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Islam und Christentum
"Postchristliche Erscheinung"

Rudolf Voderholzer, Bischof von Regensburg, erhebt die Stimme im Namen besorgter Christen. Er bezweifelt, dass der Islam integrierbar ist. Manches klingt wie aus dem AfD-Programm, doch zu Parteien geht der Dogmatiker auf Distanz.

Von Michael Watzke | 02.02.2017
    Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer auf der Auftaktkundgebung des "Marsch für das Leben" im September 2016.
    Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer auf der Auftaktkundgebung des "Marsch für das Leben" im September 2016. (imago stock&people)
    Es war kalt im Regensburger Dom, als Bischof Rudolf Voderholzer neulich in die Predigtkanzel stieg. Den Gottesdienst-Besuchern gefror der Atem, als der Regensburger Oberhirte über den Islam sprach:
    "Der Islam nun freilich – so viel Realismus müssen wir aufbringen – ist nicht einfach irgendeine Kultur, sondern eine post-christliche Erscheinung, die mit dem Anspruch auftritt, die Kerngehalte des Christentums zu negieren."
    Postchristlich? Viele der Besucher runzelten die Stirn. Was wollte der Dogmatiker Voderholzer denn damit sagen? Ist der Islam so post-christlich wie das Protestantentum post-katholisch ist? Oder das Christentum post-jüdisch? Mitnichten, so der Bischof. Postchristlich sei der Islam, weil er das Christentum korrigieren wolle und deshalb im Gegensatz zu den Kerngehalten des Christentums stehe, nämlich …
    "den Glauben an den dreifaltigen Gott, die Menschwerdung Christus‘ und sein Erlösungswerk am Kreuz."
    Auch Juden glauben nicht an den Heiligen Geist
    Diese Grundsätze negiert allerdings nicht nur der Islam. Auch Juden, Hinduisten, Atheisten oder Agnostiker glauben nicht an den Heiligen Geist oder Christi Himmelfahrt. Doch für den Theologie-Professor Voderholzer steckt mehr dahinter. Er hält den Islam – im Gegensatz etwa zum Judentum – für nicht europafähig.
    Voderholzer in der Predigt: "Nur wer seinen eigenen Glauben entweder nicht kennt oder nicht ernst nimmt, kann hier eine weitreichende Integration des Islam als Islam für möglich halten. Die Integration des Widersprüchlichen als solchem, das wird nicht gelingen."
    Als der Regensburger Michael Hauber diese Predigt hörte, ärgerte er sich. Hauber ist promovierter katholischer Theologe und Religionslehrer. Genau wie Voderholzer hat sich auch Hauber als Religionswissenschaftler mit der Dreifaltigkeitslehre auseinandergesetzt. Hauber sagt, bereits das Zweite Vatikanische Konzil habe in der Erklärung "Nostra Aetate" festgehalten …
    Derselbe Gott - wo ist der Widerspruch?
    "… dass die katholische Kirche die Muslime mit Hochachtung betrachtet. Weil sie - wie der gemeinsame Vater im Glaube, Abraham - an einen Gott glauben. Ich würde mal sagen, das ist die viel stärkere Gemeinsamkeit als alle Unterschiede, die danach kommen. Wo ist da der Widerspruch? Wir glauben alle an einen und denselben Gott."
    Ist also der Begriff "post-christlich", den Bischof Voderholzer benutzt, ein Modewort? Ist er gar post-faktisch? Hauber hält einen Augenblick inne und antwortet dann vorsichtig:
    "Natürlich ist der Islam nach dem Christentum entstanden. Dem eigenen Selbstverständnis nach als eine Reformbewegung des Christentums. Die ersten Muslime haben das Christentum kennengelernt als eine Religion, die mit vielen Bildern gearbeitet hat. Das steht ganz klar eigentlich im Widerspruch zum biblischen Bilderverbot. Die sehr viele Heilige verehrt hat. Und der Islam hat natürlich auch die Trinität als problematisch wahrgenommen. Im Vergleich zum strengen Ein-Gott-Glauben, den die Juden pflegen. Und genau das wollte Mohammed auch reformiert sehen."
    Der Islam als Wegbereiter für das heutige Europa
    Die Frage ist: Resultiert daraus tatsächlich eine Nicht-Integrierbarkeit des Islam in Europa, wie der Regensburger Bischof postuliert? Und wenn ja - wieso ist dann ein Großteil der hier lebenden Muslime gut integriert? Es gehe ihm nicht um einzelne Muslime, lässt Voderholzer auf Nachfrage des Deutschlandfunks durch seinen Bistumssprecher präzisieren. Es gehe ihm um den Islam als Islam. Theologe Hauber widerspricht.
