Drei Akte mit längeren Hauptszenen und kleineren Zwischenszenen bedeuten eine Rückkehr zu den "Daddies", wie er es formuliert:
"Ich habe immer auch meine berühmten Vorgänger im Kopf. Ich bin ein amerikanischer Autor und diese Jungs, besonders (Arthur) Miller, (Tennessee)Williams und (Eugene) O'Neill, sind die großen Papas, die Gründer von dem, was wir ernsthaftes amerikanisches Drama nennen."
Nach einem missglückten Selbstmordversuch ruft Gus Marcantonios Schwester Clio dessen drei erwachsene Kinder Phil, Empty und V. zu einem Familientreffen nach Brooklyn zusammen. Gus' Familie ist traditionell sozialistisch und kommunistisch geprägt. Der hochgebildete Gus entschied sich aus politischen Gründen zu einem Arbeiterleben in den Docks, wo er seinerzeit die ersten Pensionsansprüche für Hafenarbeiter erkämpfte. Nun, 20 Jahre später und desillusioniert von der politischen Entwicklung in Amerika, hat er seinen Lebenssinn verloren und eröffnet seinen Kindern, dass er beschlossen hat zu sterben. Doch die stecken selbst in sehr schwierigen Lebensumständen: Phil, Gus' Ältester, ist sexsüchtig und hoch verschuldet, weil er sich in den Prostituierten Eli verliebt hat. Nun droht seine langjährige Beziehung mit Paul zu scheitern. Empty, Gus' Tochter, Anwältin für Arbeitsrecht, lebt mit ihrer schwangeren lesbischen Freundin Maeve zusammen und hat gleichzeitig noch sexuelle Bedürfnisse zu ihrem Ex-Mann Adam. Und V. – mit einem V wie in Vendetta – Gus' jüngster Sohn, der als einziger Arbeiter geworden ist und Frau und Kinder hat, ist seit Gus' Selbstmordversuch zu einer aggressiven Zeitbombe geworden. Sie alle sind über Gus Entscheidung entsetzt und versuchen ihn, von seinem Vorhaben abzuhalten.
Kushner entwickelt zwischen diesen Figuren ein intensives Drama um existentielle Fragen wie Treue und Korrumpierbarkeit, um den Wert von Arbeit, die Entfremdung der Bedürfnisse durch Geld, um gescheiterte Lebensentwürfe der Einzelnen und den Tod politischer Visionen. Wie in einer Mühle werden die Argumente zwischen dem leidenschaftlichen Vater und seinen hilflosen Kindern zerrieben, bis alles sich auf die Frage nach der eigenen Verantwortung zuspitzt. "Es ist kompliziert" sagt Gus öfters auf die einfachsten Fragen und so ist es auch in Kushners Stück.
"Ich glaube nicht, dass es möglich ist, über Familien zu schreiben, ohne auch über Politik zu schreiben, weil Familien immer im sozialen Kontext existieren, und wir können nicht über sozialen Kontext schreiben, ohne auch über Familien, Menschen, Individuen zu schreiben. Man kann nicht über das Kollektive schreiben."
Allerdings könnte sich zeigen, dass Kushner seine Finger wieder in die richtige Wunde gelegt hat. Während in den frühen Neunzigern AIDS die öffentliche Diskussion in Amerika beherrschte, so ist es heute die soziale Schieflage, die Rezession, der massive Abbau von Sozialleistungen und die massenhafte Absegnung von Anti-Gewerkschaftsgesetzen. Die horrende Überschuldung des amerikanischen Gemeinwesens wird als Schreckgespenst eines drohenden Niedergangs und als Rechtfertigung für brutale Einsparungen im sozialen Bereich benutzt.
Angesichts des völligen Ausverkaufs des einstigen "american dream" herrscht derzeit eine Stimmung von wütender Ohnmacht und paralysierter Depression.
"The Intelligent Homosexual's Guide to Capitalism and Socialism with a Key to the Scriptures" ist ein hochintelligentes Stück voller Aktualität, ironischer Reflexion und existenzieller Auseinandersetzung. Doch trotz aller Faszination ist es mit fast vier Stunden wesentlich zu lang geraten, und die Konflikte werden in vielen Momenten zerredet. Ein paar mutige Kürzungen würden dem Ganzen sicher gut tun.
