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Irlands Mammutaufgabe EU-Haushalt

Irland hat zum Jahresbeginn die EU-Ratspräsidenschaft übernommen. Selbst einst hoch verschuldet und mit EU-Mitteln gerettet, hoffen jetzt andere notleidende Staaten auf irisches Verständnis - doch die Macht der Präsidentschaft ist mittlerweile begrenzt.

Von Annette Riedel | 09.01.2013
    Vielleicht 800 Quadratmeter groß und gut über 30 Meter hoch ist die Eingangshalle des Ratsgebäudes im Herzen des europäischen Viertels. Seit 1. Januar ist das mindestens wohnzimmergroße Banner, das hier hängt, ein anderes als in den sechs Monaten zuvor: Nicht mehr die blaue stilisierte Taube mit bunten Flügeln Zyperns – die auf den zweiten Blick auch ein Boot mit bunten Segeln hätte darstellen können – sondern das irische Logo: Hellgrünes kleeblatt-ähnliches Muster, blaugrüne Schrift und ein Ornament im keltischen Stil.

    Was ändert sich, wenn auf Zypern Irland folgt? Außer dem Logo auf dem Banner im Ratsgebäude und auf Schreibblöcken, Presseerklärungen und auf den kleinen Präsidentschaftssouvenirs wie Tassen, Mouse Pads oder im Falle Zyperns: Handtüchern?

    "Es gibt die Pflicht und die Kür. In der Pflicht ändert sich nicht sehr viel. Also ein Land muss den Vorsitz führen in den verschiedenen Konfigurationen des Ministerrates. Das ist 'business as usual' – man muss das tun, was ein Vorsitz in dem Fall tun muss. Aber es gibt auch die Kür. Es bestimmte Dinge, wo ein Mitgliedsstaat sagt, wir haben einen stärkeren Fokus auf Themen x, y, z und da kann eine rotierende Präsidentschaft gewisse Schwerpunkte setzen."

    Janis Emmanouilidis ist bei der europäischen Denkfabrik "European Policy Center" und hat schon manche EU-Präsidentschaft kommen und gehen sehen – auch die vergangenen sechs, seitdem der Lissabon-Vertrag gilt. Zwar wechselt die Präsidentschaft weiter halbjährig, aber nicht der Rats-Präsident, der unter anderem die Gipfel leitet. Seit drei Jahren ist der Belgier Hermann von Rompuy Ratspräsident und bleibt es für weitere zwei.

    "Welcome to the joint press conference of Cyprus and Ireland ... "

    Übergabe kurz vor Jahresende von der zyprischen Präsidentschaft an die irische. Für die Iren ist es bereits die siebte. Für Zypern war es eine Premiere.
    Über 1000 Sitzungen von Ministern und Experten zu organisieren, inhaltlich vorzubereiten, zu leiten, zu moderieren, gegebenenfalls zu schlichten - für ein neues, kleines Mitgliedsland ist das eine sehr große Aufgabe – personell, organisatorisch und finanziell.

    "Wir haben auch andere kleinere Staaten in der Vergangenheit gesehen, die die Ratspräsidentschaften innehatten und die sehr professionell und perfekt gehandhabt haben – bis hin zu Luxemburg. Aber die Größe spielt eine Rolle, die Erfahrung spielt eine Rolle, bis hin zur geografischen Distanz, die eine Rolle spielt. Für Zypern war es ein Problem, dass sie am Südost-Zipfel Europas sind."

    Jenseits der eigenen national-staatlichen Interessen zu agieren, der "ehrliche Makler" zu sein, von dem der zyprische Vize-Europaminister Mavroyiannis hier spricht und die Verhandlungen mit dem Europaparlament führen, das bei vielen Gesetzesinitiativen gleichberechtigt beteiligt ist - das muss eine Präsidentschaft leisten.

    Misslingt das, misslingt die Präsidentschaft. Euroland Zypern hatte das Problem, dass es zum Subjekt von Verhandlungen wurde, weil es Geld aus den Euro-Rettungsschirmen für seine strauchelnden Banken beantragen musste. Und dass die heiße Phase des Ringens um das nächste siebenjährige Budget der EU in seine Präsidentschaft fiel. Ohne zu einem guten Abschluss zu kommen. Die Iren haben das Thema also jetzt sozusagen geerbt.

    Der irische Vize-Premier Gilmore strebt eine baldige Einigung in dieser Sache an, um die Handlungsfähigkeit der EU zu gewährleisten. Ratspräsident von Rompuy, der zurzeit einen neuen Vorschlag für das EU-Budget ausarbeitet, kann auf die Unterstützung der Iren rechnen.

    Ihrerseits können die Iren wie alle wechselnden Präsidentschaften auf die Unterstützung und Erfahrung des Stabes von Ratspräsident Van Rompuy setzen.
    Die Existenz eines ständigen Ratspräsidenten hat den rotierenden Präsidentschaften natürlich an Publizität genommen. An Einfluss. Zumal in Zeiten, in denen die EU zurzeit im Krisenmodus läuft. Trotzdem ist das Prinzip der rotierenden Präsidentschaft ein wertvolles, ein unverzichtbares, hat großen Wert für das jeweilige Land – nicht zuletzt zur Profilierung im Konzert der 27 und auf der Weltbühne, sagt Shada Islam von der Denkfabrik "Friends of Europa".

    "Es geht aber jetzt viel mehr als früher darum, den richtigen Ton zu treffen, um den persönlichen Stil und die Persönlichkeit und Charakter der jeweiligen Akteure. Das zählt heute oft mehr als politische Inhalte."

    Irland will eine unaufgeregte, realistische, No-show-Präsidentschaft, hat es angekündigt. Und eine sparsame. Dafür wird zum Beispiel der Fahrservice eingedampft und statt Mineralwasser gibt es in den Sitzungen schon mal Leitungswasser.