    "Das halte ich erstens für durchaus überzogen. Und zweitens halte ich es insofern für problematisch, als die islamische Philosophie des Mittelalters gerade Europa massiv beeinflusst hat. Und nicht nur diese. Die Medizin, die Kultur in Spanien und Sizilien ist hochgradig geprägt vom Islam. Das sind alles Mischkulturen."
    Es ist nicht das erste Mal, dass Bischof Voderholzer mit Aussagen zum Islam Aufmerksamkeit erregt. Bei einer Rosenkranz-Prozession zum Jahrestag der Seeschlacht von Lepanto, also dem Sieg der christlichen Flotte über das Osmanische Reich, stellte Voderholzer die Frage, ob nicht Europa durch den Flüchtlingsstrom des vergangenen Jahres fahrlässig und unverantwortlich zulasse, was, Zitat "seinerzeit durch die Fürsprache der Gottesmutter verhindert werden konnte"? Nämlich die Islamisierung des Abendlandes? Freilich, so der Bischof, kämen die Flüchtlinge "erst einmal nicht, um das Abendland zu erobern".
    Positionen von Pegida und AfD
    "Trotzdem sollte man nicht allen, die sich Sorgen machen um unsere christlich-abendländische Kultur, von vornherein alle möglichen pathologischen Phobien unterstellen."
    Meint Voderholzer damit die Positionen von Pegida oder der "Alternative für Deutschland"? Nein, sagt Bistumssprecher Clemens Neck. Der Bischof wolle sich nicht in eine Schublade stecken lassen. Auch wenn Voderholzer in anderen Politikfeldern durchaus Positionen vertritt, die mit der AfD harmonieren. So nimmt Voderholzer regelmäßig in vorderster Reihe am "Marsch für das Leben" teil, einer Demonstration von vehementen Abtreibungsgegnern. Und auch in der Genderdebatte teilt er erzkonservative Ansichten, die sogar der deutschen Bischofskonferenz zu weit gehen.
    Allerdings ließ er sich bisher von keiner Partei politisch einspannen. Auch nicht von "ChrAfD", der Bundesvereinigung "Christen in der AfD". Als vor einiger Zeit die NPD vor dem Regensburger Dom aufmarschierte, da ließ Voderholzer die mächtigen Dom-Glocken läuten, um die Neonazis zu übertönen. Würde er das auch bei einem Auftritt des AfD-Politikers Björn Höcke tun? Die Bistums-Pressestelle antwortet ausweichend. Die Frage stelle sich derzeit nicht. Stattdessen verweist man in Sachen Islam auf die Rede, die Papst Benedikt vor 11 Jahren in Regensburg hielt. Damals hatte der Heilige Vater rhetorisch gefragt:
    "Zeig mir doch, was Mohammed neues gebracht hat, und da wirst Du nur Schlechtes und Inhumanes finden, wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten."
    Regensburgs Wirtschaft braucht die Flüchtlinge
    Allerdings hatte der Papst dem Islam damals nicht generell die Integrationsfähigkeit in eine westlich-abendländische Kultur abgesprochen, wie es Voderholzer nun tut. In den Nachbarbistümern in München und Bamberg sorgt die Islam-Predigt für Kopfschütteln und Augenrollen. Auch wenn sich offiziell kein Bischof äußert. Der Münchner Kardinal Marx hatte Voderholzer vor vier Jahren ins Amt eingeführt mit den Worten:
    "Lieber Mitbruder, Gottes Segen Dir. Auf geht’s!!"
    Das würde Marx heute wahrscheinlich etwas anders formulieren. In Regensburg mag Voderholzer mit seiner Predigt durchaus dem ein oder anderen Kirchgänger aus der Seele gesprochen haben. Insgesamt aber hat die Stadt in der Oberpfalz tausende Flüchtlinge bereitwillig und gut integriert. Die boomende Wirtschaft der Region kann zusätzliche Arbeitskräfte gut gebrauchen. So funktioniert Integration. Als vor einigen Monaten mal Pegida in Regensburg demonstrieren wollte, meldeten die örtlichen Einzelhändler flugs eine Veranstaltung auf allen öffentlichen Plätzen an. Pegida strich die Segel, denn auch vor dem Dom war kein Platz für sie frei.