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Irland wählt neues Parlament

In der Republik Irland wird heute ein neues Parlament gewählt. Bei dieser Abstimmung dürfte es für die Koalitionsregierung von Ministerpräsident Bertie Ahern, der bereits seit zehn Jahren im Amt ist, knapp werden. Und das, obwohl sich Ahern während seiner bisherigen zwei Amtszeiten eine positive Wirtschaftsentwicklung und den Durchbruch im nordirischen Friedensprozess auf die Fahnen schreiben kann. Martin Zagatta berichtet.

    Der Regen gehört nach wie vor zum Wetterbericht, aber ansonsten ist Irland kaum wieder zu erkennen: aus dem einstigen Armenhaus Europas ist inzwischen eines der reichsten Länder der Welt geworden, statistisch zumindest. Und dieser Wohlstand könnte Premierminister Bertie Ahern heute den dritten Wahlsieg in Folge bescheren.

    "Wir haben unser Wort gehalten und Irland zum Besseren verändert. Die Menschen haben Arbeit, müssen nicht mehr auswandern. Niedrigere Steuern, große Investitionen in die Wirtschaft. Das Land hat sich dramatisch verändert."

    So lobt Ahern seine Fianna Fail-Partei und die Regierung, der er seit zehn Jahren schon vorsteht. Strukturhilfen der EU haben Irland aus der Armut herausgeführt, und mit extrem niedrigen Unternehmenssteuern hat Dublin mehr als 1000 ausländische Unternehmen angelockt, die Hälfte davon aus den USA, wie etwa den Internet-Giganten Google, der seine Europa-Zentrale in die irische Hautstadt verlegt hat.

    Seine ersten Gedanken bei der Entscheidung für Dublin seien gewesen leicht an Guinness-Bier zu kommen, und Dublin sei der erste Zwischenstopp auf dem Weg von Kalifornien nach Europa, sagt der Google-Mitgründer Sergey Brin. 800 Arbeitsplätze hat das Unternehmen im englischsprachigen Irland geschaffen, 500 weitere sollen jetzt noch hinzukommen. Das Wirtschaftswachstum von durchschnittlich sieben Prozent in den 90er Jahren hat sich nur leicht abgeschwächt und sorgt nicht nur für Vollbeschäftigung. Hunderttausende Menschen aus den neuen EU-Mitgliedsländern Osteuropa, vor allem Polen, haben in dem kleinen Irland einen Job gefunden haben.

    Die Kehrseite des Booms: das Leben auf der Insel ist teuer geworden. Und die Löhne sind zuletzt schneller gestiegen als sonst wo in Westeuropa. Während die Regierung das als normalen Strukturwandel ansieht in einem Land, dem es jetzt besser geht, warnt die Opposition vor absehbaren Rückschlägen.

    " "Sie können für einen Wechsel und ein besseres Irland stimmen oder Sie können mit einer erschöpften Regierung weitermachen, die ihr Wort bricht", "

    so der Oppositionsführer Enda Kenny. Seine Fine Gael-Partei klagt vor allem über Mängel im Gesundheitswesen und hofft die Regierung ablösen zu können in einer Koalition mit der irischen Labour-Partei und den Grünen. Umfragen zufolge wird der Urnengang ein Kopf an Kopf-Rennen. Premierminister Bertie Ahern kommt zwar auch der Friedensprozess in Nordirland zugute, zu dessen Gelingen er beigetragen hat, doch der Taoiseach, wie der irische Regierungschef genannt wird, hat sich durch eine ominöse Finanzaffäre in Schwierigkeiten gebracht, indem er sich von reichen Freunden und Gönnern undeklariert einige zehntausend Euro zustecken ließ.

    Hilfe und ein Geschenk anzunehmen, sei ein Fehler gewesen. Eine Fehleinschätzung. Auch wenn er gegen kein Gesetz verstoßen habe, bedauere er jetzt sein Vorgehen und entschuldige sich dafür – so gab sich Ahern reumütig. Ob die Wähler ihm das nachsehen, wird frühestens morgen Nachmittag abzusehen sein. Einiges deutet auf ein politisches Patt und schwierige Koalitionsverhandlungen hin. Dabei könnte dann auch die Sinn Fein eine wichtige Rolle spielen, der politische Arm der katholischen Untergrundorganisation IRA. Mit den Ex-Terroristen will Bertie Ahern zwar nichts zu tun haben - sie sitzen in dem zum britischen Königreich gehörenden Norden der Insel aber schon mit Kabinettstisch – in der neuen Regionalregierung von Nordirland. Und das könnte der Sinn Fein nun auch in Dublin Auftrieb geben.