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Islam-Unterricht in NRW
Willkommen in der Schulpraxis

Seit 2012 gibt es an Schulen in NRW Islamunterricht. Bilal Oskan gehört zu den ersten Referendaren in NRW, die einen Studienabschluss in islamischer Religionswissenschaft absolviert haben und nun an einer Schule unterrichten. Für seine Klasse ist er mehr als nur ein Religionslehrer.

Von Friederike Müllender | 05.03.2018
    Der Religionslehrer Ridwan Bauknecht schreibt am Montag (27.08.2012) in Bonn an der Robert-Koch-Schule während des islamischen Religionsunterrichts an die Tafel.
    Seit November unterrichten Referendare an Schulen in NRW islamische Religion. (dpa / Oliver Berg)
    Pünktlich um fünf vor zehn beginnt Bilal Oskan seine Stunde in der neunten Klasse einer Gesamtschule in Düsseldorf. Schon mit seiner Begrüßung vermittelt er erste Inhalte:
    "Jetzt habt ihr ja gemerkt, dass wir uns seitdem ich an der Schule bin, mit Salam Alaikum begrüßen. Kann mir jemand erklären, warum wir diesen Friedensgruß nutzen?"
    Die Begrüßung passt zum Thema der heutigen Stunde: Die Verantwortung des Menschen aus islamischer Sicht. In Gruppenarbeit beschäftigen sich die 24 Schüler der 9. Klasse mit den sogenannten Hadithen, den überlieferten Aussprüchen und Handlungen des islamischen Propheten Mohammed. Zum Beispiel: "Keiner von euch ist eher gläubig, bis er seinem Freund oder Nachbar nicht gönnt, was er sich selbst gönnt." Oder: "Gott liebt auch, dass man die Eltern gut behandelt."
    Innerislamische und gesellschaftliche Pluralität spielt eine große Rolle
    Gemeinsam mit Referendar Bilal Oskan überlegen sie, was genau mit diesen Versen gemeint sein könnte und welche Rolle sie in ihrem Alltag spielen. Manche Gespräche im Unterricht stellen Bilal Oskan vor Herausforderungen, denn nicht alle Schüler gehören einer Religionsgemeinschaft an.
    "Natürlich gehören sie dem Islam an, aber natürlich repräsentieren sie die Heterogenität des Islams, das heißt, wir haben schiitische Schüler, wir haben sunnitische Schüler und natürlich sagt der eine Schüler: 'Ich bete anders' und der andere Schüler sagt: 'Nein, so betet man richtig'. Meine Aufgabe ist es, dann in dem Fall zu sagen, passt auf, wir müssen das neutral betrachten, jeder von euch betet richtig auf seine eigene Art und seine eigene Form."
    Gerade diese innerislamische und gesellschaftliche Pluralität spielt eine große Rolle im Lehrplan und wird im Unterricht immer wieder thematisiert. Neben der Entwicklungsgeschichte des Islam stehen auch die Gemeinsamkeiten mit den anderen Weltreligionen auf dem Lehrplan. Die Schülerinnen und Schüler vergleichen dabei Verse aus dem Koran mit Versen aus der Bibel und der Thora. Nicht nur deswegen ist der islamische Religionsunterricht so wichtig für die Schülerinnen und Schüler, findet Schuldirektor Jürgen Weitz.
    "Es gibt ja auch Untersuchungen, die gezeigt haben, dass der islamische Religionsunterricht eine integrative Wirkung hat, dass er die Toleranzkompetenz steigert und an unserer Schule gestaltet sich das Zusammenleben zwischen den Religionen und Konfessionen problemlos und ich glaube eben dadurch, dass es in der Schule stattfindet und es als selbstverständlich wahrgenommen wird und man die gemeinsamen Werte lebt und erkennt denke ich, ist das ein besonderer Bestandteil."
    17 Studierende im Referendariart in NRW
    Bilal Oskan gehört zu den ersten Referendaren überhaupt in NRW, die einen Studienabschluss in islamischer Religionswissenschaft machen und damit als Lehrer an die Schule gehen. Insgesamt 17 Studierende absolvieren gerade ihr Referendariat. Studiert haben sie alle an der Uni Münster. Seit etwa sieben Jahren gibt es vereinzelt islamischen Religionsunterricht. Bislang wurde der aber nur von Quereinsteigern gegeben. Für seine neunte Klasse ist Bilal Oskan aber weit mehr als nur ein Relilehrer in Spe.
    "Dann kommen sie zu mir und fragen mich zum Beispiel: ‚Darf ich Lippenstift tragen?‘. Ein Imam hat‘s da leicht, der kann einfach ja oder nein sagen, je nachdem, wie er das begründet. Also da bleib ich relativ, was ich darüber persönlich denke, da muss ich mich nicht äußern. Ich kann natürlich aber aufzeigen, was die islamischen Quellen dazu sagen und die Schüler entscheiden sich dazu am Ende."
    Die Beteiligung der 24 Schülerinnen und Schüler im Unterricht ist auffallend hoch. Stellt Bilal Oskan eine Frage, muss er nie lange auf eine Antwort warten. Ins Radiomikrofon sollen sie aber nicht sprechen, so der Direktor. Der Relikurs ist wissbegierig und bringt selbst ein großes Vorwissen mit. Eines jedoch sucht man auf den Tischen im Klassenraum vergeblich - den Koran.
    "Ich nutze den Koran nicht. Das heißt, wenn ich einen Koranvers den Schülern gebe, dann würden sie das nicht verstehen, weil einfach mehr hinter diesem Vers steht. Das heißt, wenn ich den Koran auf den Tisch legen würde und sagen würde, öffnet das Buch und sucht eure Antworten aus diesem Buch, tu ich nichts anderes, als das, was Leute tun, die sich extremisieren lassen. Meine Aufgabe ist es aber zu zeigen, es gibt bestimmte Bedingungen, um den Koran zu verstehen und das bedient einer großen Vorbereitung, um dann erst mit dem Koran zu arbeiten."
    Noch gibt es die Lehrpläne für den islamischen Religionsunterricht erst bis zur einschließlich 10. Klasse. Laut Schulministerium soll es den in Zukunft aber auch für die Oberstufe geben.