Es sind Bilder, die um die Welt gehen: Frauen, die sich die Haare abschneiden, ihre Hijabs vom Kopf reißen und solidarisch gegen das Regime auf die Straße gehen. Der Tod der Kurdin Jina Amini, auch unter ihrem persischen Namen Mahsa Amini bekannt, in Polizeigewahrsam sorgt im Iran für Aufruhr.
Doch die Bilder und Botschaften der protestierenden Bevölkerung erreichen die Weltöffentlichkeit unter erschwerten Bedingungen. Grund dafür ist die Internetzensur im Iran. Das Land steht im Ranking der Pressefreiheit weltweit auf dem drittletzten Platz. Informationsfreiheit ist kaum gewährleistet. Wie man jetzt helfen kann: Wir haben Hintergründe und häufig gestellte Fragen zusammengestellt:
Über das Internet herrscht im Iran seit 2012 der sogenannte "Hohe Rat für den Cyberspace". Er setzt sich zusammen aus Politikern und hochrangigen Militärs. Sein Ziel ist ein möglichst national begrenztes Datennetz, ohne bzw. nur mit den nötigsten Verbindungen ins Ausland, also eine Art landeseigenes Intranet. Das Regime bezeichnet diesen Plan als sogenanntes "halales Internet" und beruft sich damit auf einen religiösen Begriff aus dem Islam, der so viel bedeutet wie "erlaubt". Was im Internet erlaubt ist, entscheiden allerdings nicht islamische Glaubenssätze, sondern das iranische Regime.
Bereits 2019 hat es einen nationalen fünftägigen Shutdown im Iran gegeben. Funktioniert hat das, weil die gesamte Daten-Infrastruktur auf iranische Server setzt. Es handelt sich also im Land um ein nahezu abgeschlossenes System. Dienste im Ausland können auf diese Weise nicht benutzt werden. Das bedeutet, die Regierung kann relativ einfach die Server abschalten, die Surfgeschwindigkeit drosseln und so den Zugang zum Internet und spezifischen Adressen sperren.
Die Internetzensur hat bereits vor den aktuellen Protesten sehr weit gegriffen. Nur über ein privates, virtuelles Netzwerk - kurz VPN -, das eine andere IP-Adresse erzeugt, konnten beispielsweise Dienste wie Twitter, Facebook und Telegram angesteuert werden. Eine Ausnahme war bisher Instagram.
Mit rund 45 Millionen aktiven Userinnen und Usern ist Instagram ein beliebtes Soziales Netzwerk im Iran. Auch weil der Zugang zum Internet im Land so stark reglementiert ist, findet politischer Austausch vor allem über Soziale Medien statt. Seit vergangener Woche ist auch Instagram gesperrt.
Allerdings zeigt eine Recherche des Bayrischen Rundfunks, dass Meta, zu dem Instagram gehört, zuvor bereits irankritische Inhalte gelöscht hat. Zahlreiche User kritisieren diese Vorgehensweise:
Die Hintergründe der Löschungen sind noch unklar. Meta rechtfertigt sich vor dem BR mit Anti-Spam-Maßnahmen. Einige Posts wurden wiederhergestellt. Bereits im Mai berichtete die BBC über den Verdacht, dass Instagram-Moderatoren, die für den Iran zuständig sind, bestochen worden sein sollen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Menschen im Iran einen anonymen Online-Zugang ins freie Internet zu verschaffen, erklärt Constanze Kurz vom Chaos Computer Club. Anonym deswegen, weil ihnen ansonsten harte Strafen drohen.
Die einfachste Lösung, um aus der Ferne Menschen im Iran zu unterstützen, ist die Browsererweiterung "Snowflake". "Die hilft, von einem unzensierten Netz eine Brücke zu bilden zu einem Land wie Iran, aber auch zu anderen Ländern, wo viel Internetzensur versucht wird", erklärt Kurz. Snowflake funktioniert für die Browser Chrome und Firefox. Auch auf Twitter weisen Accounts auf diese Erweiterung hin:
Snowflake umgeht die Internetsperre über das sogenannte Tor-Netzwerk, das eine anonyme und überwachungsfreie Nutzung erlaubt, sagt Constanze Kurz. Allerdings ist Tor im Iran weitgehend blockiert. Snowflake wiederum baut viele kleine Brücken in das anonyme Netzwerk von außen. Es gilt: Viel hilft viel. Je mehr virtuelle Brücken auf diese Weise geschaffen werden, desto schlechter hält die Blockade. Es ergeben sich Schlupflöcher, an der Zensur vorbei.
Um auf die kleinen Brücken zu kommen, brauchen Menschen im Iran den Tor-Browser. Laut Constanze Kurz ist dieser Browser im Iran weit verbreitet, weil die Menschen viel Erfahrung mit Zensur haben: "In diesem Tor-Browser kann man einfach eine Einstellung vornehmen, dass man diese Snowflake-Brücken benutzen will." Viele solcher dezentralen Brücken können nur schwer zentral von der iranischen Regierung kontrolliert werden.
Snowflake könnte potentiell auch in anderen Regionen mit beschränktem Internetzugang helfen. So nutzen auch in Ländern wie Belarus oder Russland Menschen den Tor-Browser, um frei im Internet zu surfen.
Um einfach und direkt Proteste auf den Straßen zu organisieren, ist störungsfreie Kommunikation essentiell. Im Iran tauschen sich die Menschen deshalb viel über Messenger-Dienste aus. Allerdings sind auch diese größtenteils blockiert. Über Proxy-Server kann diese Sperre umgangen werden.
Ein Proxy ist eine Art Stellvertreter, der zu ganz bestimmten Diensten, wie Signal, eine Verbindung schaffen kann. Der Proxy-Server verbindet als Vermittler einen lokalen Dienst mit einem Webserver. Dadurch kann Kommunikation von einem Computer oder Client abgesichert, verschleiert und beschleunigt werden, ähnlich wie beim Snowflake-Prinzip.
Die Tageszeitung taz hat einen eigenen Proxy-Server für Signal eingerichtet. Die Adresse des Servers sowie Links zu Anleitungen in mehreren Sprachen stellt die taz per E-Mail (signalproxy@taz.de) zur Verfügung.
Allerdings, gibt Constanze Kurz zu bedenken, besteht die anonyme, überwachungsfreie Kommunikation über einen Proxy-Server nur zu einem bestimmten Netzwerk, wie eben jenen Signal-Messenger. Über die Snowflake-Erweiterung ist ein Zugriff auf das gesamte Internet möglich.
Auch Elon Musk hat Hilfe angekündigt. Über sein Starlink-Satelliten-System konnte er bereits in der Ukraine Internetverbindungsprobleme überbrücken. Über 3.000 Satelliten ermöglichen kabellosen Internetempfang, auch in abgelegenen Regionen.
Constanze Kurz ist allerdings unsicher, inwiefern Starlink für den Iran eine Rolle spielen könnte oder ob es sich lediglich um einen PR-Stunt handelt. In der Ukraine konnte Starlink nur übergangsweise einen Internetzugang ermöglichen. Ein Problem im Iran könnte sein, dass die Satelliten vor Ort Bodenstationen brauchen, die ohne Erlaubnis der Regierung nicht ins Land kommen.