"Ich habe immer auch meine berühmten Vorgänger im Kopf. Ich bin ein amerikanischer Autor und diese Jungs, besonders (Arthur) Miller, (Tennessee)Williams und (Eugene) O'Neill, sind die großen Papas, die Gründer von dem, was wir ernsthaftes amerikanisches Drama nennen."
Nach einem missglückten Selbstmordversuch ruft Gus Marcantonios Schwester Clio dessen drei erwachsene Kinder Phil, Empty und V. zu einem Familientreffen nach Brooklyn zusammen. Gus' Familie ist traditionell sozialistisch und kommunistisch geprägt. Der hochgebildete Gus entschied sich aus politischen Gründen zu einem Arbeiterleben in den Docks, wo er seinerzeit die ersten Pensionsansprüche für Hafenarbeiter erkämpfte. Nun, 20 Jahre später und desillusioniert von der politischen Entwicklung in Amerika, hat er seinen Lebenssinn verloren und eröffnet seinen Kindern, dass er beschlossen hat zu sterben. Doch die stecken selbst in sehr schwierigen Lebensumständen: Phil, Gus' Ältester, ist sexsüchtig und hoch verschuldet, weil er sich in den Prostituierten Eli verliebt hat. Nun droht seine langjährige Beziehung mit Paul zu scheitern. Empty, Gus' Tochter, Anwältin für Arbeitsrecht, lebt mit ihrer schwangeren lesbischen Freundin Maeve zusammen und hat gleichzeitig noch sexuelle Bedürfnisse zu ihrem Ex-Mann Adam. Und V. – mit einem V wie in Vendetta – Gus' jüngster Sohn, der als einziger Arbeiter geworden ist und Frau und Kinder hat, ist seit Gus' Selbstmordversuch zu einer aggressiven Zeitbombe geworden. Sie alle sind über Gus Entscheidung entsetzt und versuchen ihn, von seinem Vorhaben abzuhalten.
Kushner entwickelt zwischen diesen Figuren ein intensives Drama um existentielle Fragen wie Treue und Korrumpierbarkeit, um den Wert von Arbeit, die Entfremdung der Bedürfnisse durch Geld, um gescheiterte Lebensentwürfe der Einzelnen und den Tod politischer Visionen. Wie in einer Mühle werden die Argumente zwischen dem leidenschaftlichen Vater und seinen hilflosen Kindern zerrieben, bis alles sich auf die Frage nach der eigenen Verantwortung zuspitzt. "Es ist kompliziert" sagt Gus öfters auf die einfachsten Fragen und so ist es auch in Kushners Stück.
"Ich glaube nicht, dass es möglich ist, über Familien zu schreiben, ohne auch über Politik zu schreiben, weil Familien immer im sozialen Kontext existieren, und wir können nicht über sozialen Kontext schreiben, ohne auch über Familien, Menschen, Individuen zu schreiben. Man kann nicht über das Kollektive schreiben."
Allerdings könnte sich zeigen, dass Kushner seine Finger wieder in die richtige Wunde gelegt hat. Während in den frühen Neunzigern AIDS die öffentliche Diskussion in Amerika beherrschte, so ist es heute die soziale Schieflage, die Rezession, der massive Abbau von Sozialleistungen und die massenhafte Absegnung von Anti-Gewerkschaftsgesetzen. Die horrende Überschuldung des amerikanischen Gemeinwesens wird als Schreckgespenst eines drohenden Niedergangs und als Rechtfertigung für brutale Einsparungen im sozialen Bereich benutzt.
Angesichts des völligen Ausverkaufs des einstigen "american dream" herrscht derzeit eine Stimmung von wütender Ohnmacht und paralysierter Depression.
"The Intelligent Homosexual's Guide to Capitalism and Socialism with a Key to the Scriptures" ist ein hochintelligentes Stück voller Aktualität, ironischer Reflexion und existenzieller Auseinandersetzung. Doch trotz aller Faszination ist es mit fast vier Stunden wesentlich zu lang geraten, und die Konflikte werden in vielen Momenten zerredet. Ein paar mutige Kürzungen würden dem Ganzen sicher gut tun.