Michael Köhler: Eva Menasse ist Schriftstellerin und Journalistin. Sie haben über den Irving-Prozess in London im Jahr 2000 ein Buch geschrieben. Damals wurde es als rechtens angesehen, Irving "einen der gefährlichsten Holocaust-Leugner zu nennen. Konnte man diesen Rückfall erwarten?
Menasse: Ja, unbedingt. Schon vor Beginn des Prozesses bin ich öfter gefragt worden, was ich davon halte und was ich überhaupt davon halte, dass sein Anwalt sozusagen versucht, mildernde Umstände dadurch zu erwirken, das war ja vorab bekannt, indem er Irving alles zugeben und reumütig sich entschuldigen lässt. Ich habe gesagt, der Mann ändert jeden zweiten Tag seine Meinung. Das ist ganz typisch für ihn. Vor allem - und das ist ganz charakteristisch für David Irving - spricht er ja nach Publikum. Das heißt, er wird in einem Gerichtssaal oder einem seriösen Journalisten oder auch Historiker gegenüber den betulichen, seriösen Historiker geben und am nächsten Tag vor Bier grölenden Skinheads wieder die schlimmsten Holocaust-Witze reißen. Das steckt alles in seiner fast multiplen Persönlichkeit mit drin.
Köhler: Auf mich wirkt das wie eine gewisse Rolle, die er im öffentlichen Prozess wahrnimmt. Ist er seiner Rolle treu und stilisiert sich jetzt zum Martyrer, nachdem er verurteilt wurde?
Menasse: Er ist immer seiner Rolle treu, wenn seine Rolle bedeutet, für sich selbst das größte Medieninteresse hervorzurufen. Das ist das, womit er seit vielen Jahren Geld verdient. Der Mann hat sehr jung begonnen mit damals sehr ungewöhnlichen Büchern, wo er alte Nazis, damals noch gar nicht so alte Nazis, aufgesucht hat, Tagebücher von Goebbels gesucht hat, die Geliebte von Himmler interviewt hat. Weiß der Teufel, was es damals alles eben noch gab in den frühen sechziger Jahren. Und als dieser Strom aus Nazi-Memorabilia und Nazi-Devotionalien, die noch zu entdecken waren, schwächer wurde, mit dem er sehr gut verdient hat, möchte ich auch noch sagen, musste er auch seine Thesen radikalisieren. Und das ist, was er seit vielen Jahren macht. Inzwischen ist er ja auch nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. Er ist jetzt 67 und versucht halt, durch immer lauteres und immer provozierenderes Geschrei Aufmerksamkeit zu erregen. Nur leider gelingt ihm das immer sehr gut.
Köhler: Die Berliner Tageszeitung will wissen, dass Irving seit seiner Inhaftierung von seinen Anhängern mehrere hundert, von 600 Briefen ist da die Rede, bekommen haben soll. Das spielt diesen Holocaustleugnern oder den Nazis doch nur in die Hände, dass er jetzt verurteilt worden ist oder?
Menasse: Ja, deswegen glaube ich ja auch, dass er es mit einem Teil seiner - wie ich vorhin gesagt habe - multiplen Persönlichkeit auch darauf angelegt hat. David Irving wusste seit 1989, dass dieser Haftbefehl gegen ihn existiert. Es war auch einmal von einem Einreiseverbot die Rede. Er hat mir gegenüber im Interview im Jahr 2000 noch damit geprahlt, dass er schon mehrmals in Österreich war - also Subtext, die blöden Österreicher erwischen mich ja sowieso nicht - und er ist eben so ein Spieler.
Solange es ihm gelingt, unerkannt nach Österreich und Deutschland einzureisen und unbehelligt wieder auszureisen, inszeniert er sich vor seinen Anhängern als Tausendsassa. Und wenn er dann festgenommen wird, wie es eben jetzt passiert ist, und vor Gericht gestellt, dann passt auch das ihm in den Kram, weil dann hat er wieder eine riesige, weltweite Publizität. Und das ist genau das, was jetzt passiert. Das heißt, David Irving hat an bestimmten toten Punkten seiner Karriere immer die Märtyrerrolle gesucht, auch mit dem Prozess, den ja er angestrengt hat, wie Sie wissen, 2000 in London gegen Deborah Lipstadt. Er hat diesen Prozess angestrengt und er hat den größten Profit daraus gezogen, obwohl er verurteilt worden ist, obwohl er bis heute bankrott ist, weil er seither auf die Gerichtskosten gepfändet wird. Trotzdem hat er seinen Namen wieder in die Schlagzeilen gebracht. Und das ist es, wovon er lebt. Ich meine jetzt, rein ökonomisch, nicht nur psychisch. Psychisch auch.
