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Israelische Flagge in der Fankurve

Gerade mal drei jüdische Spieler sind in der Bundesliga aktiv. Itay Shechter und Gil Vermouth beim 1. FC Kaiserslautern sowie Almog Cohen beim 1. FC Nürnberg. Cohen ist 22 Jahre alt und Nationalspieler Israels. Dass er nun ausgerechnet in Nürnberg zu den beliebtesten Spielern gehört, hätten seine Eltern kaum für möglich gehalten.

Von Ronny Blaschke | 21.08.2011
    Die Valznerweiherstraße am Stadtrand von Nürnberg. Almog Cohen führt den Ball elegant über den Rasen, er lässt einen Gegner ins Leere laufen, umkurvt einen zweiten, wuchtet den Ball in den rechten Torwinkel. Cohen zählt zu den beliebtesten Spielern des 1. FC Nürnberg. Immer wieder rufen die Fans am Spielfeldrand seinen Namen. Nicht nur deshalb füllt Almog Cohen eine besondere Rolle aus: Er ist der einzige jüdische Kicker im Verein, bis vor kurzem war er sogar der einzige Israeli in der Bundesliga.

    Das Fußballgelände des 1. FC Nürnberg ist nicht weit von der Zeppelintribüne entfernt, dort hatte Hitler seine Hetzreden gegen Juden gehalten. In Nürnberg hatten die Nationalsozialisten ihre antisemitische Ideologie 1935 verankert. Jene Rassengesetze werden in den Schulen Israels ausführlich behandelt, sagt Almog Cohen.

    "Jeder Jude muss darüber Bescheid wissen, das ist für uns keine leichte Angelegenheit. Ich weiß, welche Rolle diese Stadt gespielt hat, aber das ist sehr lange her. Ich bin nach Nürnberg gekommen, um Fußball zu spielen. Es ist für jeden israelischen Spieler ein Traum, einen Vertrag in Deutschland zu unterschreiben, denn die Bundesliga zählt zu den stärksten Ligen der Welt."

    Die Familie von Almog Cohen stammt aus Marokko, dort gehörte sie zur kleinen jüdischen Minderheit. Seine Großeltern haben das Land in den fünfziger Jahren verlassen, um beim Aufbau des Staates Israel zu helfen. Verwandte hatten die Familie während des Holocaust nicht verloren, zu weit war Afrika vom besetzten Europa entfernt. Als Almog Cohen das Angebot des 1. FC Nürnberg erhielt, hatte sein Vater kein gutes Gefühl. Denn auch das Trainingszentrum war Teil des Reichsparteitagsgeländes gewesen. Umgeben von faschistischen Torbögen und Gemäuern.

    "Als mein Vater sich das Stadiongelände angesehen hat, stieß er auch auf die historischen Bauten. Er war traurig, das habe ich in seinen Augen gesehen. Aber er wollte sich nichts anmerken lassen. Es war sein Wunsch, dass ich mich auf den Fußball konzentriere. Inzwischen ist er sehr froh, dass ich hier bin. Niemand hat bisher meinen Glauben beleidigt. Es gibt sogar Fans, die schwenken während der Spiele die israelische Flagge. Die Fans kümmern sich sehr um mich, das gibt mir viel Selbstvertrauen."

    Auch der 1. FC Nürnberg hatte während des Nationalsozialismus jüdische Mitglieder ausgeschlossen. 1932, nach dem verlorenen Meisterschafts-Halbfinale gegen den FC Bayern München, hetzte die NSDAP gegen den jüdischen Trainer Jenö Konrád. Das Propagandablatt "Stürmer" schrieb damals:

    "Klub! Besinn Dich und wache auf. Gib Deinem Trainer eine Fahrkarte nach Jerusalem."
    Konrad verließ den Verein und flüchtete über Umwege nach New York, den Fußball musste er aufgeben.

    Martin Bader ist Sportdirektor in Nürnberg. Er hatte geahnt, dass die Verpflichtung von Almog Cohen 2010 nicht gewöhnlich sein würde, daher bereitete er sich gut auf die Reise nach Israel vor. Bader wollte den Eltern ein sicheres Gefühl vermitteln.

    "Man hat dann in den Gesprächen mit den Eltern gemerkt, dass diese Geschichte honoriert wird, dass man sich beschäftigt hat als Deutscher, dass man es eben nicht verdrängt, dass man sagt: wir laden sie auch gern mal ins Dokumentationszentrum ein, hier in Nürnberg. Es gibt andere Fälle von Spielern, die geprägt sind von Elternhäusern, die sagen, in Nürnberg darf ich nicht Fußball spielen. Wo von vornherein ausgeschlossen wurde, dass ein dunkelhäutiger Spieler, den wir damals in der Jugend verpflichten wollten von seinem Vater verboten wurde, nach Nürnberg zu wechseln. Einfach auf Grund der Historie, ohne dass wir die Chance hatten, mit dem Vater oder mit dem Jungen mal über Nürnberg, über unsere Geschichte und unseren Verein zu sprechen."

    Der schmächtige Almog Cohen stammt aus Ber'Scheva, zwischen Gaza-Streifen und Westjordanland. In Nürnberg hat Cohen keine Probleme, seinen Glauben auszuleben, abgesehen von Kleinigkeiten. So musste sich der Teamkoch erst darauf einstellen, auch koscheres Essen anzubieten. Schwieriger war es während des höchsten jüdischen Feiertages, während Jom Kippur. Cohen durfte nicht essen, nicht trainieren, nicht arbeiten. So verlor er vor gut einem Jahr seinen Platz in der Startelf gegen Leverkusen. Doch das ist nichts im Vergleich zu den Sorgen anderer Sportler aus seiner Heimat. So wurde der Tennisspielerin Shahar Peer mehrfach die Einreise zu Turnieren nach Dubai verweigert. Wie würde Almog Cohen bei einem Boykott gegen ihn reagieren?

    "Sicherlich wäre ich traurig, wenn mir das passieren würde. Aber was könnte ich daran ändern? Dann würde ich eben in Nürnberg bleiben und allein trainieren. Sollten wir tatsächlich mal ein Freundschaftsspiel in Dubai haben, hoffe ich, dass ich genauso behandelt werde wie jeder andere. Ganz normal."