Der Antrittsbesuch des britischen Premierministers David Cameron in Indien diese Woche drohte zunächst beinahe unterzugehen. Denn zur selben Zeit hielt sich auch Birmas Armeechef Than Shwe in Indien auf. Doch dann brachte sich Cameron mit einer Rede in Südindiens Hightech-Metropole Bangalore schlagartig ins Gespräch:
"Wir sollten Pakistan sehr genau klarmachen, dass wir ein starkes, stabiles und demokratisches Pakistan wollen. Aber wir können es auf keinen Fall tolerieren, dass dem Land erlaubt ist, in beide Richtungen zu schauen und den Export von Terror zu fördern, ob nun nach Indien, nach Afghanistan oder sonstwohin in die Welt. Demokratische Staaten, die ein Teil der entwickelten Welt sein wollen, dürfen das nicht. Die Botschaft, die Großbritannien und die USA aussenden, ist in diesem Punkt eindeutig."
Mit seiner Kritik an Pakistan, die in dieser Deutlichkeit noch kein westlicher Regierungschef formuliert hat, bezog sich Cameron auf die Enthüllungen der Webseite Wikileaks. Denn in den mehr als 90.000 Geheimdokumenten der US-Armee, die Wikileaks veröffentlicht hat, finden sich unzählige Berichte, in denen es heißt, Pakistans Geheimdienst "ISI" unterhalte Kontakte zu den afghanischen Taliban. Pakistanische Agenten sollen demnach Taliban-Kämpfer ausbilden und sie mit Munition versorgen. Einem Bericht zufolge sollen die pakistanischen Geheimdienstleute auch gemeinsam mit den Taliban die Ermordung des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai geplant haben - und das, obwohl Pakistan seit Jahren ein enger Verbündeter der USA ist.
In Pakistan ließen die Reaktionen auf die Enthüllungen nicht lange auf sich warten. Die Regierung wies die Vorwürfe als haltlos zurück. Pakistans Medien fanden schnell den Schuldigen: Die US-Regierung habe die Berichte "gefälscht" und selbst in Umlauf gebracht, um Islamabad unter Druck zu setzen, hieß es vielfach.
Doch damit liegen sie falsch, sagt Farrukh Saleem, ein bekannter Analyst aus Islamabad.
"Ich habe das Gefühl, dass die Reaktion der Medien zeigt, wie wenig gut informiert sie sind. Sie reagieren nach bekanntem Muster: Das Ganze sei eine Art US-Verschwörung, hieß es, um Druck auf Pakistan auszuüben. Und viele unserer Politiker, mit denen ich in den vergangenen Tagen in Talkshows aufgetreten bin, haben die Dokumente nicht selbst gelesen und analysiert. Ein Großteil von ihnen ist daher der Meinung, dass die USA Pakistan da in eine Art Falle locken möchten. Ich sehe nicht, dass die US-Regierung hinter der Herausgabe der Dokumente steckt. Denn sie würde ja nicht auf die Idee kommen, ihre eigene Außenpolitik zu torpedieren."
Dabei sind die Vorwürfe, Pakistan arbeite mit den Taliban zusammen, nicht neu. Die USA beklagen bereits seit Jahren, dass Islamabad zu wenig gegen deren Rückzugsgebiete in pakistanischem Territorium unternehme.
Dass zumindest Teile des pakistanischen Geheimdienstes "ISI" noch heute Kontakte zu den Taliban unterhalten, gilt ebenfalls als offenes Geheimnis. Schließlich hat der ISI die Taliban in den 90er-Jahren aufgebaut und anschließend bei deren Eroberungsfeldzügen in Afghanistan unterstützt. Damals wie heute setzt der Geheimdienst die politischen Ziele der Armee in der Region um, die in Pakistan quasi ein Monopol auf Sicherheitsfragen hat. Die Regierung hat offenbar keine Kontrolle über den ISI.
