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Irak-Resolution der Vereinten Nationen

Peter Lange: Es ist ein leises Ja mit einem lauten Nein und einem lauten Aber. Deutschland hat also wie Frankreich und Russland im Weltsicherheitsrat der neuen Irak-Resolution zugestimmt, allerdings mit einer großen Fußnote. Unsere Vorstellungen sind zu einem wesentlichen Teil nicht berücksichtigt worden, deshalb werden wir uns militärisch gar nicht und finanziell nicht stärker beteiligen. Was bedeutet diese neue Resolution für den Irak, für die UNO, für die USA und für das transatlantische Verhältnis? Am Telefon ist Hans-Ulrich Klose, SPD, er ist im Bundestag stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Herr Klose, was ist diese Resolution nun wert? Ist das viel mehr als nur ein Placebo, mit dem George Bush nun das Gesicht wahren kann?

    Hans-Ulrich Klose: Also zunächst einmal ist bemerkenswert, dass diese neue Entschließung einstimmig verabschiedet worden ist. Zwar haben, wie Sie eben gesagt haben, drei Länder ein Aber hinzugefügt, das ändert aber nichts daran, dass sie zugestimmt haben. Das ist ein wichtiger Punkt, und den darf man nicht klein reden. Zum zweiten glaube ich, dass die USA für ihre Position einen erheblichen Fortschritt erzielt haben, weil die Soldaten, die gegenwärtig im Irak unter amerikanischer Führung sind, nunmehr Teil einer internationalen Truppe sind, und zum anderen weil der UNO-Sicherheitsrat festgestellt hat, dass die Attacken, die Gewalttätigkeiten, die im Irak stattfinden, eine Bedrohung des Weltfriedens darstellen.

    Lange: Aber alle Reaktionen von Russland, Deutschland und Frankreich, zusammengefasst, hörte es sich an wie "wir stimmen jetzt um des lieben Friedens willen zu, auch damit der Sicherheitsrat zusammenbleibt, aber in der Sache bleiben wir bei unserer Auffassung."

    Klose: Aber allein das ist ja schon etwas, was man nicht unbedingt klein reden muss. Wenn Russen, Franzosen und Deutsche das Gefühl haben, es gibt ein überwiegendes Interesse daran, den Weltsicherheitsrat nicht auseinanderfallen zu lassen, dann ist es eine Einsicht, die man im Prinzip begrüßen muss. Richtig ist an der Kritik der drei Länder, dass es keine deutlichen Fortschritte in Richtung Wiederherstellung der Souveränität des Irak gibt. Ich denke, die Güte dieser neuen Resolution ist offensichtlich, ihr Erfolg wird sich in der Praxis erweisen, und in der Praxis muss man der amerikanischen Argumentation Recht geben. Es spricht nicht sehr viel dafür, dass man einen festen Zeitplan für die Wiederherstellung der Souveränität aufschreiben könnte. Wenn man sich vielleicht einen Augenblick daran erinnert, wie das nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland war, wo die Voraussetzungen für Demokratisierung und Stabilität deutlich besser waren, da hat es immerhin vier Jahre gedauert, bis es eine Verfassung gab, und vier Jahre bis es eine Bundesregierung gab, und wir hatten eine Führungsfigur wie Konrad Adenauer, die ich im Irak nicht erkennen kann.

    Lange: Nun war es ja so, dass UNO-Generalsekretär Kofi Annan selbst erklärt hat: Diese entscheidende Rolle, die uns diese drei Kritiker geben wollen, können wir gar nicht übernehmen, das würde uns überfordern. Hat es die Verhandlungsposition der Drei nicht ohnehin erschwert?

    Klose: Also ich glaube, wir haben ganz gut verhandelt. Wir hatten ja auch ein Anliegen, dass man nicht klein reden sollte. Es ist für die muslimische, arabische Mentalität schwer erträglich, unter einem Besatzungsregime zu leben, und das ist der Schwachpunkt der Resolution, der Irak bleibt unter Besatzungsverwaltung. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn man ein mindestens symbolisches Zeichen hätte geben können, dass die Souveränität möglichst schnell wiederhergestellt werden soll. Das ist nicht geschehen, aber das, was jetzt beschlossen worden ist, ist relative nahe dran an der Realität.

