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Islam und Politik
Ehrfurcht vor dem Grausamen

Yezid war ein grausamer islamischer Herrscher, er tötete den Enkel des Propheten Mohammed. In der Türkei fällt sein Name häufiger denn je: Gegner wie Bewunderer von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sehen in Yezid den Begründer des politischen Islam.

Von Hüseyin Topel | 05.12.2016
    Darstellung des Kommandeurs der Armee des Kalifen Yazid in einem Historienspiel anlässlich der Aschura-Feiern in Teheran 2009. Die Schiiten gedenken an diesem Tag des Todes des für sie dritten Imams Husain in der Schlacht von Kerbela.
    Darstellung des Kommandeurs der Armee des Kalifen Yazid in einem Historienspiel anlässlich der Aschura-Feiern in Teheran 2009. Die Schiiten gedenken an diesem Tag des Todes des für sie dritten Imams Husain in der Schlacht von Kerbela. (AFP PHOTO/ATTA KENARE )
    Im siebten Jahrhundert kam es auf der arabischen Halbinsel zu heftigen Machtkämpfen. Mohammed besiegte in Mekka den alteingesessenen Stamm der Ummayaden, setzte den Ummayaden-Herrscher Sofian ab und führte in Mekka den Islam ein.
    "Sofian, der Großvater von Yezid war ein jahrelanger Widersacher des Propheten Mohammed. Dessen Sohn war der größte Gegner Alis, des Schwiegersohn Mohammeds. Er verkannte Alis spirituelle Ausrichtung und Führung der Muslime und beanspruchte die Deutungshoheit über den Islam für sich. Yezit ist der Sohn einer solchen Familie. Er trug die Philosophie seiner Vorfahren weiter. Zudem übertraf Yezid in der Grausamkeit alle zuvor genannten Personen."
    So stellt Seyrani Dede, ein alevitischer Geistlicher, den historischen Kontext des Umayyadenherrschers Yezid dar. Mohammed war gegenüber den Ummayaden skeptisch. Der alevitische Geistliche Seyrani Dede berichtet, was dazu überliefert wurde.
    Yezid übernahm das Amt des Khalifen
    "Mohammed soll geahnt haben, dass es in Zukunft mit den Ummyaden noch Schwierigkeiten geben könnte. Deshalb hat er den Muslimen mitgeteilt, dass sie sich nach seinem Tod mit Fragen zur Religion an seinen Schwiegersohn Ali und danach an dessen Nachfahren wenden sollten. Von Mohammed sind die Worte überliefert: Ich bin die Stadt des Wissens und Ali ist das Tor, durch das man in diese Stadt gelangt."
    Damit waren Ali und seine Nachfahren von Mohammed noch zu seiner Lebzeit als seine Stellvertreter angekündigt worden. Doch bereits zwei Generationen später kam es zum Konflikt mit den Ummayaden. Denn Yezid, der Enkel des einst entmachteten Ummayaden-Herrschers Sofian in Mekka sann auf Rache und wollte nun das Amt des Khalifen an sich reißen, um die absolute Herrschaft zu bekommen. Inzwischen war der Mohammed-Enkel Hussein Kalif der islamischen Gemeinschaft. Etwa 100 Kilometer von Bagdad entfernt richtete Yezid einen Hinterhalt ein und es kam zum entscheidenden Kampf von Kerbela. Dazu der Historiker Dede Süleyman Alan:
    "Auf der Seite von Mohammeds Enkel Husseins kämpften mit ihm etwa 70 Gefährten, auf der Seite Yezids stand eine Arme von insgesamt 5000 Männern. Hussein wurde in einen Hinterhalt gelockt und getötet und mit ihm etwa 30 von seinen Gefährten. Auch Frauen und Kinder wurden nicht verschont. Yezid übernahm nun das Amt des Khalifen und war damit auch der oberste Repräsentant der Religion. Er gab nun die Richtung im Islam an."
