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Isotopenanalyse

Kommt irische Butter wirklich aus Irland und spanisches Olivenöl aus Spanien? Wenn staatliche Lebensmittelüberwachungsbehörden eine Antwort auf diese Frage suchen, dann wenden sie sich an das Forschungszentrum Jülich. Genau wie der Zoll, der klären will, ob nicht womöglich deutsche Butter, die mit satten Subventionen in osteuropäische Länder, die künftig der EU angehören werden, ausgeführt wurde, anschließend nicht wieder zurück kommt - neu verpackt als Produkte dieser Länder - und erneut subventioniert mit günstigen Zöllen. Um Betrügereien dieser Art aufzudecken, kann ebenfalls das Forschungszentrum Jülich helfen. Dort können die Experten nämlich mit einem Analyseverfahren genau feststellen, woher ein Lebensmittel wirklich kommt. Isotopenanalyse nennt sich das Verfahren.

Von Susanne Kuhlmann |
    Sie können nicht überall wissen, wo Pflanzenschutzmittel verwendet werden, die bei uns zum Beispiel nicht mehr gestattet sind. Deswegen muss auch sicher sein, dass, wenn man sagt, man kauft garantiert ökologisches Material aus China oder dergleichen, dann muss man nachprüfen können: Kommt das überhaupt aus China.

    Die Arbeit von Hilmar Förstel entspricht der eines Kriminalisten, der winzige Spuren auswertet, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Die Wahrheit – das ist in diesem Fall die Antwort auf die Frage, woher beispielsweise Kartoffeln, Äpfel und Butter stammen. Stimmt ihre Herkunft mit der überein, die der Produzent angibt? Das verrät jedes Lebensmittel anhand winzigster Spuren: der Isotope. Sie stecken in den fünf wichtigsten chemischen Elementen, die alle Naturstoffe aufweisen:

    Das ist Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel. Die wiederum bestehen noch mal aus den so genannten Isotopen. Das heißt, das sind verschieden schwere Teilchen.

    Das Analyseverfahren im Forschungszentrum Jülich beginnt mit einfacher Hausarbeit:

    Es geht eben einfach mit dem Zerkleinern los. Eine Kartoffel muss geschält werden und zerkleinert werden, Apfel dasselbe, bei Butter muss Wasser abgetrennt werden. Das sind ganz einfache Schritte, wie man sie auch in der Küche zunächst mal macht.

    Das ist allerdings der einzige Arbeitsschritt, der sich auf häusliche Verhältnisse übertragen lässt. Der folgende Raum im Isotopenlabor des Forschungszentrums Jülich steht voller hoher Gasflaschen:

    Wir suchen nach einer Eigenschaft des Materials, die ihm, wie wir sagen, von der Natur aus wie ein Fingerabdruck aufgeprägt wird. Viele Proben werden entweder verbrannt in ganz kleinen Mengen, um das wieder aufzutrennen in die einzelnen Bestandteile. Oder aber es wird als Ganzes eingesetzt, aber das auch nur in ganz winzigen Bereichen, unter einem Schnapsglas voll.

    Ob Obst oder Gemüse, Hühnereier oder Fleisch, Sekt oder Selters – die Lebensmittelproben enthalten Wasser, und das ist für Hilmar Förstel und seine Mitarbeiter ein unverwechselbarer Hinweis auf die Herkunft der Probe:

    Wasser besteht nur aus Sauerstoff und Wasserstoff. Da gibt es zum Beispiel verschieden schweren Wasserstoff und verschieden schweren Sauerstoff. Dann kann man sagen: Ein Wasser, das in Köln aus dem Boden gewonnen wird, ein Grundwasser, hat in Köln eine andere Zusammensetzung und ist etwas anders in seiner Schwere als ein Wasser in München.

    Leichtes oder schweres Wasser – warum ist das so wichtig? Ein Beispiel: die Legehennenverordnung. Deutsche Hennen sollen künftig mehr Platz zur Verfügung bekommen. Die engen Käfige der Legebatterien werden über kurz oder lang ausgemustert, und Hilmar Förstel malt sich aus, was dann passiert:

    Das bedeutet, dass der Anreiz, die Käfige zu verkaufen und hinter der Grenze die Hühner zu halten ganz groß ist. Das wird auch gemacht. Da kann man sich drauf verlassen. Dann ist es sehr schwer, das zu kennzeichnen.

    Eine Verordnung der Europäischen Union schreibt vor, dass zum Beispiel die Herkunft von Eiern oder Fleisch lückenlos nachweisbar sein muss. Die Isotopenanalyse hilft dabei:

    Wenn ein Landwirt ein Hühnerei verkauft, muss er dem Nächsten klarmachen, wo das herkommt. Aber der Endabnehmer, die Ladenkette, die kann nicht mehr auf den Bauern zurückgreifen. Die muss immer dem Vorhergehenden glauben. Und diese Rückverfolgbarkeit – ein wüstes Wort – die muss gewährleistet werden.

    Die Isotopenanalyse steht für einen bestimmten Qualitätsstandard, und das ist ein wichtiger Aspekt angesichts des weltweiten Handels mit allen erdenklichen Lebensmitteln. Wird ein teures italienisches Olivenöl zu Recht zu dem hohen Preis verkauft oder steckt dahinter ein Betrug mit minderwertiger Qualität? Ist Wein wirklich im Eichenfass gereift oder in einem Stahltank unter Zusatz von Holzaroma? Immer wieder haben staatliche Untersuchungsämter, der Zoll, private Unternehmer oder große Händler neue Aufgaben für die Mitarbeiter des Forschungszentrums Jülich. Schriftliche Zertifikate sind gut, anerkannte Analysen besser, ist Hilmar Förstel überzeugt:

    Papier ist geduldig, und Sie müssen Eigenschaften haben – und das ist der Vorteil – im Material. Also die stabil sind, die auch nachvollziehbar sind. Die Methode arbeitet nach internationalen Standards. Diese Möglichkeit alleine der Kontrolle – ich sage manchmal so: Es ist wie im Mittelalter, manchmal hat das Vorzeigen der Folterinstrumente schon seine Wirkung.