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Isländer wollen die Krone absetzen

Soll Island in die Europäische Union? Diese Frage wird auf der Insel diskutiert, seit im Zuge der Finanzkrise der Staatsbankrott in letzter Sekunde abgewendet werden konnte. Das Land steht vor einem Schuldenberg, die Währung Krone ist abgestürzt. Um wieder auf die Beine zu kommen, sind der Weg in die EU sowie der Euro als Zahlungsmittel mögliche Alternativen - jedoch nicht zur Freude aller.

Von Philipp Boerger | 15.04.2009
    "I would like to join the Euro. Because I don't believe in Krona anymore. It's a hopeless case."

    Die Isländerin Margret, 35 Jahre alt, würde die Krone gern gegen den Euro eintauschen und das für immer. Sie glaubt nicht, dass ihre Währung wieder dauerhaft zu alter Stärke zurückkehren wird, der Ruf der Krone sei ruiniert.

    "Because it's been ruined kind of now. It's not the same currency that it used to be and nobody believes in it anymore."

    Der Meinung sind nicht alle. Stefán, etwa doppelt so alt wie Margret, will die Krone behalten. Er hat gute und schlechte Zeiten mit ihr erlebt und glaubt an sie.

    "I would like to keep the krona. Because it is our money and we can do everything we want with the krona."

    Krone oder Euro, Unabhängigkeit oder EU-Mitgliedschaft, diese Frage wird die Isländer noch eine ganze Zeit beschäftigen. In zehn Tagen, am Samstag, den 25. April findet die vorgezogene Parlamentswahl statt, für die so viele Isländer im Winter heftig demonstriert hatten. Über einen möglichen EU-Beitritt soll aber frühestens in einem halben Jahr abgestimmt werden, je nach Ausgang der Wahl. Denn die Parteien im Parlament und auch die derzeitige rot-grüne Übergangsregierung sind sich im Hinblick auf Verhandlungen mit der EU überhaupt nicht einig. Der isländische Radiomoderator Hjolmar Svensson findet das bedenklich.

    "Eine gefährliche Zeit, denn jetzt haben Demagogen sehr viel Platz. Das sind diejenigen, die die Gelegenheit benutzen wollen, um Island völlig zu isolieren. Und dann können wir alles machen, was wir wollen, zum Beispiel Wale fangen und dann können wir wie richtige starke isländische Seemänner handeln."

    Tatsächlich haben vor allem viele ältere Isländer regelrecht Angst vor der EU und dementsprechend auch keine gute Meinung zu Brüssel und Straßburg.

    "I don't want to be part of the European Union because there is a lot of corruption ... lots of corruption!"
    Meint die Rentnerin Gudrun und hat auch gleich das Argument parat, das so gut wie alle EU-Skeptiker teilen:

    "We're afraid if the foreigners come here and take the land from us."

    Es ist die Angst, die Kontrolle zu verlieren, die Selbstbestimmung aufgeben zu müssen. Island ist eine der ältesten Demokratien der Welt. Schon vor über 1000 Jahren beschlossen die Bewohner, Volksversammlungen einzuberufen und über wichtige Entscheidungen abzustimmen, statt sich der Tyrannei eines einzelnen Häuptlings oder Königs zu unterwerfen. Ferne und undurchsichtige Bürokratieapparate wie die EU sind vielen Isländern deshalb suspekt. Und so wird alternativ zum EU-Beitritt weiterhin auch über ein Währungs- und Wirtschaftsbündnis mit Norwegen diskutiert. Dass in ihrem eigenen Land in den letzten Jahren allerdings auch sehr viel aus dem Ruder gelaufen ist, dass viele Entscheidungen in Hinterzimmern gefällt wurden, dass die Rechte für den Fischfang nur einigen wenigen reichen Familien gehören, das scheint alles nicht zu zählen, wenn Stimmung gegen die EU gemacht werden soll.
    Den Isländer Christian macht das wütend und er hofft, dass die alten Business-Wikinger, wie er sie nennt, bei den Wahlen nicht wieder neu erstarken.

    "Korruption gibt's hier doch auch schon lange. Die typische Vetternwirtschaft. Du kennst jemanden, der jemanden mit Einfluss kennt, du bevorzugst deine Freunde und Familie, wenns um Jobs und Geschäfte geht. Nicht richtig kriminell, keine Bestechung, mehr nach dem Motto – ich tue dir einen Gefallen, du tust mir einen Gefallen."

    Die Begeisterung der Isländer für die EU schwankt erheblich. Während der Anti-Regierungs-Proteste im Dezember und Januar waren mehr als 60 Prozent der Bürger für einen raschen EU-Beitritt. Inzwischen ist die Zustimmung wieder auf 40 Prozent gesunken. Das liegt auch daran, dass Großbritannien Island formal immer noch als terroristischen Staat behandelt, um eingefrorenes isländisches Vermögen zu verwalten. Oder dass die deutschen Kunden der Kaupthing-Bank weiterhin auf die Rückzahlung ihrer Sparguthaben oberhalb der garantierten 20.000 Euro-Einlagensicherung bestehen. Während viele Isländer gar nichts mehr haben, wie die Verkäuferin Salvor beklagt.

    "Viele Leute haben ihre Häuser, ihre Jobs, einfach alles verloren. Die Banker haben sogar unsere Altersvorsorge verzockt. Ein Geschäft nach dem anderen macht dicht, es ist ein trauriger Anblick. Und den Rest der Welt kümmert es nicht, wie schwer die Situation hier ist."