Obwohl also die Kontakte der Agenten zu den Taliban seit Langem offenkundig sind, bemühte sich US-Vizepräsident Joe Biden, die Lage zu entschärfen. Zwar räumte er ein, es habe zwar "in der Vergangenheit" Probleme mit dem ISI gegeben. Die Lage habe sich aber mittlerweile geändert. Damit scheint die US-Regierung Pakistans doppeltes Spiel zumindest zu dulden. Der Analyst Farrukh Saleem:
"Es gibt auf offizieller Ebene, in Pakistan und in den USA, eine klare Übereinkunft darüber, dass beide Seiten, sowohl die USA als auch Pakistan, ihre eigenen zentralen Interessen in Afghanistan verfolgen. Und dass Pakistan nicht gewillt ist, die seinen zu gefährden. Eines dieser zentralen Interessen Pakistans zielt darauf ab, Macht und Einfluss in Afghanistan geltend zu machen und jeden Versuch Indiens, dort ebenfalls aktiv eine Rolle zu spielen, zu unterminieren. Betrachtet man das vom strategischen Standpunkt, dann sieht man, dass acht von 13 indischen Armeekorps nicht mehr als 100 Kilometer von der pakistanisch-indischen Grenze entfernt stehen. Und die indische Luftwaffe ist jetzt auch mit einem Luftwaffenstützpunkt in Tadschikistan präsent. Strategen in Pakistan scheinen davon auszugehen, dass Indien versucht, Pakistan einzukreisen. Ich denke, kein Land würde erlauben, vom Erzfeind geografisch eingekreist zu werden."
Mit anderen Worten: Pakistan unterstützt heimlich die Taliban, um seinen Einfluss auf Afghanistan aufrechtzuerhalten und um damit Indien auf Abstand zu halten.
Dabei erscheint widersprüchlich, dass Pakistan milliardenschwere Rüstungsgelder aus den USA entgegennimmt und sich als enger Freund Washingtons präsentiert, aber trotzdem offenbar weiterhin mit den Taliban zusammenarbeitet. Dieser Widerspruch erscheint noch absurder, da die Dokumente auf Wikileaks nahelegen, dass die USA sehr genau über Islamabads Politik Bescheid wissen.
Doch Washington bleibt wohl nichts anderes übrig, als sich auf dieses bizarre Spiel einzulassen. Denn die USA sind auf Pakistan angewiesen. Rund drei Viertel allen Nachschubs für die ISAF-Truppen gelangen über Pakistan nach Afghanistan. Ohne Pakistans Hilfe wäre der Krieg in Afghanistan endgültig verloren.
Also schweigt Washington über Islamabads doppeltes Spiel und fährt ebenfalls zweigleisig: Der US-Geheimdienst CIA tötet gezielt Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer auf pakistanischem Gebiet. Mit unbemannten Dronen.
Hinzu kommt: Pakistan hat nach der Offenlegung der Wikileaks-Dokumente mehrfach betont, es sei selbst Opfer des Terrorismus und habe daher bereits eine Menge gegen militante Gruppen auf seinem Gebiet unternommen. Das stimmt. Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren in Pakistan bei Anschlägen so viele Menschen ums Leben gekommen wie nirgendwo sonst. Auch ist Pakistans Armee mehrfach in einige Gebiete an der Grenze zu Afghanistan einmarschiert und hat dort große Gebiete von militanten Gruppen zurückerobert. Doch diese Gruppen waren fast nur in Pakistan selbst aktiv gewesen.
Gegen Kämpfer oder Stammesmilizen, die an der Seite der Taliban in Afghanistan kämpfen, hat Islamabad nichts unternommen. Dabei stellte das eine der Kernforderungen dar, die US-Präsident Obama im vergangenen Jahr als Teil seiner neuen Afghanistan-Strategie formulierte. Doch von dieser Forderung ist heute nichts mehr zu hören.
Denn: Pakistans Generäle sollen verärgert auf den amerikanischen Vorstoß reagiert haben, glaubt Imtiaz Gul vom "Center for Research and Security Studies", einem unabhängigen Forschungsinstitut in Islamabad:
"Die USA wollten, dass Pakistan die US-Interessen verteidigt, indem es Gruppen und Stämme in der Grenzregion angreift. Aber Washington hat nicht realisiert, dass genau das Pakistans Interessen in der Grenzregion gefährden würde. Pakistan muss sich mit den Stämmen in dieser Region arrangieren. Wenn wir die in einer Blitzkrieg-artigen Aktion verärgern, dann dürfte sich Pakistan damit noch mehr Probleme einhandeln."
