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Israelisch-palästinensisches Liebesglück

"Zaide-Adama" ist eine mutige Verquickung von Mozarts unvollendeter "Zaide", die er 1779 schrieb, mit einer Neukomposition von Chaya Czernowins "Adama". Es geht darin um eine israelisch-palästinensische Liebesgeschichte. Andrea Moses hat die Bremer Erstaufführung als eine Art Clash der Kulturen inszeniert.

Von Georg-Friedrich Kühn |
    Eine Art "Kontrapunktstück" nennt die in Wien lebende israelische Komponistin Chaya Czernowin ihr Werk. Zwei musikalische Sphären lässt sie ineinandergreifen, miteinander dialogisieren. Für den Mozart-Gesamtzyklus der Salzburger Festspiele 2006 sollte sie Mozarts unvollendet gebliebenes Singspiel "Zaide", eine tragische Vor-Variante der "Entführung aus dem Serail", bearbeiten.

    "Zuerst dachte ich, es ist eine postmoderne Idee. [lacht] Und obwohl ich sehr viel von Postmodernismus gelernt habe, ich denke nicht, dass ich eine postmoderne Komponistin bin."

    In der Mozartischen "Zaide" fehlen die Dialoge. In diese Lücke greift Czernowin. Mit der Frage von Identitäten hatte sie sich immer wieder beschäftigt.

    "Das heißt, dass die Mozart-Idee nur ein Schritt weiter war. Statt meine eigenen Fremden, die in den Dialog kommen, eine echte Fremde - und Mozart ist mir eine echte Fremde, viel mehr als Beethoven - und mit ihm in den Dialog kommen."

    Zu der scheiternden Entführung Zaïdes aus den Fängen eines sexomanen Sultans setzt Czernowin eine aus Mozarts Wort-Fragment gefilterte Geschichte um eine Israelin, die einen Palästinenser liebt. Der Titel "Adama" bedeutet Erde. In dem Wort stecken die Worte "adam" für Mann und "dam" für Blut. Die Liebe des Paars in "Adama" kann sich wegen der politischen Verhältnisse ebenso wenig erfüllen wie die zwischen Zaïde und ihrem vergeblichen Befreier Gomatz.

    Andrea Moses, die Regisseurin der Bremer Neuinszenierung, macht aus dem schwebenden psychologischen Spiel eine Art politischen Traktat über den Clash der Kulturen. Sie verlegt die Handlung in ein türkisches Restaurant von heute, wo sich Zaïde als Tochter des Restaurantbesitzers Soliman verliebt in einen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis untergetauchten Türken. Sie flieht mit ihm. Der Vater zertrümmert sein eigenes Restaurant, als er von ihrer Flucht hört, und geht mit diversen Schießeisen auf sie los, als er ihrer wieder habhaft wird.

    In der Parallelgeschichte um die Israelin und den Palästinenser tritt als Rächer der jüdische Vater mit Anhang und lemurenhaften, am Ende gekreuzigten KZ-Häftlingen in Erscheinung, um die Tochter samt ihrem Liebhaber zu demütigen und zu steinigen. Musikalisch ist dies das Zentrum des aus stammelnden Wortfetzen sich entwickelnden Parts.

    Das Orchester ist zweigeteilt in ein Mozart-Orchester im Graben und ein Adama-Orchester auf der Bühne. Die beiden Dirigenten Daniel Montané und Florian Pestell arbeiten Hand in Hand. Sängerisch beeindrucken können vor allem Noa Frenkel und Yaron Windmüller als Darsteller des ungleichen Paars in "Adama". Sara Hershkowitz als Zaïde singt anfangs mit einem schönen hellen Sopran, verliert dann aber etwas an Spannkraft. Das Bremer Premieren-Publikum zeigte sich beeindruckt, auch wenn die Lücken im Parkett nach der Pause etwas gewachsen waren.
    Für die Bremer Version hat man auch einen eigenen Schluss gewählt, eine andere Komposition von Chaya Czernowin, die ursprünglich mit dem Mozart‘schen Fragment geendet hatte: "Tränen", etwas melodramatisch. Die Sänger beider Teile wirken hier zusammen. Plakativer Versuch einer Versöhnung des vorläufig noch Unversöhnten.