Der David Irving muss in den Medien sein, nur dann bestellen die hunderten und tausenden Rechtsradikalen, die es auf der ganzen Welt gibt, per Internet wieder seine Bücher. Und sie schicken die anonymen Schecks. Das hat er mir selbst gezeigt in London im Januar 2000, was da jeden Tag bei ihm in so braunen Kuverts aus der ganzen Welt an Schecks einfach eintrifft, Unterstützergeld ja. Und natürlich muss er seine Klienten immer mal wieder aufwecken, indem er Wirbel macht. Das ist genau das, was wir jetzt erleben.
Köhler: Also ist das ganze auch ein Stück weit ein Testfall für den Umgang der Öffentlichkeit mit der Person und mit dem Thema?
Menasse: Ja, unbedingt. Ich meine, allein dass darüber berichtet wird, allein dass wir beide jetzt schon wieder darüber reden, dass die BBC da Reporter hinschickt, dass zeigt ja immer nur, dass seine Strategie aufgeht. Also in einer letzten Konsequenz können wir uns jemandem wie David Irving gar nicht entziehen, weil er es immer schaffen wird, solange zu provozieren, bis wir reagieren müssen. Und deshalb greifen diese Aufrufe zu kurz von Leuten, die sagen, ach ignorieren wir ihn doch, das ist doch nur ein alter Spinner. Den kann man nicht ignorieren. Irgendwann steht er sozusagen buchstäblich von unserer Tür oder macht irgendetwas, wo wir reagieren müssen. Und sei es dann eben die Gesetze und die Gerichte.
Köhler: Die Schriftstellerin und Journalistin, Eva Menasse, über den neuesten Coup des Geschichtsfälschers und Holocaustleugners, David Irving.
Menasse: Ja, unbedingt. Schon vor Beginn des Prozesses bin ich öfter gefragt worden, was ich davon halte und was ich überhaupt davon halte, dass sein Anwalt sozusagen versucht, mildernde Umstände dadurch zu erwirken, das war ja vorab bekannt, indem er Irving alles zugeben und reumütig sich entschuldigen lässt. Ich habe gesagt, der Mann ändert jeden zweiten Tag seine Meinung. Das ist ganz typisch für ihn. Vor allem - und das ist ganz charakteristisch für David Irving - spricht er ja nach Publikum. Das heißt, er wird in einem Gerichtssaal oder einem seriösen Journalisten oder auch Historiker gegenüber den betulichen, seriösen Historiker geben und am nächsten Tag vor Bier grölenden Skinheads wieder die schlimmsten Holocaust-Witze reißen. Das steckt alles in seiner fast multiplen Persönlichkeit mit drin.
Köhler: Auf mich wirkt das wie eine gewisse Rolle, die er im öffentlichen Prozess wahrnimmt. Ist er seiner Rolle treu und stilisiert sich jetzt zum Martyrer, nachdem er verurteilt wurde?
Menasse: Er ist immer seiner Rolle treu, wenn seine Rolle bedeutet, für sich selbst das größte Medieninteresse hervorzurufen. Das ist das, womit er seit vielen Jahren Geld verdient. Der Mann hat sehr jung begonnen mit damals sehr ungewöhnlichen Büchern, wo er alte Nazis, damals noch gar nicht so alte Nazis, aufgesucht hat, Tagebücher von Goebbels gesucht hat, die Geliebte von Himmler interviewt hat. Weiß der Teufel, was es damals alles eben noch gab in den frühen sechziger Jahren. Und als dieser Strom aus Nazi-Memorabilia und Nazi-Devotionalien, die noch zu entdecken waren, schwächer wurde, mit dem er sehr gut verdient hat, möchte ich auch noch sagen, musste er auch seine Thesen radikalisieren. Und das ist, was er seit vielen Jahren macht. Inzwischen ist er ja auch nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. Er ist jetzt 67 und versucht halt, durch immer lauteres und immer provozierenderes Geschrei Aufmerksamkeit zu erregen. Nur leider gelingt ihm das immer sehr gut.