    Lange: Inwiefern werden mit dieser Resolution 1511 nun im Nachhinein die Ergebnisse des Irak-Krieges und der Krieg vielleicht selbst von der UNO völkerrechtlich sanktioniert?

    Klose: Also das Letztere sehe ich nicht. Ich sehe keine Sanktionierung des Krieges, aber ich sehe eine Legitimierung des jetzigen Einsatzes. Man kann es vielleicht so sagen: Die Kritiker des Irak-Krieges haben vorausgesehen, dass der Krieg zu einer Destabilisierung führen könnte und zu einer Verstärkung des Terrorismusproblems. Das ist eingetreten. Irak ist heute ein Schwerpunktland von Terror, und deshalb ist der Einsatz dort notwendig, und diese Widersprüchlichkeit, Nicht Legitimierung nachträglich des Krieges, aber Legitimierung des heutigen Kampfes gegen den Terrorismus, entspricht, fürchte ich, der Sachlage.

    Lange: Hat Deutschland zugestimmt auch aus gewissen taktischen Erwägungen, wie man hört, dass man vorhatte, auch dieses multilaterale Lager in der US-Regierung zu stärken? Hat das eine Rolle gespielt?

    Klose: Das kann ich Ihnen nicht bestätigen, weil ich nicht dabei gewesen bin, aber es mag sicherlich eine Rolle gespielt haben, dass man, wenn man so will, die Traditionalisten in Washington, also den Flügel Colin Powell stärken wollte.

    Lange: Was haben die Amerikaner jetzt mit dieser Resolution gewonnen? Die Zahl der Soldaten aus anderen Ländern wird sich doch damit wohl nicht erst mal nennenswert erhöhen.

    Klose: Praktisch haben sie einstweilen noch nicht viel gewonnen, aber sie haben jetzt eine Legitimierung des jetzt andauernden Einsatzes. Das spielt eine große Rolle. Und zweitens könnte es doch sein, dass sich über die Zeit andere Länder bereit erklären, auch mit Soldaten zu helfen, und natürlich, machen wir uns da nichts vor, wird der Druck Amerikas auf die internationale Staatengemeinschaft, sich finanziell stärker am Wiederaufbau des Irak zu beteiligen, deutlich zunehmen.

    Lange: Was bringt das jetzt der UNO? Das ist nicht die entscheidende politische Rolle, aber ist das jetzt vergleichbar mit dem Modell Afghanistan?

    Klose: Nein, es ist nach meiner Einschätzung nicht vergleichbar mit dem Modell Afghanistan, aber die UNO ist jetzt in stärkerem Maße als bisher selber im praktischen Entscheidungsprozess drin. Sie ist nicht mehr nur beschränkt auf humanitäre Maßnahmen, sondern sie bestimmt auch mit über Zeitabläufe und weitere Fortschritte bei der Übertragung von Souveränität. Insofern hat die UNO dazu gewonnen, und ich finde es richtig, darauf hinzuweisen, dass sie sehr viel mehr zum gegenwärtigen Zeitpunkt an Verantwortung gar nicht hätte übernehmen können.

    Lange: Welchen Wert hat es aus Ihrer Sicht für die deutsche Außenpolitik, dass Frankreich, Russland und Deutschland auch jetzt in der Irakpolitik weiter gemeinsame Positionen vertreten? Das ist doch dann offenbar doch mehr als nur so eine Augenblicksallianz.

    Klose: Also es ist da eine Allianz, die sich auf ein ganz bestimmtes Konfliktfeld beschränkt, nämlich auf den Irak. Ich halte es für ganz und gar abwegig, von einer dauerhaften Allianz Moskau-Berlin-Paris zu sprechen. Vielleicht kann man sagen, dass durch den Irakkonflikt Frankreich und Deutschland sehr viel näher aneinander gerückt sind. Dass es aber etwa eine Dreierachse gäbe, wie es gesagt wird, vermag ich nicht zu sehen.

    Lange: Vielen Dank für das Gespräch.