registriert.
    Praktische Gründe sprechen gegen einen Zerfall des Irak
    Eine Hauptstadt, die ein Wall vor Anschlägen schützen soll und Gebiete, die bereits stabilisiert wurden – beides spricht aus Sicht von Ahmad Berwari dafür, dass der Irak nicht auseinander bricht. Der Leiter der Europa-Abteilung im irakischen Außenministerium glaubt, dass sich die Menschen dem Irak zugehörig fühlen. Darüber hinaus gebe es praktische Gründe, die gegen einen Zerfall sprächen:
    "Sie wissen, dass 20 bis 30 Prozent der muslimischen irakischen Familien gemischte Familien sind, sunnitisch-schiitische Familien. Zwar gibt es Differenzen, aber wenn Sie in einer Gesellschaft 20 bis 30 Prozent gemischte Familien haben, da ist es nicht möglich, vor allem Familien sind gemischt, die in Gebieten leben, wo beide Communities leben, zum Beispiel in Bagdad, in Mosul, in Basra und woanders."
    Berwari ist dennoch Realist. Er sieht die großen Probleme, mit denen die Regierung konfrontiert ist: Der IS ist ein mächtiger Gegner. Der niedrige Ölpreis reduziert die Einnahmen des Staates auf dramatische Weise. Und: Behörden wie Regierungsapparat müssen dringend reformiert werden. Gelingt es der Regierung nicht, die Probleme zu lösen, steigt das Risiko, dass doch eintritt, was viele befürchten: Der Zerfall des Irak.