Köhler: Die Berliner Tageszeitung will wissen, dass Irving seit seiner Inhaftierung von seinen Anhängern mehrere hundert, von 600 Briefen ist da die Rede, bekommen haben soll. Das spielt diesen Holocaustleugnern oder den Nazis doch nur in die Hände, dass er jetzt verurteilt worden ist oder?
Menasse: Ja, deswegen glaube ich ja auch, dass er es mit einem Teil seiner - wie ich vorhin gesagt habe - multiplen Persönlichkeit auch darauf angelegt hat. David Irving wusste seit 1989, dass dieser Haftbefehl gegen ihn existiert. Es war auch einmal von einem Einreiseverbot die Rede. Er hat mir gegenüber im Interview im Jahr 2000 noch damit geprahlt, dass er schon mehrmals in Österreich war - also Subtext, die blöden Österreicher erwischen mich ja sowieso nicht - und er ist eben so ein Spieler.
Solange es ihm gelingt, unerkannt nach Österreich und Deutschland einzureisen und unbehelligt wieder auszureisen, inszeniert er sich vor seinen Anhängern als Tausendsassa. Und wenn er dann festgenommen wird, wie es eben jetzt passiert ist, und vor Gericht gestellt, dann passt auch das ihm in den Kram, weil dann hat er wieder eine riesige, weltweite Publizität. Und das ist genau das, was jetzt passiert. Das heißt, David Irving hat an bestimmten toten Punkten seiner Karriere immer die Märtyrerrolle gesucht, auch mit dem Prozess, den ja er angestrengt hat, wie Sie wissen, 2000 in London gegen Deborah Lipstadt. Er hat diesen Prozess angestrengt und er hat den größten Profit daraus gezogen, obwohl er verurteilt worden ist, obwohl er bis heute bankrott ist, weil er seither auf die Gerichtskosten gepfändet wird. Trotzdem hat er seinen Namen wieder in die Schlagzeilen gebracht. Und das ist es, wovon er lebt. Ich meine jetzt, rein ökonomisch, nicht nur psychisch. Psychisch auch.
Der David Irving muss in den Medien sein, nur dann bestellen die hunderten und tausenden Rechtsradikalen, die es auf der ganzen Welt gibt, per Internet wieder seine Bücher. Und sie schicken die anonymen Schecks. Das hat er mir selbst gezeigt in London im Januar 2000, was da jeden Tag bei ihm in so braunen Kuverts aus der ganzen Welt an Schecks einfach eintrifft, Unterstützergeld ja. Und natürlich muss er seine Klienten immer mal wieder aufwecken, indem er Wirbel macht. Das ist genau das, was wir jetzt erleben.
Köhler: Also ist das ganze auch ein Stück weit ein Testfall für den Umgang der Öffentlichkeit mit der Person und mit dem Thema?
Menasse: Ja, unbedingt. Ich meine, allein dass darüber berichtet wird, allein dass wir beide jetzt schon wieder darüber reden, dass die BBC da Reporter hinschickt, dass zeigt ja immer nur, dass seine Strategie aufgeht. Also in einer letzten Konsequenz können wir uns jemandem wie David Irving gar nicht entziehen, weil er es immer schaffen wird, solange zu provozieren, bis wir reagieren müssen. Und deshalb greifen diese Aufrufe zu kurz von Leuten, die sagen, ach ignorieren wir ihn doch, das ist doch nur ein alter Spinner. Den kann man nicht ignorieren. Irgendwann steht er sozusagen buchstäblich von unserer Tür oder macht irgendetwas, wo wir reagieren müssen. Und sei es dann eben die Gesetze und die Gerichte.
Köhler: Die Schriftstellerin und Journalistin, Eva Menasse, über den neuesten Coup des Geschichtsfälschers und Holocaustleugners, David Irving.