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Islamunterricht an deutschen Schulen
Lehrerausbildung mit angezogener Handbremse?

An vier Zentren werden in Deutschland Islamlehrer ausgebildet. Die Studieninhalte sollen sich im wissenschaftlichen Diskurs entwickeln – so, dass sie die Bandbreite des Islam widerspiegeln. Doch bislang gibt es viel zu wenig Islamlehrer. Möglicherweise, weil sie um Vorbehalte an den Schulen wissen.

Von Burkhard Schäfers | 10.09.2014
    Ein Islamlehrer mit Schülern der ersten Klasse beim islamischen Religionsunterricht.
    Der Lehrer Timur Kumlu unterrichtet an der Henri-Dunant-Schule in Frankfurt am Main (Hessen) (dpa / picture alliance / Roland Holschneider)
    "Ich bin der Meinung, je weniger ein Mensch weiß, desto anfälliger ist er für jegliche Form der Manipulation. Das Gottesbild, das ich davor hatte, hat sich komplett gewandelt. Und das ist das Wunderbarste am Studium für mich."
    Emel Löffelholz studiert an der Universität Erlangen-Nürnberg Hauptschul-Lehramt. Sie kommt ins neunte Semester und hat als Ergänzungsfach Islamische Religionslehre gewählt. Sobald sie ihren Abschluss hat, kann die angehende Lehrerin an einer von gut 250 Schulen in Bayern anfangen, die islamischen Unterricht anbieten.
    "Ich möchte nicht vorne stehen und den Schülern mechanisch die sechs Glaubenssätze und die Fünf Säulen aufsagen, sondern hoffentlich wird es viel um Reflexion gehen, darum was für Erfahrungen sie gemacht haben, wovor sie Angst haben, was sie interessiert. Das ist mein Ziel: Ausgangspunkt sollte der Schüler sein."
    Emel Löffelholz hat durchaus Respekt davor, denn in der Schule wird sie mit ganz unterschiedlichen Erwartungen konfrontiert sein: Dort der Staat, der wünscht, dass sich muslimische Schüler durch den Islamunterricht in die Gesellschaft integrieren. Hier Schüler und Eltern mit ganz unterschiedlichen religiösen Auffassungen. Und auch die Hochschule steht auf dem Prüfstand, wie gut sie die jungen Lehrer vorbereitet hat. Harry Harun Behr, Professor für Islamische Religionslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg:
    "Das ist ein schwieriger Übersetzungsprozess: Wenn hinten aus der letzten Bank von Achtklässlern mit leicht patriarchalistischer Anmutung das Gegenkalifat ausgerufen wird, weil vorn eine junge Religionslehrerin steht, die kein Kopftuch trägt. Da kann der Diskurs schon mal streitbar werden, das soll er auch. Es gehört zum Unterrichtsprofil der fundierte, argumentativ geführte Meinungsstreit."
    Vier Ausbildungsstätten für Lehrer
    Deutschland sucht nach der intellektuellen Elite unter den Muslimen. Diese bildet der Staat an vier Zentren zu Islamlehrern aus: Neben Erlangen-Nürnberg gehören dazu Tübingen, Frankfurt-Gießen und Münster-Osnabrück.
    "Wer das Fach unterrichten will, der muss es aushalten, dass im Rahmen des akademischen Studiums alles was für gesichert, geglaubt erklärt wird, auch hinterfragt wird. Ich lupfe den Tupperdeckel, dass da Luft rein kommt in den Kopf. Der Islamunterricht in der Schule ist nicht der verlängerte Arm des Koranunterrichts in der Moschee."
    "Religion vor einer Vereinnahmung oder inhaltlichen Verengung bewahren"
    Nicht nur bei Hochschullehrer Behr, auch bei anderen Islamwissenschaftlern lässt sich heraushören, wie schwierig diese Aufgabe ist: Ausreichend junge Leute zu finden, die Frömmigkeit und religiöse Tradition als stabiles Fundament betrachten. So stabil, dass sie bereit sind zuzulassen, dass die wissenschaftliche Theologie kräftig an diesem Fundament rüttelt.
    Etliche Muslime betrachten das Lehramtsstudium an den Hochschulen skeptisch – sie haben mehr Vertrauen zu Imamen, die im arabischen Sprachraum ausgebildet wurden. Die Mehrheit der muslimischen Verbände indes unterstützt die Zentren für Islamische Theologie in Deutschland – ebenso wie die Bundesregierung. Das Bildungsministerium hat 20 Millionen Euro für die vier Standorte vorgesehen, sagt Bildungsstaatssekretär Thomas Rachel:
    "Ich glaube, dass gerade der Ansatz, dass die Islamische Theologie neben anderen Theologien an den deutschen Universitäten sich nun etablieren kann dazu beiträgt, dass die Islamische Theologie auch einen Beitrag leisten kann durch wissenschaftliche Reflektion Religion vor einer Vereinnahmung oder inhaltlichen Verengung zu bewahren."
    Die Studieninhalte sollen sich im wissenschaftlichen Diskurs entwickeln – so, dass sie die Bandbreite des Islam widerspiegeln, hofft das Bundesbildungsministerium. Dafür Sorge tragen sollen Beiräte an den Hochschulen, deren Mitglieder im besten Fall die unterschiedlichen Strömungen des Islam abbilden.
    "Wichtig ist, glaube ich, dass die Pluralität, die wir auch in der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland haben, dass die sich auch in den Gesamtkonstruktionen wiederfindet."
    Um die Zusammensetzung der Beiräte wird zäh gerungen. Und auch die Berufung von Professoren ist umstritten, wie der Fall Mouhanad Khorchide in Münster zeigt. Der Islamwissenschaftler liegt aufgrund seiner theologischen Positionen mit mehreren muslimischen Verbänden über Kreuz. Zwischenzeitlich forderten diese sogar seine Absetzung.
    "Wir brauchen weitere Lehrstühle!
    Im Islam gibt es kein höchstes Lehramt, immer wieder entbrennen Diskussionen um die Fragen des rechten Glaubens. Das mag manche Muslime eher abschrecken, eine Laufbahn als Religionslehrer einzuschlagen. Allein in Nordrhein-Westfalen, wo mit 350.000 knapp die Hälfte aller muslimischen Schüler leben, fehlen hunderte Islamlehrer. In Bayern und Niedersachsen sieht es ähnlich aus. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, fordert mehr Unterstützung von Bund und Ländern:

    "Ich sehe ein großes Problem, was das festgesetzte Ziel angeht, eines Tages flächendeckend Unterricht anzubieten. Also in der Umsetzung muss die Politik eine Schippe drauflegen. Wir brauchen weitere Lehrstühle, wir brauchen da mehrere Dutzend in Deutschland."
    Die Bundesregierung jedoch plant derzeit offenbar nicht, die Fördersumme für die Islamischen Zentren an den Unis aufzustocken. Obwohl auch Bildungsstaatssekretär Thomas Rachel zugibt, dass Religionslehrer fehlen.

    "Das Ziel aus meiner Sicht sollte sein, dass islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache auf deutscher Verfassungsgrundlage in der Breite der muslimischen Generation auch vermittelt werden kann. Dazu wird es auch in Zukunft natürlich einen wachsenden Anteil von Religionslehrern benötigen, das ist ganz offenkundig."

    Wo diese aber herkommen sollen, dazu hält sich die Regierung bedeckt. Die Politik will den Islamunterricht, offenbar aber mit angezogener Handbremse. Möglicherweise, weil sie um Vorbehalte an den Schulen weiß. Auch hier geht die Angst vor radikalen Strömungen des Islam um. Obwohl nur Muslime unterrichten dürfen, die fundiert ausgebildet wurden und seitens der Islamverbände die Lehrerlaubnis erhalten haben. Dennoch berichtet die angehende Nürnberger Lehrerin Emel Löffelholz:

    "Ich habe leider von einigen Schülern gesagt bekommen, dass sie sich unwohl fühlen, wenn sie den Islamunterricht besuchen, weil dann gewisse Sprüche von Lehrkräften oder auch anderen Schülern kommen. Ich hoffe einfach, dass der Islamunterricht auch bei den Lehrkräften so ankommt, dass Schüler nicht manipuliert werden im Unterricht und dann zu Fundamentalisten werden, sondern dass es letztlich ein Unterricht ist wie Religionsunterricht evangelisch oder katholisch auch."