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Isolation schadet dem Gehirn

Neurowissenschaften. - Studien an Rhesus-Affen und an Kindern aus Waisenhäusern haben gezeigt, dass es im Gehirn sichtbare Veränderungen gibt, wenn junge Affen oder Kinder früh vernachlässigt wurden. Diese Veränderungen betreffen nicht die eigentlichen Nervenzellen, sondern Zellen, die die Nervenzellen umhüllen und schützen. Diese Oligodendrozyten reifen offenbar nicht richtig aus, wenn stimulierende Signale aus der Umwelt fehlen.

Von Katrin Zöfel |
    Ungerechter könnte es kaum sein: Eine junge Maus bewohnt einen großen, luftigen Käfig, umgeben von Artgenossen und interessantem Spielzeug. Die andere sitzt dagegen allein in einem kleinen, reizlosen Käfig, der nichts bietet, außer Wasser und Futter. Beide Tiere sind bei Beginn des Experiments gerade einmal drei Wochen alt.

    "Wir konnten zeigen, dass diese frühe soziale Isolation, wie wir sie hier simuliert haben, tatsächlich zu Veränderungen im Gehirn der Tiere führt. Die Entwicklung wird empfindlich gestört. Die isolierten Tiere verhalten sich später anders und sie lernen schlechter. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Signalweiterleitung in bestimmten Teilen des Gehirns gestört wird."

    Gabriel Corfas forscht an der Harvard Medical School in den USA. Sein Experiment hat er mit vielen Mäusen wiederholt. Nur zwei Wochen Isolation, sagt er, hinterlassen schon irreparable Schäden im Mäusegehirn. Dann nämlich, wenn diese zwei Wochen in die Zeit fallen, in der sich das soziale Verhalten der Tiere besonders stark entwickelt. Es ist die Zeit, in der die Tiere gerade aufgehört haben, gesäugt zu werden. Gabriel Corfas verglich das Verhalten der Tiere untereinander, indem er sie zwei Tests unterzog.

    "Wir untersuchten erstens, wie neugierig die Mäuse auf einen unbekannten Artgenossen reagieren, und zweitens, wie gut sie den Weg aus einem Labyrinth finden, und ob sie sich diesen Weg merken können."

    Die Mäuse, die in Isolation gehalten worden waren, interessierten sich kaum für ihre Artgenossen und stellten sich im Labyrinth deutlich ungeschickter an als die Tiere, die zuvor eine anregende Umgebung gehabt hatten. Gabriel Corfas verglich die isolierten Tiere schließlich auch mit einer dritten Gruppe: solchen Mäusen, die wie sonst im Labor gehalten worden waren, also in einem vergleichsweise langweiligen Käfig, aber immerhin zusammen mit drei Artgenossen. Selbst diese relativ karge Anregung genügte den Tieren offenbar, um ihre sozialen Fähigkeiten zu entwickeln. Was Gabriel Corfas nun interessierte war, was genau im Gehirn der isolierten Tiere anders war.

    "Weil wir Mäuse als Modell nehmen, können wir das Gehirn der Tiere hinterher genau untersuchen. Im Elektronenmikroskop konnten wir sehen, dass die sogenannten Oligodendrozyten bei den isolierten Tieren viel einfacher ausgebildet sind. Das sind die Zellen, die normalerweise Teile der Nervenzellen umhüllen. Sie reifen nicht vollständig heran."

    Oligodendrozyten bilden die sogenannte weiße Substanz im Gehirn. Bei jeder einzelnen Nervenzelle umhüllen sie die Fortsätze, über die Signale zur nächsten Nervenzelle geschickt werden. Bei den isolierten Mäusen fand Corfas, dass diese Oligodendrozyten dünner ausfallen und weniger Verzweigungen bilden.

    "Als nächstes haben wir versucht, ob wir genau diese Veränderungen auch künstlich herstellen können. Also, indem wir in den Mäusen ganz bestimmte Gene ausschalten, die wir im Verdacht hatten, dass sie für diese Prozesse wichtig sind. Das haben wir gemacht, und tatsächlich: wir konnten Mäuse erzeugen, deren Hirne dieselben Defekte zeigten. Und diese manipulierten Tiere verhielten sich auch genauso seltsam wie die isolierten Tiere, auch wenn sie in einer anregenden Umgebung aufgewachsen waren."

    Damit hat Gabriel Corfas einen Hinweis darauf, welche Gene für das Ausreifen der Oligodendrozyten eine Rolle spielen. Doch zurück zum Verhalten der Tiere. In den Experimenten lernten die Mäuse, die Corfas isoliert gehalten hatte, auch später nur noch wenig dazu. Das spricht dafür, dass die Schäden im Gehirn irreparabel sind. Fehlt in der entscheidenden Zeit der soziale Kontakt, können die Tiere ihre sozialen Fähigkeiten nicht richtig ausbilden. Corfas betont jedoch, dass sich seine Ergebnisse nicht einfach auf den Menschen übertragen lassen.