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Irland wählt einen Präsidenten für bessere Zeiten

Auf das neue Staatsoberhaupt warten große Fußstapfen; denn Mary McAleese ist überaus beliebt und eine der wenigen verbliebenen Autoritäten in Irland nach Banken-, Wirtschafts- und Kirchenkrise. 14 Jahre lang war sie Uckteraaahn, die Präsidentin der Republik. Den Höhepunkt ihrer Amtszeit erlebte sie zweifellos in diesem Jahr, als sie den folgenden Toast anbringen konnte:

Von Jochen Spengler | 19.10.2011
    "Auf Gesundheit und Glück Ihrer Majestät und seiner königlichen Hoheit, auf Wohlergehen und Erfolg des britischen Volkes, auf Frieden und Versöhnung in Irland und auf Freundschaft und Verwandtschaft zwischen den Völkern Irlands und Großbritannien."

    Im Mai beehrte Queen Elizabeth Irland – seit 100 Jahren das erste britische Staatsoberhaupt.
    Für diesen Besuch hatte Mary McAleese, die nordirische Katholiken, lange geworben. Die Versöhnung mit dem übermächtigen Nachbarn war ihr Herzensanliegen.

    Ob diese Politik fortgesetzt wird, wenn Martin McGuinness zum Präsidenten gewählt würde, ist zweifelhaft. Er tritt für Sinn Fein an, die links-nationalistische Partei, die sich im Mai weigerte, der Königin zu begegnen. McGuinnes kommt aus dem britischen Nordirland, wo er zuletzt einer der wichtigen Figuren des Friedensprozesses war. In den 70er-Jahren aber agierte er als führendes Mitglied der IRA-Terrortruppe

    "The big issue for me is the economy of this country and how we get it back on the street."

    Obwohl McGuinness in seiner Wahlkampagne auf das Thema Wirtschaft setzt, wird der 61-Jährige immer wieder mit seiner Vergangenheit konfrontiert, etwa von David Kelly, dessen Vater Paddy von der IRA 1983 ermordet wurde.

    Nein, er wisse die Namen der Mörder nicht, er sei nicht Mitglied des IRA-Militärrats gewesen, er sei kein Lügner, versichert McGuinness. Seine Wahlchancen halten politische Beobachter für gering. Deaglan (deglawn) de Breadun von der Irisch Times:

    "Ein Außenseiter, nicht völlig chancenlos, wahrscheinlich wird er dritter."

    Einen klaren Favoriten unter den sieben Präsidentschaftsbewerbern gibt es nicht und Prognosen sind schwierig, weil die Wähler nicht nur einen einzigen Kandidaten ankreuzen, sondern auch Zweit- und Drittpräferenzen verteilen.

    Keine Chance hat den Umfragen zufolge die erzkonservative Kandidatin Dana Rosemary Scallon, die als Schlagersängerin Dana und Siegerin des Eurovision Song Contest 1970 bekannt wurde.

    Der Sieger wird dem Land Mut und Zuversicht geben müssen, denn Irland hat die Wirtschaftskrise noch längst nicht überwunden, auch wenn Ministerpräsident Enda Kenny nicht müde wird, die Erfolge zu unterstreichen:

    "Von allen betroffenen Eurozonen-Staaten macht Irland die besten Fortschritte, um das erste Land zu sein, dass den Rettungsschirm wieder verlässt. Wir hatten die größten Wachstumsraten im zweiten Quartal von allen 27 EU-Staaten, wir hatten den ersten ernsthaften Rückgang der Arbeitslosigkeit seit fünf Jahren und wir wollen so schnell wie möglich selbst wieder Staatsanleihen auflegen können."

    Es ist nicht nur Zweckoptimismus, den der Tieschök hier verbreitet; tatsächlich fassen die Märkte allmählich wieder Vertrauen in Irland. Doch Alan Barett vom Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung in Dublin gießt Wasser in den Wein und weist darauf hin, dass das Wachstum nur durch die steigenden Ausfuhren erzielt wird.

    "Die Verbraucherausgaben gehen immer noch zurück, die Investitionen ebenfalls und die Regierung verfolgt ein sehr striktes Sparprogramm; Deswegen beschreiben wir die momentane Lage in Irland als eine Art Zwei-Spur-Wirtschaft – die Exporte laufen sehr gut, aber die Binnenwirtschaft nicht annähernd; doch wenn man bedenkt, wo wir durch mussten, ist es schon erfreulich, dass die Gesamtwachstumszahlen wieder positv sind."

    Bis der Aufschwung beim Durchschnittsiren ankommt, dürften aber Jahre vergehen. Noch liegt die Arbeitslosigkeit bei über 14 Prozent, noch sind viele Iren hoch verschuldet, noch liegen die Löhne oft niedriger als vor vier Jahren.