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Irland lockt mit niedrigen Unternehmenssteuern

Eines der meistdiskutierten Themen ist derzeit die geplante Reform der Unternehmenssteuer. Eine Senkung dieser Steuer wird von vielen Kritikern mit Blick auf das hohe Haushaltsdefizit abgelehnt. Ganz anders läuft es aber in Irland. Die Insel lockt ausländische Investoren seit Jahren mit besonders niedrigen Steuersätzen. Trotzdem aber ist die irische Staatskasse gut gefüllt. Wie das trotz geringer Steuern möglich ist, beschreibt Martin Alioth aus Dublin.

    Die irische Körperschaftssteuer auf dem normalen Geschäftsertrag beträgt zwölfeinhalb Prozent, erläutert Rory Meehan, ein Partner der Dubliner Steuerberatungsfirma Moore Stephens Ireland. Auf Liegenschaftsgewinnen und Dividenden wird ein Satz von 25 Prozent angewendet. Für die zahlreichen multinationalen Firmen, die sich in Irland angesiedelt haben, ist der niedrige Steuersatz ein wichtiger Faktor:

    Verglichen mit Steuersätzen von 30 und mehr Prozent in anderen Ländern sei das natürlich attraktiv. Aber es ist nicht der einzige Faktor, gibt der ehemalige Präsident des Verbandes irischer Steuerberater zu bedenken. Die Einkommens-Steuerbelastung für höhere Angestellte betrage in Irland nahezu 50 Prozent, und das könne wiederum abschreckend wirken.

    ...that, for senior personnel, can be a disincentive in terms of locating in Ireland.

    Bisher hat’s jedenfalls geklappt. Fast zwei Drittel der beträchtlichen irischen Exporte werden von Firmen in ausländischem Besitz hergestellt, der Computer-Chip-Hersteller Intel hat eben ein neues, hochmodernes Werk eröffnet. – Der einheitliche Satz von 12,5 Prozent ist relativ jungen Datums. Ausländische Firmen zahlten lange Jahre überhaupt keine Körperschaftssteuer, die einheimischen Unternehmen wurden dafür mit über 30 Prozent belastet. Das hielt die Europäische Union für diskriminierend, und so wurde der Einheitssatz vereinbart. War das denn für die Staatskasse auch irgendeinen Vorteil?

    Gewiss, behauptet Meehan. Früher hatten wir ja ein viel komplizierteres System mit verschiedenen Sätzen, mit Sonderreglungen und Ausnahmen, was häufig dazu führte, dass die Firmen praktisch keine Steuern zahlten. Zusammen mit der Vereinheitlichung der Steuersätze wurden nämlich auch zahlreiche Schlupflöcher und Förderprogramme abgeschafft.

    Das bedeutet, dass die Unternehmen in Irland auf einem viel größeren Anteil ihres Brutto-Gewinns tatsächlich auch Steuern zahlen. Abzüge, Abschreibungen und dergleichen werden sehr viel weniger anerkannt.

    Folglich sei, sagt der Steuerexperte, das irische System wohl gerechter als jene anderen, die eine Fülle von verschiedenen Sätzen gebrauchten – wie einst Irland auch – diese aber mit besonderen Anreizen und Freibeträgen wieder abmilderten. – Ganz konkret bedeutet das, dass der irische Fiskus – der im Übrigen Überschüsse erzielt – zwischen 14 und 15 Prozent seiner gesamten Einnahmen aus der direkten Besteuerung der Unternehmensgewinne schöpft. Das ist beträchtlich, meint Meehan.

    Denn normalerweise erfolge der Beitrag der Unternehmen an die Staatskasse vor allem über die Mehrwertsteuer und über die Lohn-Nebenkosten. 14 Prozent allein aus der Körperschaftssteuer seien also im europäischen Vergleich stattlich.

    Das ist vorsichtig ausgedrückt. In Deutschland trägt die Körperschaftssteuer nämlich weniger als vier Prozent zum Einkommen des Bundes und der Länder bei, ein riesiger Unterschied, der wohl nicht allein mit den Praktiken der multinationalen Firmen in Irland erklärt werden kann. Die manipulieren nämlich ihre firmen-internen Rechnungssysteme und Preisgefüge so, dass ein möglichst hoher Anteils des Konzerngewinns in Irland anfällt. So werden zum Beispiel hochwertige Essenzen .billig von der amerikanischen Mutter nach Irland importiert, während das fertiggestellte Getränk überteuert an die deutsche Schwester verkauft wird. So wird ein ungerechtfertigt großer Anteil des Konzerngewinns in Irland versteuert. Denn das irische Finanzamt hat dazu keine Regeln.

    Aber Rory Meehan ergänzt gleich, dass die amerikanischen, britischen oder deutschen Finanzämter sehr wohl Regeln für die in ihren Ländern beheimateten Großkonzerne haben, und an diese müssen sich auch die in Irland niedergelassenen Töchter halten.

    Seit das irische Vorbild im europäischen Osten begeistert nachgeahmt wird, wächst der Druck der älteren Industrienationen auf eine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung innerhalb der Europäischen Union. Irland wird sich dagegen mit Händen und Füßen wehren und kann berechtigterweise behaupten, dass es mit seinen tiefen Sätzen und seinem vereinfachten System mehr abschöpft als die jammernde Konkurrenz.