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Is was!?
Der satirische Wochenrückblick

Deutschland ist Fußballweltmeister - verloren hat die Nationalmannschaft jetzt dennoch gegen Argentinien, wenn auch nur in einem Freundschaftsspiel. Gewinnen kann man dahingegen jetzt bei der Deutschen Bahn - nämlich Zeit. Denn das Unternehmen hat angekündigt, dass man künftig die Fahrzeit nach Westerland auf Sylt verkürzen will.

Von Klaus Nothnagel | 05.09.2014
    Entwarnung, liebe Fußball-Unkundige, ganz ruhig! Nein, Argentinien ist nicht nachträglich und handstreichartig Weltmeister geworden, nur weil es den Blauweißen gelungen ist, die Unsrigen - die weitgehend bewusstlos wirkten - 4:2 niederzubügeln.
    Es war auch keine Revanche, wie eine dumme Zeitung mit dicken Buchstaben schrieb; Revanche kann erst das Finale 2018 sein, und das nur, wenn wieder die gleichen zwei Teams dabei sind. Dem Publikum war es egal; da war dieses Mal jene Kundschaft im Stadion, die auch zu jeder Tankstelleneröffnung rennt, weil Neuheit nun mal vor Wichtigkeit geht.
    Schon beim öffentlichen Training unserer Jungs waren 40.000 Zuschauer gewesen - der Titel wirkt Wunder.
    Was kommt gleich nach dem Fußball-Nationalteam, wenn es um unerklärliche Emotionen geht? Die Deutsche Bahn. Das alles in allem doch recht wacker vor sich hin ratternde Staatsunternehmen ist ja hysterischer Kritik ausgesetzt, egal was es tut oder lässt. Da mach ich nicht mit. Ich lobe die Deutsche Bahn, und zwar für ihre Mitwirkung an der heute so modischen Entschleunigung.
    Klingt komisch, ist aber so. Eine neue flinke Verbindung nach Westerland auf Sylt kündigt die Bahn an. Es wird schon irgendeinen Grund geben, dort schnell hinzukommen. Ein Bahnhistoriker gibt überlegen lächelnd zu bedenken, schon 1971 habe die Deutsche Bahn die Strecke 20 Minuten schneller bedient, und zwar mit einer ölbetriebenen Dampflok.
    Ach so? Ist denn eine Dampflok nicht dampfbetrieben? Wäre sie sonst nicht eine Öl-Lok? Egal. Die Bahn sorgt in unserer schnelllebigen Zeit für etwas Bedächtigkeit, Betulich-, um nicht zu sagen -häbigkeit. Ich erinnere mich sehr gut an 1971. Mein Gott, was war das eine Hetzerei damals! Wo man hinkam, kam man mit heraushängender Zunge und blauem Gesicht hin! Danke, Bahn, fürs Trödeln. Aber nach Westerland will ich trotzdem nicht.
    Zum Schluss noch zwei Merkwürdigkeiten aus der Politik. Das Baltikum ist glücklich; denn laut Präsident Obama ist der US-Beistand für die Ostseeländer "unzerbrechlich, felsenfest und ewig". Gut, dass Obama immer nur folgenlos schönredet.
    Nicht auszudenken, wenn eines Tages Truppen ohne Hohheitszeichen im Baltikum einfielen und Obama würde sich seiner festlichen Zusicherungen erinnern: Wir hätten den zweiten Baltischen Krieg an der Backe - nach dem Unabhängigkeitskrieg 1917 bis 20.
    Und schließlich: die Türkei. Dort findet zur Zeit eine Tagung statt, die sich mit der Meinungsfreiheit im Internet beschäftigt. Sehr witzig. Der Bock wird zum Gärtner, was rede ich, zum Landschaftsarchitekten gemacht. Die Teilnehmer der Tagung müssen hoffen, nicht wegen untürkischer Umtriebe oder ähnlichem Unfug verhaftet zu werden. Manchmal macht die Wirklichkeit wahrlich die blödesten Witze.