"Wir sollten Pakistan sehr genau klarmachen, dass wir ein starkes, stabiles und demokratisches Pakistan wollen. Aber wir können es auf keinen Fall tolerieren, dass dem Land erlaubt ist, in beide Richtungen zu schauen und den Export von Terror zu fördern, ob nun nach Indien, nach Afghanistan oder sonstwohin in die Welt. Demokratische Staaten, die ein Teil der entwickelten Welt sein wollen, dürfen das nicht. Die Botschaft, die Großbritannien und die USA aussenden, ist in diesem Punkt eindeutig."
Mit seiner Kritik an Pakistan, die in dieser Deutlichkeit noch kein westlicher Regierungschef formuliert hat, bezog sich Cameron auf die Enthüllungen der Webseite Wikileaks. Denn in den mehr als 90.000 Geheimdokumenten der US-Armee, die Wikileaks veröffentlicht hat, finden sich unzählige Berichte, in denen es heißt, Pakistans Geheimdienst "ISI" unterhalte Kontakte zu den afghanischen Taliban. Pakistanische Agenten sollen demnach Taliban-Kämpfer ausbilden und sie mit Munition versorgen. Einem Bericht zufolge sollen die pakistanischen Geheimdienstleute auch gemeinsam mit den Taliban die Ermordung des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai geplant haben - und das, obwohl Pakistan seit Jahren ein enger Verbündeter der USA ist.
In Pakistan ließen die Reaktionen auf die Enthüllungen nicht lange auf sich warten. Die Regierung wies die Vorwürfe als haltlos zurück. Pakistans Medien fanden schnell den Schuldigen: Die US-Regierung habe die Berichte "gefälscht" und selbst in Umlauf gebracht, um Islamabad unter Druck zu setzen, hieß es vielfach.
Doch damit liegen sie falsch, sagt Farrukh Saleem, ein bekannter Analyst aus Islamabad.
"Ich habe das Gefühl, dass die Reaktion der Medien zeigt, wie wenig gut informiert sie sind. Sie reagieren nach bekanntem Muster: Das Ganze sei eine Art US-Verschwörung, hieß es, um Druck auf Pakistan auszuüben. Und viele unserer Politiker, mit denen ich in den vergangenen Tagen in Talkshows aufgetreten bin, haben die Dokumente nicht selbst gelesen und analysiert. Ein Großteil von ihnen ist daher der Meinung, dass die USA Pakistan da in eine Art Falle locken möchten. Ich sehe nicht, dass die US-Regierung hinter der Herausgabe der Dokumente steckt. Denn sie würde ja nicht auf die Idee kommen, ihre eigene Außenpolitik zu torpedieren."
Dabei sind die Vorwürfe, Pakistan arbeite mit den Taliban zusammen, nicht neu. Die USA beklagen bereits seit Jahren, dass Islamabad zu wenig gegen deren Rückzugsgebiete in pakistanischem Territorium unternehme.
Dass zumindest Teile des pakistanischen Geheimdienstes "ISI" noch heute Kontakte zu den Taliban unterhalten, gilt ebenfalls als offenes Geheimnis. Schließlich hat der ISI die Taliban in den 90er-Jahren aufgebaut und anschließend bei deren Eroberungsfeldzügen in Afghanistan unterstützt. Damals wie heute setzt der Geheimdienst die politischen Ziele der Armee in der Region um, die in Pakistan quasi ein Monopol auf Sicherheitsfragen hat. Die Regierung hat offenbar keine Kontrolle über den ISI.
