Der irische Zeitungskolumnist Frank McNally beschwerte sich kürzlich darüber, dass auf den Wahlzetteln des gestrigen Referendums bloß die brüske Alternative "Ja" und "Nein" angeboten werde. Dabei sei doch sattsam bekannt, dass die Iren instinktiv einer direkten Antwort auswichen, ja, dass die irische Sprache - die andernorts lieber "Gälisch" genannt wird - gar keine schroffen Ausdrücke für Ja und Nein habe. Die geplagten Befürworter der Europa-Referendums hätten also viel größere Erfolgschancen, wenn ihre Anhänger das Kästchen "Warum eigentlich nicht?" ankreuzen dürften.
Eine andere irische Anekdote illustriert das irische Dilemma vielleicht besser: Ein verirrter Automobilist fragt einen irischen Bauern am Straßenrand nach dem Weg. Der kratzt sich ausführlich am Kinn, und sagt dann freundlich: "Ich hätte nicht von hier aus begonnen." - Exakt dasselbe gilt wohl auch für das gestrige Referendum. Es war ja nicht die Schuld Irlands, dass der Vertrag von Nizza die Europäische Union so unzureichend für die erweiterte Mitgliederzahl vorbereitete. Es war nicht Irland, das den Verfassungsvertrag erstickte. Und es war schließlich auch nicht Irland, das seinen 26 Partnern nahe legte, selbst keine Volksabstimmungen durchzuführen. Die scheinbar irrationale Bemerkung "Ich hätte nicht von hier aus begonnen", mag daher mancher Bürgerin durch den Kopf gegangen sein, als sie gestern zum sechsten Mal in 21 Jahren über einen EU-Vertrag entschied.
Es besteht kein Zweifel, dass zahlreiche Wähler ihre Urteil aus sachfremden, ja gelegentlich gar abstrusen Gründen gefällt haben. Trotzdem gilt, dass die irischen Stimmbürger jetzt wohl besser über die Pläne der EU informiert sind als irgend ein anderes Land. Das spricht für die plebiszitäre Ratifikation. Und wenn auch noch andere Staats- und Regierungschefs am Brüsseler Tisch gewusst hätten, dass sie die Billigung des Volkes brauchen, dann hätte der Reformvertrag bestimmt ganz anders ausgesehen.
Seit der irische Supreme Court 1987 ein Referendum über den Binnenmarkt zwingend vorschrieb, bestehen die Iren darauf gefragt zu werden, selbst wenn das streng verfassungsrechtlich vielleicht gar nicht nötig wäre. Und da werden dann eben die Bedenken und Ängste einer kleinen Insel am Rande Europas formuliert: die Sorge des Kleinstaates, erdrückt zu werden, zum Beispiel. Denn die EU hat den Iren ja ein viel kostbareres Geschenk als 40 Milliarden Euro netto gemacht in den letzten 35 Jahren: sie hat dieser Gesellschaft Selbstbewusstsein verliehen und der Opfermentalität den Garaus gemacht: es ist den Iren und Irinnen wohl in ihrer Haut, auch wenn die Wirtschaft jetzt gerade auf Tauchstation geht. Das gibt ihnen auch den Spielraum, jetzt eine sachliche Entscheidung zu fällen. Sie werden ja nicht gefragt, ob die EU eine gute Sache sei, sondern ob dieser spezifische Vertrag das richtige Organigramm für die Zukunft enthalte. Wer weiß, wie diese Antwort in anderen Ländern ausfiele?
Bei alledem darf nicht vergessen werden, dass Irland nur wenige historische Erfahrungen mit dem restlichen Europa teilt: Die Römer waren nicht hier, Reformation, Aufklärung und Industrialisierung wurden nur beobachtet. Und im Zweiten Weltkrieg stand Irland abseits. Dafür enthält das kollektive Gedächtnis lange Kapitel zu Hunger und Kolonialismus. Angesichts dieser Unterschiede ist die europäische Begeisterung der Iren bemerkenswert, nicht ihr gelegentlicher Zweifel. Denn zum mindesten gedanklich gibt es ja Alternativen: Amerika liegt gleich jenseits des Horizonts.
Eine andere irische Anekdote illustriert das irische Dilemma vielleicht besser: Ein verirrter Automobilist fragt einen irischen Bauern am Straßenrand nach dem Weg. Der kratzt sich ausführlich am Kinn, und sagt dann freundlich: "Ich hätte nicht von hier aus begonnen." - Exakt dasselbe gilt wohl auch für das gestrige Referendum. Es war ja nicht die Schuld Irlands, dass der Vertrag von Nizza die Europäische Union so unzureichend für die erweiterte Mitgliederzahl vorbereitete. Es war nicht Irland, das den Verfassungsvertrag erstickte. Und es war schließlich auch nicht Irland, das seinen 26 Partnern nahe legte, selbst keine Volksabstimmungen durchzuführen. Die scheinbar irrationale Bemerkung "Ich hätte nicht von hier aus begonnen", mag daher mancher Bürgerin durch den Kopf gegangen sein, als sie gestern zum sechsten Mal in 21 Jahren über einen EU-Vertrag entschied.
Es besteht kein Zweifel, dass zahlreiche Wähler ihre Urteil aus sachfremden, ja gelegentlich gar abstrusen Gründen gefällt haben. Trotzdem gilt, dass die irischen Stimmbürger jetzt wohl besser über die Pläne der EU informiert sind als irgend ein anderes Land. Das spricht für die plebiszitäre Ratifikation. Und wenn auch noch andere Staats- und Regierungschefs am Brüsseler Tisch gewusst hätten, dass sie die Billigung des Volkes brauchen, dann hätte der Reformvertrag bestimmt ganz anders ausgesehen.
Seit der irische Supreme Court 1987 ein Referendum über den Binnenmarkt zwingend vorschrieb, bestehen die Iren darauf gefragt zu werden, selbst wenn das streng verfassungsrechtlich vielleicht gar nicht nötig wäre. Und da werden dann eben die Bedenken und Ängste einer kleinen Insel am Rande Europas formuliert: die Sorge des Kleinstaates, erdrückt zu werden, zum Beispiel. Denn die EU hat den Iren ja ein viel kostbareres Geschenk als 40 Milliarden Euro netto gemacht in den letzten 35 Jahren: sie hat dieser Gesellschaft Selbstbewusstsein verliehen und der Opfermentalität den Garaus gemacht: es ist den Iren und Irinnen wohl in ihrer Haut, auch wenn die Wirtschaft jetzt gerade auf Tauchstation geht. Das gibt ihnen auch den Spielraum, jetzt eine sachliche Entscheidung zu fällen. Sie werden ja nicht gefragt, ob die EU eine gute Sache sei, sondern ob dieser spezifische Vertrag das richtige Organigramm für die Zukunft enthalte. Wer weiß, wie diese Antwort in anderen Ländern ausfiele?
Bei alledem darf nicht vergessen werden, dass Irland nur wenige historische Erfahrungen mit dem restlichen Europa teilt: Die Römer waren nicht hier, Reformation, Aufklärung und Industrialisierung wurden nur beobachtet. Und im Zweiten Weltkrieg stand Irland abseits. Dafür enthält das kollektive Gedächtnis lange Kapitel zu Hunger und Kolonialismus. Angesichts dieser Unterschiede ist die europäische Begeisterung der Iren bemerkenswert, nicht ihr gelegentlicher Zweifel. Denn zum mindesten gedanklich gibt es ja Alternativen: Amerika liegt gleich jenseits des Horizonts.