    Yezids Machtdemonstrationen wurde von der Bevölkerung bejubelt
    Und das bedeutete, dass die Religion jetzt der politischen Macht untergeordnet wurde. Yezid vollzog damit einen radikalen Kurswechsel im Islam. Süleyman Alan:
    "Yezid ging es nur um Politik. Die Religion wurde dafür nur instrumentalisiert. Um ein absoluter Herrscher zu sein, war Yezit jedes Mittel recht. Seinen treuen Gefolgsleuten versprach er jetzt lukrative Ämter und sie machten aus Habgier mit. Die einfache Bevölkerung verspürte Wohlstand und war ohnehin auf der Seite von Yezid."
    Yezid wurde von Syrien aus der alleinige Herrscher in der damaligen islamischen Welt. Außerdem versuchte er seinen Herrschaftsbereich mit Eroberungsfeldzügen zu erweitern. Er drang sogar bis an die Tore von Byzanz vor. Auch wenn er das damalige Konstantinopel noch nicht erobern konnte, wurde seine Machtdemonstrationen von der Bevölkerung bejubelt. Yezid wurde auf diese Weise auch zu einem Vorbild für die Vertreter des heutigen politischen Islam.
    Seyrani Dede sagt: "Yezid vertrat die Ideologie, wenn man die politische Macht erreichen will, ist alles erlaubt. Man kann über Leichen gehen und das wird letztlich auch noch unter dem Deckmantel der Religion gerechtfertigt. Andersdenkende werden systematisch denunziert, zum Feind erklärt und schließlich ausgeschaltet. Diese Eigenschaften anzunehmen nennt man bis heute auch "zum Yezid-werden".
    Das Phänomen, die Religion für die persönliche politische Macht einzusetzen, hat im Islam mit Yezid begonnen und bleibt bis heute eine ständige Herausforderung. Dazu Seyrani Dede:
    "Wenn man auf den sogenannten Islamischen Staat schaut, dann erkennt man dort genau diese Ideologie des Yezid wieder. Aber es gibt auch andere Bespiele. Ich denke da auch an ein Ereignis vor drei Jahren in Istanbul bei den Gezi-Protesten. Das waren Demonstrationen gegen die Regierung Erdogan."
    Politiker missbrauchen Religion, um Willkürherrschaft durchzusetzen
    Im Mai 2013 kam es im Zentrum von Istanbul zu großen Protesten, als die Regierung den Gezi-Park, einen der letzten Grünflächen der Stadt abreißen und dort einen repräsentativen Bau errichten wollte. Zahlreiche Aktivisten, Studenten, sowie Künstler demonstrierten zunächst friedlich. Später trat Erdogan vor die Medien und bestätigte selbst, dass er der Polizei "Feuer frei!" befahl.
    Dede erzählt: "Dort ging man gegen Demonstranten mit brutaler Gewalt vor, nur weil sie anderer Meinung waren. Die Regierung erteilte sogar der Polizei den Befehl zu schießen. Also das alles erinnert mich sehr an die Ideologie des Yezid. Gewalt gegen Menschen anzuwenden, nur weil sie anderer Meinung sind."
    Dem Abgeordneten der AKP Metiner rutschte während einer Fernsehsendung in einem regierungsnahen Sender schließlich ein Satz raus, der in Teilen der türkischen Bevölkerung bis heute für heftige Kritik sorgt.
    "Wenn Yezid und Hussein aufeinandertreffen, stehen wir an der Seite von Yezid."
    Zwar nahmen viele Politiker Metiner in Schutz, da es sich um einen einfachen Versprecher handele. Dennoch, auch der Historiker Süleymann Dede ist davon überzeugt, dass in der islamischen Welt Politiker bis heute immer wieder die Religion missbrauchen, um in deren Namen ihre Willkürherrschaft durchzusetzen.
    "Die Machtgier des Yezid und seine Art die Religion für die Politik einzusetzen ist auch nach 1300 Jahren eine Gefahr. Deshalb sollten wir daraus für unser religiöses Leben Konsequenzen ziehen. Wenn das nicht geschieht, dann befürchte ich, dass die Geschichte sich immer wieder wiederholen wird."