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Iranischer Philosophie-Professor verhaftet

Die Inhaftierung des iranischen Philosophen und Schriftsteller Ramin Jahanbegloo kommt nach Ansicht des Iran-Experten Navid Kermani etwas überraschend. Nach innen habe sich das iranische Regime in letzter Zeit einigermaßen liberal gegeben, so Kermani. Auch sei Jahanbegloo kein politischer oder religiöser Oppositioneller gewesen, sondern eher eine kulturelle Figur.

Moderation: Doris Schäfer-Noske |
    Doris Schäfer-Noske: Der Philosoph und Schriftsteller Ramin Jahanbegloo soll im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran festgehalten werden, wo die meisten inhaftierten Dissidenten einsitzen. Unklar ist noch, was dem Philosophen eigentlich vorgeworfen wird. In seinen Schriften tritt er jedenfalls für eine Demokratisierung in Iran ein. Frage an den Iran-Experten Navid Kermani: Wie sieht es denn mit der Verfolgung von Oppositionellen in Iran zurzeit aus? Ist das nur ein Fall von vielen?

    Navid Kermani: Also es war in letzter Zeit so, dass jedenfalls keine neuen Intellektuellen festgenommen worden sind. Im Gegenteil, man hatte das Gefühl, dass das Regime versucht, auch der neue Präsident versucht, nach innen sich einigermaßen noch liberal zu geben, um nach außen diesen Druck halten zu können. Insofern war es etwas überraschend, dass Ramin Jahanbegloo verhaftet worden ist. Es war völlig unklar weshalb, weil er eigentlich nicht zu den bekannten Oppositionellen gehörte. Er war ein führender Philosoph. Er war oft auf CNN zu hören. Er hat viele westliche Philosophen eingeladen. Vor kurzem war Richard Rorty in Teheran, auf Einladung von Jahanbegloo. Es war eher eine kulturelle Figur, nicht so ein politischer Kopf, wie viele andere Intellektuelle. Vor allem auch keiner - das Regime ist besonders empfindlich auf diese religiösen Intellektuellen. Die verfolgt es sehr, sehr stark, also die quasi das Regime mit den eigenen Vokabeln versuchen zu schlagen. Und Jahanbegloo war immer eher ein säkularer Kopf. Und insofern mag das andeuten, dass eine neue Welle der Verhaftung da jetzt auftritt. Oder es mag ein vereinzelter Fall sein. Jedenfalls sind die Intellektuellen in Teheran alarmiert.

    Schäfer-Noske: Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Bush haben sich gestern Abend verständigt. Sie wollen gemeinsam um eine friedliche Lösung des Irankonflikts sich bemühen. Und mit einer scharf formulierten UN-Resolution soll der Iran unter Androhung von Sanktionen zum Einlenken gezwungen werden. Wird denn dann eine solche Politik von den Oppositionellen gutgeheißen?

    Kermani: Das Problem ist, dass die Intellektuellen in der Atomfrage zumindest prinzipiell eigentlich einig sind mit dem Regime. Also es ist nicht so, dass da eine große Opposition besteht, gegen das Regime in dieser Atomfrage, weil die Iraner sagen - oder viele Iraner sagen - dass sie auch das Recht haben auf die Urananreicherung, auf die friedliche Nutzung der Atomenergie. Und insofern ist das ein etwas kritischer Punkt, genau dort anzusetzen, um Opposition zu erzeugen. Prinzipiell wünscht man sich eine Demokratisierung. Man wünscht sich den Fortgang der Reformen und begrüßt auch in dieser Hinsicht durchaus Druck von außen. Man kritisiert den Westen eher dafür, dass er nicht zuvor schon Druck ausgeübt hat dann, wenn beispielsweise Zeitungen geschlossen worden sind, Oppositionelle verhaftet worden sind, Intellektuelle verhaftet worden sind. Dort ist der Westen ja, vor allem die Europäer, weitgehend still geblieben. Insofern wird der Druck prinzipiell begrüßt. Nur eigentlich kommt er aus Sicht vieler iranischer Intellektueller an der falschen Stelle.

    Schäfer-Noske: Inwieweit gibt es denn im Moment Aktionen der Oppositionellen und auch angeführt von den Intellektuellen dann, die sich für eine Demokratisierung stark machen?

    Kermani: Also die Opposition, die im Augenblick wirklich stark oder die am Entstehen ist, das kommt weniger von den Intellektuellen, sondern das kommt von unten. Am 1. Mai gab es eine große Kundgebung gegen die Regierung, von Arbeitern. Es gibt immer wieder Aufstände in Provinzen aus der ärmeren Bevölkerung von Leuten, die keine Jobs, keine Perspektive haben, die nicht mehr an die Versprechen der Regierung glauben, die die Korruption satt haben. Auch in den Provinzen ist eine große Ernüchterung eingetreten. Es gab ja die Reformbewegung, die auch wirklich mächtig war, die die Leute auch bewegt hat. Und sie sind dafür auf die Straße gegangen, an die Wahlurnen gegangen und sie haben die Hoffnung gehabt auf diese Reform von innen. Und diese Hoffnung hat sich vorerst einmal zerschlagen. Eine Art von Putsch hat stattgefunden, ganz ultrakonservative Kreise haben das Ruder wieder übernommen. Und die Reformer oder viele der Reformer haben sich auch diskreditiert, weil sie als machtlos vorgeführt worden sind. Was jetzt kommt ist einfach eine Unzufriedenheit. Weil breite Teile der Bevölkerung, die an den wachsenden Öleinnahmen nicht partizipieren - die Art und Weise, wie hier Willkür, wie hier Missbrauch der Macht, wie hier Korruption stattfindet - einfach das satt haben. Und langfristig ist das für das Regime auch eine sehr viel gefährlichere Bewegung. Während die Opposition in Teheran, die Intellektuellen, doch eher versuchen, sich neu zu sammeln, auch vorsichtig sein müssen. Der erste Präsident der kommt aus dem Sicherheitsapparat. Da sind Minister an der Regierung und in Ämtern, die aktiv beteiligt waren an den Intellektuellenmorden. Das heißt, viele Intellektuelle ducken sich zur Zeit auch einfach.

    Schäfer-Noske: Also auch, wenn es um die Haltung der iranischen Regierung in der Holocaust-Frage geht?

    Kermani: Na ja, diese Frage wird im Iran eigentlich ganz wenig diskutiert. Also diese ganze Rhetorik richtet sich nicht an die Iraner selbst, sondern vor allem an die Araber und vor allem an den Westen. Man will den Westen da provozieren. Man kritisiert das eher aus dem Standpunkt, dass eine solche Äußerung die iranischen Interessen untergräbt. Aber für die Iraner selbst ist Palästina, ist die ganze Holocaust-Sache, gar kein großes Thema.