Bei Savyon Liebrecht weiß man, was man bekommt. Auch ihr Stück über die doppelbödige Affäre zwischen der jungen Hannah Arendt und dem schon arrivierten Martin Heidegger ist ein typisches Well-made-Play: konfliktorientiert, aber übersichtlich, mit starken Personenzeichnungen, aber eben auch ein bisschen konventionell. Liebrecht springt zwischen den 1970iger und den 1920iger Jahren hin und her, und Regisseur Avishai Milstein bringt einige der profiliertesten israelischen Schauspieler nach Deutschland: Leora Rivlin gibt die alte, desillusionierte (und sehr Israel-kritische) Arendt, Michal Shtamler die junge, frische, hoffnungsvolle Studentin Hannah; und Oded Kotler ist der hinreichend feige Traditionsjackenträger Heidegger, der über das Sein philosophiert, aber eher das außereheliche Vergnügen im Auge hat.
Liebrecht und Milstein gehören zu den Stars der israelischen Theaterszene, und dass "Die Banalität der Liebe" nun den Heidelberger Stückemarkt eröffnete, ist programmatisch. Das Stück zeigt, dass Theater unterhaltsam und schmerzhaft politisch sein kann; in Israel ist es ein Publikumsrenner. Zwar bietet Liebrecht Philosophie (verständlicherweise) nur in der Light-Version, und sie rutscht bei den spröden Stelldicheins des ungleichen Philosophen-Paares bisweilen ins Karikierend-Komische ab – "Bein oder Brust, Martin?", fragt die junge Arendt den Herrn Professor beim Essen, und Heidegger will sexuell dann natürlich beides. Aber sie liefert auch Heideggers trübe Antrittsrede als Rektor der Freiburger Uni und zeigt die Gebrochenheit der Arendt, die jahrzehntelang einen bigotten Halbnazi liebt.
Israel ist Gastland des diesjährigen Stückemarkts, und das Heidelberger Theater hat eine wegweisende Zusammenarbeit mit dem Tel Aviver "Beit Lessin Teatron" begonnen: drei Jahre lang wird man gemeinsame Projekte realisieren. Das Ehrgeizigste, "Undercover Tel Aviv", hatte auf dem Festival Premiere, und leider ist es ein Musterbeispiel konzeptuellen Scheiterns. Der (in Deutschland lebende) Regisseur Stéphane Bittoun läßt die israelische Hedonistenmetropole Tel Aviv von lauter BND- und Mossad-Agenten erkunden – und verzettelt sich in einer Vielzahl falscher Identitäten, aufgemotzter Banal-Episoden, Video- und Musikeinspielungen. Das Ganze ist eine krude Mischung aus Kabbalismus und Callboy-Posen, Geheimnistuerei und politischer Kritik.
So wurde das erste, nun wiederaufgenommene Kooperationsprojekt zwischen dem "Beit Lessin" und den Heidelbergern, "They call me Jeckisch", zum ersten Gewinner dieses Festivals. Je zwei (exzellente) Schauspieler aus Deutschland und Israel interviewten in Tel Aviv die "Jeckes", jene dem Holocaust entkommenen deutschen Juden, die wegen ihrer Ordentlichkeit berüchtigt waren und auch in größter Hitze Jacket trugen. Die Äußerungen dieser alten Leute, die ihre tiefe innere Verletztheit immer wieder relativieren oder hilflose Rachewünsche äußern, und die sehr persönliche Auseinandersetzung der noch jungen Schauspieler bilden den Rahmen der Improvisation, die mit Richard Wagners "Lohengrin"-Ouvertüre gefühlig-tabubrecherisch beginnt und mit einer deutsch-israelischen Schlägerei endet. Die Nachkommen der Opfer und die Nachkommen der Täter: Hadas Kalderon, die Enkelin des Holocaustpoeten Abraham Sutzkever, liest Gedichte ihres Großvaters, und der famose Entertainer Michael Hanegbi hat einen therapeutischen Vorschlag: fünf Sekunden Schweigen bei jeder ideologischen Kontroverse, damit Zeit zum Denken bleibt.
In der Aufführung spürt man, dass deutsche und israelische Theaterakteure sich in einem komplizierten Probenprozess nahe kamen – und dass doch Gräben bleiben. Wie stark sich das deutsche Publikum auf israelische Schreibweisen einlassen will, wird sich nun zeigen: Drei junge Dramatiker aus Tel Aviv nehmen am Autorenwettbewerb teil. Es geht in ihren Stücken um jugendliche Beziehungs-Desaster, das Selbstverständnis der israelische Armee und um die Besitzverhältnisse eines Hauses in Tel Aviv, das ein Palästinenser bekommen soll. Die Strick-Art der Stücke reicht vom ausgedehnten Selbst-Kommentar bis zur grotesken Fabel. Ein Israeli, der einen deutschen Nachwuchstheaterpreis gewinnt: Das wär' mal etwas Neues.