Obwohl also die Kontakte der Agenten zu den Taliban seit Langem offenkundig sind, bemühte sich US-Vizepräsident Joe Biden, die Lage zu entschärfen. Zwar räumte er ein, es habe zwar "in der Vergangenheit" Probleme mit dem ISI gegeben. Die Lage habe sich aber mittlerweile geändert. Damit scheint die US-Regierung Pakistans doppeltes Spiel zumindest zu dulden. Der Analyst Farrukh Saleem:
"Es gibt auf offizieller Ebene, in Pakistan und in den USA, eine klare Übereinkunft darüber, dass beide Seiten, sowohl die USA als auch Pakistan, ihre eigenen zentralen Interessen in Afghanistan verfolgen. Und dass Pakistan nicht gewillt ist, die seinen zu gefährden. Eines dieser zentralen Interessen Pakistans zielt darauf ab, Macht und Einfluss in Afghanistan geltend zu machen und jeden Versuch Indiens, dort ebenfalls aktiv eine Rolle zu spielen, zu unterminieren. Betrachtet man das vom strategischen Standpunkt, dann sieht man, dass acht von 13 indischen Armeekorps nicht mehr als 100 Kilometer von der pakistanisch-indischen Grenze entfernt stehen. Und die indische Luftwaffe ist jetzt auch mit einem Luftwaffenstützpunkt in Tadschikistan präsent. Strategen in Pakistan scheinen davon auszugehen, dass Indien versucht, Pakistan einzukreisen. Ich denke, kein Land würde erlauben, vom Erzfeind geografisch eingekreist zu werden."
Mit anderen Worten: Pakistan unterstützt heimlich die Taliban, um seinen Einfluss auf Afghanistan aufrechtzuerhalten und um damit Indien auf Abstand zu halten.
Dabei erscheint widersprüchlich, dass Pakistan milliardenschwere Rüstungsgelder aus den USA entgegennimmt und sich als enger Freund Washingtons präsentiert, aber trotzdem offenbar weiterhin mit den Taliban zusammenarbeitet. Dieser Widerspruch erscheint noch absurder, da die Dokumente auf Wikileaks nahelegen, dass die USA sehr genau über Islamabads Politik Bescheid wissen.
Doch Washington bleibt wohl nichts anderes übrig, als sich auf dieses bizarre Spiel einzulassen. Denn die USA sind auf Pakistan angewiesen. Rund drei Viertel allen Nachschubs für die ISAF-Truppen gelangen über Pakistan nach Afghanistan. Ohne Pakistans Hilfe wäre der Krieg in Afghanistan endgültig verloren.
Also schweigt Washington über Islamabads doppeltes Spiel und fährt ebenfalls zweigleisig: Der US-Geheimdienst CIA tötet gezielt Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer auf pakistanischem Gebiet. Mit unbemannten Dronen.
Hinzu kommt: Pakistan hat nach der Offenlegung der Wikileaks-Dokumente mehrfach betont, es sei selbst Opfer des Terrorismus und habe daher bereits eine Menge gegen militante Gruppen auf seinem Gebiet unternommen. Das stimmt. Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren in Pakistan bei Anschlägen so viele Menschen ums Leben gekommen wie nirgendwo sonst. Auch ist Pakistans Armee mehrfach in einige Gebiete an der Grenze zu Afghanistan einmarschiert und hat dort große Gebiete von militanten Gruppen zurückerobert. Doch diese Gruppen waren fast nur in Pakistan selbst aktiv gewesen.
Gegen Kämpfer oder Stammesmilizen, die an der Seite der Taliban in Afghanistan kämpfen, hat Islamabad nichts unternommen. Dabei stellte das eine der Kernforderungen dar, die US-Präsident Obama im vergangenen Jahr als Teil seiner neuen Afghanistan-Strategie formulierte. Doch von dieser Forderung ist heute nichts mehr zu hören.
Denn: Pakistans Generäle sollen verärgert auf den amerikanischen Vorstoß reagiert haben, glaubt Imtiaz Gul vom "Center for Research and Security Studies", einem unabhängigen Forschungsinstitut in Islamabad:
"Die USA wollten, dass Pakistan die US-Interessen verteidigt, indem es Gruppen und Stämme in der Grenzregion angreift. Aber Washington hat nicht realisiert, dass genau das Pakistans Interessen in der Grenzregion gefährden würde. Pakistan muss sich mit den Stämmen in dieser Region arrangieren. Wenn wir die in einer Blitzkrieg-artigen Aktion verärgern, dann dürfte sich Pakistan damit noch mehr Probleme einhandeln."