Samstag, 04. Mai 2024

Archiv


Irische Ferkelei

Ernährungswissenschaft. - In irischem Schweinefleisch sind Polychlorierte Biphenyle, abgekürzt PCB, in Mengen weit jenseits der amtlichen Grenzwerte gefunden worden. Viele dieser Stoffgruppen stehen im Verdacht, Krebs auszulösen und das Nerven- und das Immunsystem zu schädigen. Die irischen Behörden haben daher das Fleisch zurückgerufen. Auch in Deutschland sind geringe Mengen irischen Schweinefleischs betroffen.

Von Volker Mrasek | 08.12.2008
    "Wie kommt Dioxin in die Wurst rein?"

    Mit dieser Frage beschäftigte sich Günter Schöppe schon vor zehn Jahren. Damals war die Situation ganz ähnlich wie heute: Verbraucher wurden durch Meldungen aufgeschreckt, in Schweine- und Geflügelfleisch seien Dioxine nachgewiesen worden und auch PCB, sogenannte Polychlorierte Biphenyle. Langlebige Giftstoffe, die in der Umwelt überall in Spuren verbreitet sind. Auch auf Viehweiden zum Beispiel, wo sie von Kühen mit dem Gras und Erdpartikeln aufgenommen werden. Am Duisburger Institut für Energie- und Umwelttechnik ging man der Sache damals intensiv nach. Schöppe ist dort auch heute noch Geschäftsführer:

    "Die Schweinehaltung, die erfolgt in der Regel nicht im Freien, und die Hühnerhaltung auch nicht. Geflügel und Schweine werden eben nicht mit Grasprodukten gefüttert, sondern sie werden mit Mischfutter gefüttert und gemästet."

    Das war das große Rätsel: Wie sollten Dioxine und PCB in Nutztiere gelangt sein, die in Ställen leben und mit Umweltgiften deshalb eigentlich nicht in Kontakt kommen? Die Duisburger Forscher tippten auf verunreinigtes Mischfutter und analysierten über 100 Proben aus dem Handel. In den Kraftfutter-Cocktails stecken hauptsächlich Getreidekörner. Schöppe:

    "In der Getreidevorreinigung, nach dem Dreschen, wird ungefähr ein Gewichtsanteil von zwei bis vier Prozent ausgeschieden. Das sind Spelzen. Das sind Strohbestandteile. Das ist Sand. Das sind Erdreste. In diesen Stäuben und Erdresten finden sich dann eben auch Schadstoffe – nicht nur Dioxine."

    Die Analytiker konnten damals nachweisen, dass solche Ernterückstände sogar bewusst mit in Kraftfutter-Mischungen eingearbeitet wurden. Und dass Dioxine und PCB auf diese Weise zum Beispiel in der Schweine-Mettwurst landeten: Erst steckten die Umweltgifte im Futter, dann im Vieh, wo sie sich im Fettgewebe anreichern – und am Ende im Lebensmittel. Weil kriminelle Hersteller nicht davor zurückschreckten, Viehfutter aus Profitgier mit Giftmüll zu verschneiden. Die Vermutung liegt nahe, dass sich ein solcher Fall in Irland jetzt wiederholt: Auf irgendeinem Weg sind auch dort Erntereste oder andere giftige Rückstände in Futtermischungen für Schweine gelangt. Das war schon damals unzulässig. Günter Schöppe:

    "Also, es gibt in den Vorschriften, was verfüttert werden darf, eine ganze Reihe von Produkten, die in Mischfutter eingearbeitet werden dürfen. Darin stehen keine Getreide-Reinigungsrückstände. Es findet aber schlichtweg statt."

    Dass es sich um keine zufällige Verunreinigung handelt – dafür sprechen auch die relativ hohen gefundenen Gift-Gehalte. In den beanstandeten Schweinefleisch-Proben war der zulässige Grenzwert um das 80- bis 200fache überschritten. Das teilte die irische Behörde für Lebensmittelsicherheit am Wochenende mit. Wobei sich in die Meldungen der Nachrichtenagenturen ein Fehler einschlich. Sie berichteten von einer Dioxin-Belastung. Tatsächlich hatten die irischen Lebensmittel-Kontrolleure zu viel PCB nachgewiesen. Allerdings enthält auch diese Gruppe von Chlor-Chemikalien Stoffe, die ähnlich wie Dioxine wirken, das heißt: Sie haben eine krebsfördernde Wirkung. Den PCB wird zudem nachgesagt, daß sie Immun- und Nervensystem schädigen. Breit eingesetzt wurden die Substanzen früher in Farben, Dichtungsmassen, Klebstoffen und Kühlmitteln für Transformatoren. Inzwischen liegt eine erste Reaktion des Berliner Bundesinstituts für Risikobewertung vor. Die Einschätzung des BfR. Zitat:

    "Die aktuell gemessenen PCB-Gehalte in irischen Schweinefleischprodukten sind deutlich höher als die, die durch die übliche Hintergrundbelastung über die Umwelt hervorgerufen werden. Bei einem Verzehr dieser (...) Lebensmittel kann der von der Weltgesundheitsorganisation festgelegte Wert für die lebenslange [tolerierbare] tägliche Aufnahme kurzfristig deutlich überschritten werden."

    Mit akuten Gesundheitsschädigungen sei aber nicht zu rechnen, so das BfR. Zitat:

    "Für Verbraucher in Deutschland besteht nach einer ersten Einschätzung des BfR keine unmittelbare gesundheitliche Gefährdung durch kurzfristige Exposition. Gesundheitliche Beeinträchtigungen sind bei länger andauernder Exposition mit hohen Gehalten an PCB-enthaltenden Schweinefleisch-Produkten jedoch nicht auszuschließen. Diese Lebensmittel sind daher nicht für den Verzehr geeignet und müssen aus der Nahrungskette entfernt werden."

    Nach eigenen Angaben steht die Berliner Bundesbehörde in engem Kontakt mit den Kollegen in Irland. Sobald ausreichende Daten über Vertriebswege und Weiterverarbeitung des belasteten Schweinefleisches vorliegen, will das Institut eine umfassende Risikobewertung vorlegen.