Info:
Heidelberger Stückemarkt
Liebrecht und Milstein gehören zu den Stars der israelischen Theaterszene, und dass "Die Banalität der Liebe" nun den Heidelberger Stückemarkt eröffnete, ist programmatisch. Das Stück zeigt, dass Theater unterhaltsam und schmerzhaft politisch sein kann; in Israel ist es ein Publikumsrenner. Zwar bietet Liebrecht Philosophie (verständlicherweise) nur in der Light-Version, und sie rutscht bei den spröden Stelldicheins des ungleichen Philosophen-Paares bisweilen ins Karikierend-Komische ab – "Bein oder Brust, Martin?", fragt die junge Arendt den Herrn Professor beim Essen, und Heidegger will sexuell dann natürlich beides. Aber sie liefert auch Heideggers trübe Antrittsrede als Rektor der Freiburger Uni und zeigt die Gebrochenheit der Arendt, die jahrzehntelang einen bigotten Halbnazi liebt.
Israel ist Gastland des diesjährigen Stückemarkts, und das Heidelberger Theater hat eine wegweisende Zusammenarbeit mit dem Tel Aviver "Beit Lessin Teatron" begonnen: drei Jahre lang wird man gemeinsame Projekte realisieren. Das Ehrgeizigste, "Undercover Tel Aviv", hatte auf dem Festival Premiere, und leider ist es ein Musterbeispiel konzeptuellen Scheiterns. Der (in Deutschland lebende) Regisseur Stéphane Bittoun läßt die israelische Hedonistenmetropole Tel Aviv von lauter BND- und Mossad-Agenten erkunden – und verzettelt sich in einer Vielzahl falscher Identitäten, aufgemotzter Banal-Episoden, Video- und Musikeinspielungen. Das Ganze ist eine krude Mischung aus Kabbalismus und Callboy-Posen, Geheimnistuerei und politischer Kritik.
So wurde das erste, nun wiederaufgenommene Kooperationsprojekt zwischen dem "Beit Lessin" und den Heidelbergern, "They call me Jeckisch", zum ersten Gewinner dieses Festivals. Je zwei (exzellente) Schauspieler aus Deutschland und Israel interviewten in Tel Aviv die "Jeckes", jene dem Holocaust entkommenen deutschen Juden, die wegen ihrer Ordentlichkeit berüchtigt waren und auch in größter Hitze Jacket trugen. Die Äußerungen dieser alten Leute, die ihre tiefe innere Verletztheit immer wieder relativieren oder hilflose Rachewünsche äußern, und die sehr persönliche Auseinandersetzung der noch jungen Schauspieler bilden den Rahmen der Improvisation, die mit Richard Wagners "Lohengrin"-Ouvertüre gefühlig-tabubrecherisch beginnt und mit einer deutsch-israelischen Schlägerei endet. Die Nachkommen der Opfer und die Nachkommen der Täter: Hadas Kalderon, die Enkelin des Holocaustpoeten Abraham Sutzkever, liest Gedichte ihres Großvaters, und der famose Entertainer Michael Hanegbi hat einen therapeutischen Vorschlag: fünf Sekunden Schweigen bei jeder ideologischen Kontroverse, damit Zeit zum Denken bleibt.
In der Aufführung spürt man, dass deutsche und israelische Theaterakteure sich in einem komplizierten Probenprozess nahe kamen – und dass doch Gräben bleiben. Wie stark sich das deutsche Publikum auf israelische Schreibweisen einlassen will, wird sich nun zeigen: Drei junge Dramatiker aus Tel Aviv nehmen am Autorenwettbewerb teil. Es geht in ihren Stücken um jugendliche Beziehungs-Desaster, das Selbstverständnis der israelische Armee und um die Besitzverhältnisse eines Hauses in Tel Aviv, das ein Palästinenser bekommen soll. Die Strick-Art der Stücke reicht vom ausgedehnten Selbst-Kommentar bis zur grotesken Fabel. Ein Israeli, der einen deutschen Nachwuchstheaterpreis gewinnt: Das wär' mal etwas Neues.
Info:
Heidelberger Stückemarkt